Rechtliche Probleme im Zusammenhang mit Covid-19-Tests als In-vitro-Diagnostika

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veröffentlicht am 8. Mai 2020 | Lesedauer ca. 5 Minuten

  

​Die „Coronavirus-Krankheit 2019” (Covid-19) ist eine globale Pandemie, die durch das schwere akute respiratorische Syndrom-Coronavirus-2 (SARS-CoV-2) verursacht wird. Rechtzeitige und exakte In-vitro-Tests zum Nachweis einer aktuellen oder über­wun­denen Erkrankung sind ein wesentlicher Aspekt bei der Bekämpfung der Pandemie und der damit verbundenen Krise im Bereich der öffentlichen Gesundheit.  Solche Tests rücken damit in Zeiten von Coronavirus in den Fokus der Aufmerk­sam­keit, gerade auch was deren rechtliche Anforderungen anbelangt. Letztere unterscheiden sich z.T. wiederum von der Art und dem Anwendungszweck des jeweiligen Tests.

  

  

       
   

    

  

Überblick über Tests und den jeweiligen Zweck

„RNA” (auch „RT-PCR”)-Tests und Antigentests

Sie weisen die Virusinfektion selbst nach. RT-PCR-Tests sind i.d.R. laborgestützt und benötigen eine spezielle, automatisierte Ausrüstung. Sie zeichnen sich i.d.R. durch eine niedrige Nachweisschwelle sowie eine hohe analytische Genauigkeit positiv aus.

  

„Antikörpertests”

Antikörpertests dagegen erkennen die immunologische Reaktion des Körpers gegen das Virus, d.h. sie geben Hinweis über eine vergangene (oder aber auch noch laufende) Infektion. Mit ihnen kann zwar eine (noch) be­ste­hende Virusinfektion nicht sicher bestimmt werden, sie sind aber wichtig für großangelegte sero-epide­mo­lo­gische Bevölkerungstests zur gesundheitspolitischen Kontrolle der Pandemie.

  

Zweck der Tests

Bzgl. der Anwender werden Tests für die Verwendung durch medizinisches Fachpersonal oder zum Selbsttest durch Laienanwender (Produkte zur Eigenanwendung) unterschieden. Bzgl. der Testweise wird unterschieden zwischen automatisierten Tests zur Verwendung in Analysegeräten und (Antigen-/ Antikörper-)Schnelltests.

  

Rechtsrahmen für Covid-19-Tests

Je mehr die Notwendigkeit solcher Tests in den Mittelpunkt rückt, desto relevanter werden freilich auch recht­liche Fragen rund um die Herstellung, das Inverkehrbringen und die Anwendung der Tests.  Das hat auch die Europäische Kommission erkannt und kürzlich Leitlinien für In-vitro-Tests zur Diagnose von Covid-19 und deren Leistung erlassen, die als Orientierungshilfe dienen sollen sowie ein Arbeitspapier erstellt. Des Weiteren hat sie einen Leitfaden zur Konformitätsbewertung von Medizinprodukten sowie eine Übersicht über die internationale Anerkennung von Normen, die auch In-vitro Covid-19-Tests umfassen veröffentlicht.

  

Derzeit werden die Anforderungen an Covid-19-Tests auf EU-Ebene noch durch die Richtlinie 98/79/EG IVDD und die nationalen Umsetzungsgesetze (in Deutschland MPG, MPSV  und MPKPV) geregelt. Allerdings werden sie ab dem 26. Mai 2022 durch die dann direkt in allen Mitgliedstaaten anwendbare Verordnung (EU) 2017/746 über In-vitro-Diagnostika (IVD) ersetzt, die einige Neuerungen enthält, die auch die Covid-19-Tests betreffen werden, was freilich zahlreiche Rechtsfragen auch in regulatorischer Hinsicht nach sich zieht.

  

Regulatorische Problemstellungen im Zusammenhang mit Covid-19-Tests

Unverändert bleibt auch nach den neuen Regelungen die Notwendigkeit einer CE-Kennzeichnung für solche Tests, bevor sie in der EU in den Verkehr gebracht und angewendet werden dürfen. Hierzu müssen sie den sog. „Grundlegenden Anforderungen“ entsprechen (z.B. Patientensicherheit, Stand der Technik, analytische Sensitivität, diagnostische Sensitivität, analytische Spezifität, diagnostische Spezifität, Genauigkeit, Wieder­hol­:barkeit, Reproduzierbarkeit, Beherrschung der bekannten Interferenzen und Nachweisgrenzen), was der Hersteller durch technische Dokumentation nachweisen muss.

  
Wie ein solcher Nachweis zu erfolgen hat, richtet sich nach der Einstufung des jeweiligen IVD, sprich danach, um welche Art von Covid-19-Tests es sich im Einzelfall handelt. Ausschlaggebend ist insbesondere auch, ob das Testsystem nur für den Gebrauch durch Fachpersonal vorgesehen ist oder zur Eigenanwendung durch den Patienten selbst.

  

Tests für die Verwendung durch Gesundheitsfachkräfte werden derzeit noch als sog. „IVD niedrigen Risikos“ eingestuft, sodass die Hersteller die Konformität selbst, sprich ohne Prüfung durch eine unabhängige Stelle, zertifizieren dürfen. Das wurde bereits heftig kritisiert, nicht zuletzt auch vom Paul-Ehrlich-Institut, das in Deutschland als oberste Bundesbehörde für In-vitro-Diagnostika primär zuständig ist. Angesichts der raschen Entwicklung der Pandemie (Fallzahlen, Mutationen des Virus, etc.) empfiehlt die Europäische Kommission in ihren oben genannten Leitlinien dringend eine zusätzliche Validierung der klinischen Leistungen von Tests.

 

Das Problem der Selbstzertifizierung wird sich wohl erst unter der neuen IDV-Verordnung (EU) 2017/746 nächstes Jahr (26. Mai 2022) lösen, da dann neue Klassifizierungsregeln und Zulassungsverfahren gelten. Das Paul-Ehrlich-Institut hat bereits darauf hingewiesen, dass die Covid-19-Tests dann voraussichtlich in die höchste Risikoklasse gehören werden. Das erfordert eine Laboruntersuchung der Tests sowie eine unab­hängige Überprüfung der Daten. Auf diese Änderung müssen sich freilich insbesondere die Hersteller, die für die korrekte Durchführung der Konformitätsprüfung verantwortlich sind, rechtzeitig einstellen, um auch künftig verkehrsfähige Covid-19-Tests anbieten zu können und Sanktionen zu vermeiden.

  
Weiterhin problematisch werden zudem die Covid-19-Schnelltests zur Eigenanwendung bleiben. Sie werden aufgrund ihrer Unabhängigkeit von Laboren und Analysegeräten in jüngster Zeit verstärkt vermarktet. Zwar gelten für sie bereits jetzt strengere Anforderungen an die Konformitätsbewertung, da die Tests durch eine sog. „Benannte Stelle“ zu erfolgen hat, sprich eine Selbstzertifizierung durch den Hersteller nicht ausreichend ist.

  

Die unabhängige Stelle muss u.a. die technische Dokumentation und die Gebrauchsanweisung solcher Selbsttests bewerten (z.B. Laienverständlichkeit, Bedienbarkeit, Benutzerfreundlichkeit). Problematisch ist jedoch, dass Tests, die eigentlich nur für den Einsatz durch medizinisches Fachpersonal und explizit nicht für den privaten Gebrauch konzipiert sind, den Verbrauchern dennoch vereinzelt übers Internet angeboten werden.

  

Da solche Tests und deren Gebrauchsanweisung derzeit nicht durch eine unabhängige Stelle geprüft werden, bestehen richtigerweise Bedenken. Hinzu kommt, dass bereits gefälschte Tests identifiziert und aus dem Verkehr gezogen wurden (gefälschte Nachweise über nationale Registrierung, gefälschte Bescheinigung der benannten Stelle oder fehlende technische Dokumentation). Die mitgliedstaatlichen Behörden sind daher eher zurückhaltend bei der Verwendung bzw. Empfehlung von solchen Covid-19-(Schnell-)Selbsttests. In einigen Ländern (z.B. Belgien, Deutschland, Finnland, Schweden und Irland) wurde die Verwendung bestimmter Arten von Selbsttests sogar verboten bzw. vor deren Benutzung gewarnt. Anbieter solcher Test müssen sich daher vorab genau über die rechtlichen Anforderungen der Herstellung und Vermarktung informieren, um nicht Gefahr zu laufen, nicht-verkehrsfähige Produkte auf den Markt zu bringen. Zu unterscheiden ist im Hinblick auf die regulatorischen Anforderungen insbesondere auch zwischen reinen Selbsttests und Tests bei denen z.B. nur der Abstrich durch Laien und die Analyse dann im Labor erfolgt.

  
Es ist schließlich darauf hinzuweisen, dass bei der aktuellen Pandemielage auch eine „Schnellzulassung“ für Covid-19-Tests, die kein reguläres Konformitätsbewertungsverfahren zur CE-Kennzeichnung durchlaufen haben, als befristete Sonderzulassung durch das BfArM in Betracht kommen kann. Hersteller sollten sich daher informieren, inwieweit das für ihre Produkte eine (vorübergehende) Lösung zur schnellen Bereitstellung auf dem Markt sein kann.

  

Verstärkter Beratungsbedarf im Pharma- und Gesundheitsbereich

Zahlreiche Produkte, die mit der Coronavirus-Krise plötzlich an Bedeutung gewonnen haben, betreffen den Pharma- und Gesundheitsbereich. Gerade im Zusammenhang mit den Covid-19-Tests ist z.B. auch an eine Reihe von Apps zu denken, die auf den Markt gebracht wurden, um den Zugang bzw. die Analyse von Test­ergebnissen für den Patienten zu erleichtern. Hier ergeben sich u.U. neue Fragen zur Einordnung als Medizin­produkt, einer notwendigen CE-Kennzeichnung, weiteren regulatorischen Anforderungen (z.B. im Hinblick auf die Kennzeichnung und Bewerbung), darüber hinaus aber auch z.B. zum Datenschutz im Gesundheitsbereich. Auch bei weiteren Produkten, die in der aktuellen Pandemie in den Fokus der Aufmerksamkeit rücken, ergeben sich rechtliche und insbesondere regulatorische Fragen bzgl. Zuständigkeiten, Einordnung, Zulassung, beschleunigte Verfahren etc., z.B. bei Beatmungsgeräten (Medizinprodukt), Schutzmasken (chirurgische Mund-Nase-Masken als Medizinprodukt in Abgrenzung zu FFP-Atemschutzmasken als persönliche Schutz­aus­rüstung), einfachen Behelfsmasken (Bedarfsgegenstand) und Desinfektionsmitteln (Medizinprodukt/ Biozid/ Kosmetik).

  
Mit einem Team von spezialisierten Anwälten berät und vertritt Rödl & Partner Unternehmen aus der Life-Science-Branche umfassend, interdisziplinär und über die Ländergrenzen hinweg zu allen Fragen, die angefangen bei der Produktentwicklung über die Herstellung und den Vertrieb bis hin zur Vermarktung und Anwendung von Produkten aus dem Pharma- und Gesundheitsbereich  auftreten können. Auch in Zeiten von Corona geben wir zuverlässige und dank unserer Expertise und Erfahrung praxisnahe Orientierung, die nützlich für das Geschäft von Unternehmen aus diesem Sektor ist.

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