Omnibus-Initiative in Bewegung: Wie weit ist die EU mit der Kurskorrektur?

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​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​veröffentlicht am 29. Juli 2025 | Lesedauer ca. 9 Minuten


Das am 26. Februar 2025 vorgestellte „Omnibus I“-Paket​ hat den Rahmen für wesentliche Vereinfachungen in der Nachhaltigkeitsberichterstattung gesetzt – von der Überarbeitung der ESRS über Anpassungen an der EU-Taxonomieverordnung bis hin zu gezielten Änderungen an der Corporate Sustainability Reporting Directive (CSRD) und der Corporate Sustainability Due Diligence Directive (CSDDD). Zwar gibt es in einigen Bereichen inzwischen mehr Klarheit, allerdings sind auch im Sommer 2025 viele Details noch nicht final entschieden – ein genaues Beobachten der regulatorischen Entwicklungen bleibt daher unerlässlich. Wir haben den aktuellen Stand der Omnibus-Initiative zur Nachhaltigkeitsberichterstattung für Sie zusammengefasst.

​Änderung der Berichtspflichten: EU-Ministerrat veröffentlicht seine Position

Während die „Stop-the-Clock“-Richtlinie bereits im April dieses Jahres verabschiedet wurde und bis zum 31. Dezember 2025 in nationales Recht umgesetzt werden muss, befindet sich der Vorschlag der EU-Kommission zur Änderung der Berichtspflichten weiterhin im Gesetzgebungsverfahren. 

Die drei am Gesetzgebungsprozess beteiligten EU-Institutionen – EU-Kommission, Rat der EU und EU-Parlament – vertreten aktuell insbesondere in Bezug auf die Größenkriterien, ab denen ein Unternehmen zur Nachhaltigkeitsberichterstattung verpflichtet sein soll, unter​schiedliche Standpunkte.

Am 23. Juni 2025 hat der EU-Ministerrat seine Position veröffentlicht: Nach Ansicht des Rats soll die CSRD-Berichtspflicht nur Unternehmen mit mehr als 1.000 Mitarbeitern und mehr als 450 Mio. € Umsatzerlösen betreffen. Im Vergleich zum Vorschlag der EU-Kommission, der zwar ebenfalls eine Anhebung des Schwellenwerts auf 1.000 Mitarbeiter vorsieht, jedoch (analog zur aktuellen Fassung der CSRD) weiterhin auf mehr als 50 Mio. € Umsatzerlöse oder mehr als 25 Mio. € Bilanzsumme als Zusatzkriterium abstellt, würde hiermit eine weitere Einschränkung des Anwenderkreises einhergehen.
Gleichermaßen soll laut Rat auch der Anwenderkreis der CSDDD auf Unternehmen mit mehr als 5.000 Mitarbeitern und mehr als 1,5 Milliarden € Umsatzerlösen beschränkt werden. Bislang liegen die Größenkriterien – nach gestaffelter Einführung – bei mehr als 1.000 Mitarbeitern und mehr als 450 Mio. € Umsatzerlösen.

Aufgrund der voneinander abweichenden Vorschläge kann aktuell keine zuverlässige Aus​sage zum künftigen Anwenderkreis der CSRD und CSDDD getroffen werden. Wann auf EU-Ebene eine finale Einigung erzielt wird, ist noch nicht abzusehen. Zunächst muss auch das EU-Parlament seinen Standpunkt verabschieden, bevor es mit dem Rat in interinstitutionelle Verhandlungen um einen finalen Gesetzestext tritt. 

Bis zum Inkrafttreten der Änderungsrichtlinie stellt die aktuelle Fassung der CSRD (inkl. geänderter Berichtszeitpunkte durch die „Stop-the-Clock“-Richtlinie) geltendes europäisches Recht dar. In Mitgliedstaaten wie Deutschland, die die CSRD nicht fristgemäß in nationales Recht umgesetzt haben, gilt bis auf Weiteres mit der Non-Financial Reporting Directive (NFRD) die Vorgängerrichtlinie der CSRD. Auch die Änderungsrichtlinie muss, sobald sie verabschiedet wurde, zunächst durch die Mitgliedstaaten in nationales Recht umgesetzt werden, um dort ihre Gültigkeit zu entfalten. 

ESRS-Überarbeitung: Fortschrittsbericht nennt sechs Vereinfachungshebel

Im Rahmen der Omnibus-Initiative hat die EU-Kommission die European Financial Reporting Advisory Group (EFRAG) bis zum 30. November 2025 mit der Überarbeitung der European Sustainability Reporting Standards (ESRS) beauftragt. Die ursprünglich für den 31. Oktober 2025 vorgesehene Frist wurde auf Ersuchen der EFRAG zugunsten einer verlängerten Konsultationsphase verschoben. Ziel der Überarbeitung ist eine deutliche Vereinfachung und Verschlankung der Standards, da diese in der praktischen Anwendung häufig als zu komplex und umfangreich empfunden wurden. 

Am 20. Juni 2025 hat die EFRAG nun einen Fortschrittsbericht vorgelegt, in dem die sechs zentralen Hebel zur Vereinfachung der Standards und Reduktion der Berichtspflichten vorgestellt werden:
  • Vereinfachung der doppelten Wesentlichkeitsanalyse
  • Bessere Lesbarkeit und Prägnanz der Nachhaltigkeitserklärung sowie bessere Einbindung in die Unternehmensberichterstattung insgesamt
  • Grundlegende Überarbeitung der Beziehung zwischen den Mindestangabepflichten und thematischen Standards
  • Klarere Differenzierung der Struktur und Sprache der Standards
  • Einführung weiterer Erleichterungen zur Reduzierung der Berichtslast
  • Stärkere Interoperabilität mit internationalen Rahmenwerken​

Die ersten Entwürfe der überarbeiteten ESRS sollen Ende Juli 2025 veröffentlicht und anschließend zur Konsultation gestellt werden.
Details zu den Vereinfachungshebeln und weitere Informationen zum Zeitplan finden Sie in diesem Hintergrundartikel​.

Anpassung der EU-Taxonomieverordnung: Kommission erlässt delegierten Rechtsakt

Ebenfalls im Zuge der Omnibus-Initiative veröffentlichte die EU-Kommission am 26. Februar 2025 Vorschläge zur Anpassung der EU-Taxonomieverordnung​, die bis zum 26. März 2025 zur öffentlichen Konsultation gestellt wurden. 

Am 4. Juli 2025 hat die EU-Kommission nun einen entsprechenden delegierten Rechtsakt erlassen. Die Änderungen umfassen insbesondere die Einführung eines Wesentlichkeitsgrundsatzes, die Vereinfachung der Meldebögen und Anpassungen an den „Do No Significant Harm“-Kriterien in Bezug auf die Vermeidung und Verminderung der Umweltverschmutzung (Umweltziel 5).  

Die neuen Vorschriften sollen bereits für das Geschäftsjahr 2025 angewendet werden kön-nen. Wahlweise kann jedoch ein Übergangsjahr in Anspruch genommen werden, in dem noch nach den bisherigen Vorgaben berichtet werden darf. Der delegierte Rechtsakt tritt erst mit der Veröffentlichung im Amtsblatt der EU in Kraft, sofern das EU-Parlament und der Rat der EU keine Einwände erheben. Nähere Informationen zu den Änderungen an der EU-Taxonomieverordnung sowie konkrete Handlungsempfehlungen finden Sie in diesem ausführlichen Artikel​. 

Parallel dazu arbeitet die EU-Kommission aktuell an der Aktualisierung, Vereinfachung und Anwenderfreundlichkeit der bestehenden technischen Bewertungskriterien mit besonderem Fokus auf die in der Vergangenheit häufig als zu komplex wahrgenommenen „Do No Significant Harm“-Kriterien. Eine öffentliche Konsultation hierzu soll voraussichtlich Anfang 2026 stattfinden, die Verabschiedung des delegierten Rechtsakts ist für das zweite Quartal 2026 geplant. Zudem kündigte die Kommission an, zu einem späteren Zeitpunkt neue Wirtschaftstätigkeiten in die EU-Taxonomie aufzunehmen und sich hierbei an den politischen Prioritäten der Kommission und den Bedürfnissen der Wirtschaft zu orientieren.

„Quick Fix“: EU-Kommission erlässt delegierten Rechtsakt zu ESRS-Übergangs­erleich­terungen

Am 11. Juli 2025 hat die EU-Kommission eine Änderung am ersten Set der ESRS (Verordnung (EU) 2023/2772) als delegierten Rechtsakt erlassen. Ziel des sogenannten „Quick Fix“ ist es, bestimmte Übergangserleich­terungen („Phase-In“) der ESRS zu verlängern bzw. hinsichtlich ihres Geltungsbereichs zu erweitern. Diese Maßnahme soll insbesondere Unternehmen der Welle 1 entlasten, die gemäß CSRD bereits im Geschäftsjahr 2024 berichtspflichtig waren (vorbehaltlich nationaler Umsetzung).

Konkret ermöglicht die Änderung Unternehmen mit mehr als 750 Mitarbeitern, auf die Berichterstattung zu einzelnen Standards – darunter ESRS E4 sowie die Sozialstandards ESRS S2 bis S4 – in den Geschäftsjahren 2025 und 2026 zu verzichten. Werden diese Übergangserleichterungen in Anspruch genommen, muss dies im Nachhaltigkeitsbericht vermerkt werden. 

Darüber hinaus werden die ursprünglich nur im ersten Jahr der Berichterstattung geltenden Übergangs­erleich­terungen für komplexe Angaben wie die erwarteten finanziellen Effekte im Zusammenhang mit nachhaltig­keits­​bezogenen Risiken verlängert und sind nun auch für die Geschäftsjahre 2025 und 2026 anwendbar.

Unternehmen der Welle 1 müssen somit im Vergleich zum Geschäftsjahr 2024 keine neuen Angaben tätigen (vorbehaltlich Änderungen in der Wesentlichkeitsanalyse, die sich auf die zu berichtenden Datenpunkte auswirken könnten). Die EU-Kommission hat eine übersichtliche Zusammenfassung der Änderungen​ bereitgestellt.

Der delegierte Rechtsakt gilt rückwirkend und unmittelbar (d.h. ohne, dass dieser in nationales Recht umgesetzt werden muss) für Geschäftsjahre beginnend ab dem 1. Januar 2025, sofern weder das EU-Parlament noch der Rat der EU innerhalb von vier Monaten Einspruch erheben. 

Aufgrund der ausstehenden Umsetzung der CSRD in deutsches Recht waren auch Unternehmen der Welle 1 in Deutschland bislang nicht zur CSRD-Berichterstattung und damit nicht zur Nutzung der ESRS als Rahmenwerk verpflichtet. Die Veröffentlichung des Referentenentwurfs am 10. Juli 2025​ legt nahe, dass eine Umsetzung bis zum 31. Dezember 2025 in deutsches Recht angestrebt wird. Die in den ESRS vermerkten Fristen für Übergangserleichterungen gelten laut EFRAG FAQ ID 1090 erst ab dem ersten Jahr der verpflichtenden Anwendung, in diesem Fall ab dem Geschäftsjahr 2025.

Fazit: Regulatorische Entwicklungen aufmerksam verfolgen und Zeit sinnvoll nutzen

Die aktuellen Entwicklungen auf EU-Ebene verdeutlichen: Im Bereich der Nachhaltigkeitsberichterstattung besteht weiterhin erhebliche regulatorische Unsicherheit. Sowohl beim Anwendungsbereich der CSRD und CSDDD als auch bei der konkreten Ausgestaltung der ESRS stehen endgültige Entscheidungen noch aus. Veröffentlichungen wie der Fort-schrittsbericht zur Überarbeitung der ESRS lassen jedoch erste Rückschlüsse auf eine künftige Vereinfachung und Fokussierung der Berichtsanforderungen zu. Weiterhin trägt die EU-Kommission der regulatorischen Unsicherheit durch Maßnahmen wie die Verlängerung der Übergangs­erleich­terungen Rechnung.

Unternehmen sind gut beraten, die laufenden regulatorischen Entwicklungen – etwa die für Ende Juli 2025 angekündigten ESRS-Entwürfe – genau im Blick zu behalten, um frühzeitig auf Änderungen reagieren zu können.

Gleichzeitig sollte die Zeit bis zum Inkrafttreten neuer Vorgaben sinnvoll genutzt werden – etwa zur Analyse bestehender Berichtsprozesse, zur Anpassung interner Strukturen und IT-Systeme sowie zur Weiterentwicklung einer effizienten, praxisnahen und zukunftsorientierten Nachhaltigkeitsstrategie, die idealerweise auf den Ergebnissen einer robusten Wesentlichkeitsanalyse basiert. Wer jetzt vorausschauend handelt, kann nicht nur regulatorische Risiken minimieren, sondern sich auch Wettbewerbsvorteile sichern – etwa durch erhöhte Transparenz, glaubwürdige ESG-Kommunikation und eine stärkere Positionierung gegenüber Banken, Inves­toren, Kunden und Mitarbeitenden.​​

Nachhaltige Strategien mit Weitblick – unser ESG Tag



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Dr. Christian Maier

Diplom-Kaufmann, Wirtschaftsprüfer, CPA (U.S.)

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