EU erlässt neue delegierte Verordnung zur EU-Taxonomie: Was steckt dahinter?

PrintMailRate-it

​​​​​​​​​zuletzt aktualisiert am 29. Juli 2025 | Lesedauer ca. 7 Minuten


Die delegierte Verordnung zur EU-Taxonomie (C(2025) 4586 final​​​) wurde am 4. Juli 2025 erlassen. Sie ergänzt den bestehenden Rahmen der EU-Taxonomie und vereinfacht die Anwendung der Verordnung für Unternehmen und Finanzakteure.


Hintergrund 
Die EU-Taxonomie schafft ein einheitliches Klassifizierungssystem, das anhand klar definierter Kriterien festlegt, welche wirtschaftlichen Tätigkeiten unter welchen Bedingungen von der EU als ökologisch nachhaltig angesehen werden. Damit sollen Greenwashing verhindert, Investitionen in grüne Technologien gelenkt und Anreize für Unternehmen geschaffen werden, sich nachhaltig zu entwickeln. 

Die Erhebung der Offenlegungspflichten sind jedoch mit erheblichem Aufwand für Unternehmen verbunden, da geprüft werden muss, ob unternehmerische Tätigkeiten den teils sehr detaillierten technischen Bewertungs­kri­terien entsprechen. Mit der neuen delegierten Verordnung werden nun unter anderem Erleichterungen im Zuge der Offenlegungspflichten umgesetzt; so sollen administrative Hürden reduziert und die Anwendbarkeit erleichtert werden. 

Die EU-Kommission hatte die Änderungsvorschläge zur EU-Taxonomie im Rahmen des Omnibus I-Pakets bereits am 26. Februar 2025 als Entwurf veröffentlicht. Einige der darin enthaltenen Vorschläge wurden in der aktuellen Fassung übernommen – es gab allerdings auch Anpassungen gegenüber der ursprünglichen Entwurfsfassung.

Änderungen im Überblick

​Wesentlichkeitsschwellen

Wie bereits im Entwurf vom 26. Februar 2025 vorgesehen, sollen für die Berichterstattung von Nicht-Finanz­unternehmen im Rahmen der EU-Taxonomie künftig zwei Wesentlichkeits-schwellen gelten. Im Rahmen der genauen Ausgestaltung der Schwellen unterscheidet sich die nun veröffentlichte Version allerdings vom Entwurf. 
 
Nach der aktuellen Version soll eine 10 % De-minimis Schwelle für die Umsatz-, CapEx- und OpEx-Kennzahl eingeführt werden. Diese soll es Unternehmen ermöglichen, auf die Bewertung der Taxonomiefähigkeit oder -konformität von Tätigkeiten zu verzichten, wenn diese Tätigkeiten in Summe weniger als 10 % des Nenners des relevanten KPI ausmachen. 

Im Vergleich zum Entwurf wurde der Wortlaut nun präzisiert, wodurch klargestellt wird, dass die Wesentlich­keits­​schwelle sowohl die Bewertung der Taxonomiefähigkeit als auch der -konformität umfasst und, dass die Prüfung auf Unwesentlichkeit für jede KPI individuell geprüft werden muss. Der als unwesentlich identifizierte Anteil an Umsatz, CapEx und OpEx muss nach wie vor entsprechend als immateriell ausgewiesen und damit offengelegt wer-den. Zudem sollen Unternehmen auf individueller Ebene je unwesentlicher Tätigkeit den entsprechenden Sektor angeben, wobei sie sich an den NACE-Codes orientieren können. Durch diese Angaben soll eine angemessene Transparenz erreicht werden.

Für die Offenlegung des OpEx wurde darüber hinaus eine weitere Wesentlichkeitsschwelle eingeführt. Die neue Regelung sieht vor, dass von der Erhebung der Taxonomiefähigkeit und -konformität des OpEx vollumfänglich abgesehen werden kann. Abweichend von der Entwurfsversion, die einen konkreten Schwellenwert von 25 % enthielt, sieht die aktuelle Version nun vor, dass Unternehmen auf die Erhebung verzichten können, wenn die betreffenden Betriebsausgaben im Kontext ihres Geschäftsmodells als nicht wesentlich einzustufen sind. Folglich ist eine übergeordnete Beurteilung vorzunehmen ohne vorgegebenen konkreten Schwellenwert. Diese Argumentationslinie knüpft konsequent an die bisher geltenden OpEx-Erleichterungen an und erscheint somit stimmiger als die im Entwurf vorgesehene Argumentation. Für den Fall, dass Unternehmen zu der Beurteilung gelangen, dass OpEx insgesamt als unwesentlich zu klassifizieren ist, ist dennoch der Gesamtbetrag des Nenners der OpEx-Kennzahl offenzulegen sowie die Begründung, warum OpEx für das Geschäftsmodell unwesentlich ist.

Die Einführung der Wesentlichkeitsschwellen soll den Aufwand insbesondere für Unternehmen, die wenige taxonomiefähige Tätigkeiten haben, reduzieren.  

Anpassung der Do No Significant Harm Kriterien (DNSH-Kriterien)

Auch die im Entwurf vorgesehene Anpassung der DNSH-Kriterien, im Hinblick auf das Umweltziel Vermeidung und Verminderung der Umweltverschmutzung im Zusammenhang mit der Verwendung oder dem Vorhandensein von Chemikalien, wurde in der aktuellen Version in leicht abgeänderter Form übernommen. 

Die bisher geltenden Anforderungen der Anlage C waren unter anderem deshalb sehr herausfordernd, da sie einen gewissen Interpretationsspielraum gelassen haben und zudem sehr aufwendig zu prüfen waren. Kern der Änderungen sind einerseits das Ergänzen von konkreten Ausnahmefällen zur Klarstellung und andererseits der Wegfall bestimmter Anforderungen. 

Konkret ergeben sich folgende Änderungen in Anlage C: 
  • Buchstabe (c) und (d): Konkretisierung bzw. Nennung bestimmter Ausnahmen, die bereits in bestehenden Schadstoffgesetzen der EU verankert sind (bspw. Ozon abbauende Stoffe, Gefährliche Stoffe gemäß RoHS) 
  • Die Verpflichtung zur Bewertung von Stoffen, die zuvor gemäß den Kriterien der CLP-Verordnung einzustufen waren, wurde aufgehoben (zuvor: letzter Absatz in Anlage C). Nun fallen nur noch Stoffe in den Rahmen der Anlage C, die in der REACH-Kandidatenliste aufgeführt sind. Dadurch verringert sich die Anzahl der zu prüfen-den Stoffe deutlich und ebenso der Aufwand zur Klassifizierung ebendieser Stoffe.
Die EU-Kommission hat perspektivisch eine weitere Überarbeitung und Vereinfachung der technischen Bewertungskriterien, insbesondere der DNSH-Kriterien, angekündigt, um die Praktikabilität der EU-Taxonomie weiter zu verbessern und die Verordnung besser an bestehendes EU-Recht anzupassen.

Anpassung der Meldebögen

Die EU-Taxonomie-Verordnung sieht die Offenlegung der Kennzahlen in verpflichtend anzuwendenden Meldebögen vor. Diese Meldebögen wurden im Zuge der delegierten Verordnung angepasst. Durch die Anpassungen werden bisherige Doppelungen gestrichen und die Offenlegungen im Rahmen der Meldebögen auf die Datenpunkte gekürzt, die für Investoren und andere Stakeholder besonders relevant sind. Laut Schätzung der EU-Kommission verringern sich die Datenpunkte um 64 % (28 statt zuvor 78 Datenpunkte).
Dadurch fallen unter anderem die Angaben zur Erfüllung der DNSH-Kriterien und Minimum Safeguards für taxonomiekonforme Tätigkeiten weg. Darüber hinaus wird der Meldebogen zur delegierten Verordnung für Wirtschaftstätigkeiten in bestimmten Energiesektoren (Del-VO (EU) 2022/1214), der derzeit noch separat offengelegt werden muss, wegfallen. Die An​gaben werden zukünftig über die allgemeinen Meldebögen abgedeckt bzw. dort integriert. 

Diese Änderungen betreffen allerdings nur die Darstellung der Ergebnisse und führen nicht direkt zu einer Änderung der KPI-Erhebung.


Bedeutung für die Praxis und Ausblick

Für Unternehmen können die dargestellten Änderungen zu spürbaren Erleichterungen führen. Besonders Unternehmen deren Anteil an taxonomiefähigen Tätigkeiten nur gering ist, profitieren von den Vereinfachungen, da durch die Wesentlichkeitsschwellen für sie künftig ein großer Teil des Erhebungsaufwands freiwillig wird. Für Unternehmen, die bereits nach der EU-Taxonomie berichten, ist daher eine frühzeitige Anwendung der Änderungen zu empfehlen. Die delegierte Verordnung soll ab dem 1. Januar 2026 anzuwenden sein. Für die Berichterstattung über Geschäftsjahre, die zwischen dem 1. Januar und dem 31. Dezember 2025 beginnen, haben Unternehmen jedoch ein Wahlrecht weiterhin die bisher geltenden Regelungen anzuwenden.
Unternehmen, die bisher noch nicht nach der EU-Taxonomie berichten müssen, sich aber bereits im Prozess der Fähigkeits- oder frühen Konformitätsprüfung befinden, sollten hinsichtlich der zeitnah von der EU-Kommission geplanten allgemeinen Überarbeitung der technischen Bewertungskriterien abwägen, ob die Prüfung der Konformität auf Basis des aktuellen Rechtsstands weitergeführt werden soll oder ob ein Abwarten auf die Überarbeitung sinnvoll ist.

Sowohl das EU-Parlament als auch der EU-Rat können innerhalb einer Frist von maximal 6 Monaten Einwände erheben, jedoch keine konkreten inhaltlichen Änderungen vornehmen. Wenn keine Einwände erhoben werden, wird die delegierte Verordnung anschließend im EU-Amtsblatt veröffentlicht und tritt daraufhin in Kraft. Dadurch wird die delegierte Verordnung zu geltendem EU-Recht und ist bindend für alle EU-Mitgliedsstaaten. Eine Umsetzung in nationales Recht ist nicht erforderlich. Mit einer Veröffentlichung im EU-Amtsblatt ist zwischen Ende des Jahres 2025 und Anfang des Jahres 2026 zu rechnen.

Der zukünftige Anwenderkreis der EU-Taxonomie wird währenddessen weiterhin diskutiert. Um hinsichtlich aller sonstigen Änderungen im Zusammenhang mit dem Omnibus I-Paket auf dem Laufenden zu bleiben, lesen Sie gerne unseren aktuellen ESG News Artikel „Omnibus-Initiative in Bewegung: Wie weit ist die EU mit der Kurskorrektur?​“.​

Nachhaltige Strategien mit Weitblick – unser ESG Tag



Aus dem Newsletter









Kontakt

Contact Person Picture

Dr. Christian Maier

Diplom-Kaufmann, Wirtschaftsprüfer, CPA (U.S.)

Head of Sustainability Services, Partner

+49 711 7819 147 73

Anfrage senden

Contact Person Picture

Bernadette Bauer

CMAAR

Senior Associate

+49 911 9193 1668

Anfrage senden

Contact Person Picture

Sylvia Kling

Wirtschaftsprüferin

Associate Partner

+49 711 781914 420

Anfrage senden

Befehle des Menübands überspringen
Zum Hauptinhalt wechseln
Deutschland Weltweit Search Menu