EuGH zur Umsatzsteuer: Grenzüberschreitende Überlassung von Firmenfahrzeugen an Mitarbeiter

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veröffentlicht am 3. Februar 2021 | Lesedauer ca. 3 Minuten

  

​Das FG Saarland (Beschluss vom 18. März 2019, Az. 1 K 1208/16) hatte dem EuGH einige Fragen zum Fall einer grenzüberschreitenden Fahrzeugüberlassung eines Arbeitgebers an seine Arbeitnehmer und der diesbezüglichen umsatzsteuerlichen Behandlung, etwa als steuerbare und steuerpflichtige langfristige Vermietung von Beförderungsmitteln bei in Deutschland wohnhaften Arbeitnehmern – wie das die deutsche Finanzverwaltung bisher seit 2013 (vgl. BMF-Schreiben vom 12. September 2013, Az. IV D 3 – S 7117-e/13/10001) annimmt – vorgelegt.

  

  
Eine luxemburgische Gesellschaft stellte Firmenfahrzeuge an Mitarbeiter mit Wohnort in Deutschland für dienstliche und private Fahrten zur Verfügung. In einem Fall erfolgte die Überlassung des Firmenfahrzeugs unentgeltlich an den Mitarbeiter; ein Entgelt bestand auch nicht in seiner (teilweisen) Arbeitsleistung. Der Mitarbeiter erbringt also keine Zahlung, muss keinen Teil seiner Barvergütung aufwenden und es besteht auch keine Vereinbarung zwischen den Parteien, wonach der Anspruch auf die Nutzung mit dem Verzicht auf andere Vorteile verbunden ist, der Mitarbeiter also zwischen verschiedenen vom Arbeitgeber angebotenen Vorteilen wählen muss.


Vorgelegt wurde dem EuGH die Frage, ob unter „Vermietung eines Beförderungsmittels” auch die Überlassung eines Fahrzeugs zu verstehen ist, ohne dass der Mitarbeiter dafür ein Entgelt leistet, das nicht in seiner (teilweisen) Arbeitsleistung besteht. Andererseits würde die Leistung an dem Ort erbracht, an dem der Arbeitgeber seinen Sitz hat, d.h. in Luxemburg.

Nachdem die deutsche Finanzverwaltung von einer entgeltlichen Leistung und damit einem Leistungsort in Deutschland ausging, die luxemburgische hingegen von einer unentgeltlichen Leistung und einem Leistungsort in Luxemburg, könnte es nach bisheriger Auslegung der jeweiligen länderspezifischen Regelungen zu einer Doppelbesteuerung (mit Umsatzsteuer) kommen.

Der EuGH unterscheidet in seinem Urteil vom 21. Januar 2021 (Rs. C-288/19) nun zwischen einer entgeltlichen Überlassung und einer unentgeltlichen Überlassung der Firmenfahrzeuge:

Erfolgt ein Abzug vom Gehalt und damit eine Zahlung des Arbeitnehmers an den Arbeitgeber, so sieht der EuGH in der Überlassung einen entgeltlichen Umsatz. Der Ort der Leistung befindet sich folglich bei langfristiger Vermietung eines Beförderungsmittels am Wohnsitz des Arbeitnehmers, d.h. in Deutschland (§ 3a Abs. 3 Nr. 2 S. 3 UStG). Die Leistung würde demnach in Deutschland der Umsatzbesteuerung unterliegen.

Erfolgt kein Abzug vom Gehalt und auch sonst keine Zahlung oder etwa ein Verzicht auf Vorteile des Arbeitnehmers, so geht der EuGH von einer unentgeltlichen Überlassung aus. Der Ort der Leistung würde sich somit, bei Vorliegen aller Voraussetzungen, als der Ort, von dem aus der Unternehmer sein Unternehmen betreibt, d.h. in dem Fall Luxemburg, bestimmen (§ 3a Abs. 1 UStG).

Hinweis für die Praxis: Infolge Unentgeltlichkeit hat in Deutschland die Besteuerung als sog. unentgeltliche Wertabgabe zu erfolgen, im Falle der Pkw-Überlassung bspw. mittels der sog. 1 Prozent-Regelung als vereinfachte Besteuerung der privaten Nutzung. Die deutsche Regelung des § 3f UStG als Vorschrift zur Bestimmung des Leistungsorts (Ort der Steuerbarkeit) bei vorliegenden unentgeltlichen Wertabgaben wurde mit Wirkung zum 18. Dezember 2019 aufgrund fehlender Grundlage im Unionsrecht aufgehoben. Die spezielle Ortsbestimmung gem. § 3a Abs. 3 Nr. 2 S. 3 UStG für die „langfristige Vermietung eines Beförderungsmittels”, die die deutsche Finanzverwaltung auch im Falle einer unentgeltlichen Überlassung anwenden möchte, würde nach Ansicht des EuGH nur bei einer entgeltlichen Leistung zur Anwendung kommen.

Damit stellt der EuGH klar, dass aus seiner Sicht bei einer unentgeltlichen Überlassung keine (langfristige) Vermietung eines Beförderungsmittels vorliegen kann und somit der Ort der Leistung auch nicht am Wohnort des Arbeitnehmers liegt. Im zu entscheidenden Fall erfolgte die Überlassung des Fahrzeuges vollständig unentgeltlich, d.h. auch ohne Vereinbarung eines Gehaltsverzichts aufgrund der Dienstwagenüberlassung auch für private Nutzung.


Hinweise für die Praxis:

Das Urteil des EuGH stellt die zwischenzeitlich gedachten, gleichwohl von der Literatur und der Beraterschaft kritisierten umsatzsteuerlichen Grundlagen der Fahrzeugüberlassung eines Arbeitgebers an seine Arbeitnehmer in Deutschland in Frage.


Die deutsche Finanzverwaltung geht im Regelfall von einer entgeltlichen Überlassung des Fahrzeugs an die Arbeitnehmer aus. Auch wenn keine Zahlung des Arbeitnehmers und kein Abzug vom Gehalt erfolgt, wird angenommen, dass ein Teil der Gehaltszahlung die Gegenleistung für die Überlassung des Fahrzeugs darstellt. Der EuGH geht im Falle einer regulären Gehaltszahlung ohne Zahlung des Arbeitnehmers bzw. eines Abzugs vom Gehalt hingegen von einer unentgeltlichen Überlassung des Fahrzeugs aus.


In der Praxis ist im Einzelfall genau zu prüfen, ob aufgrund der getroffenen Vereinbarungen eventuell eine unentgeltliche Überlassung anzunehmen wäre. In vielen Fällen ist allerdings eine Entgeltlichkeit der Fahrzeugüberlassung, z.B. durch Gehaltsverzicht, geregelt.


Liegen hingegen Argumente für eine unentgeltliche Überlassung vor, so können deutsche Unternehmen prüfen, ob eine Besteuerung in Deutschland günstiger wäre als eine Besteuerung im Wohnsitzstaat des Arbeitnehmers (bei grenzüberschreitenden Sachverhalten, wo also der Arbeitnehmer in einem vom Sitzland des Arbeitgebers abweichenden Land seinen Wohnsitz hat) und sich ggf. direkt auf die EuGH-Rechtsprechung berufen. Auch eine ggf. bestehende Registrierungspflicht im Ausland (am Wohnsitz der Mitarbeiter für den Arbeitgeber, um die Umsatzbesteuerung aus der Fahrzeugüberlassung vornehmen zu können) könnte dadurch umgangen werden.


So sollte im Einzelfall geprüft werden, ob für den Inbound-Fall (in Deutschland ansässiger Unter­nehmer/Ar­beit­geber mit im Ausland wohnhaften Arbeitnehmern) – entgegen der bisher noch geltenden Ansicht der deutschen Finanzverwaltung – eine Unentgeltlichkeit annehmbar ist und eine Besteuerung in Deutschland erfolgen kann. Somit können inländische Unternehmen von der EuGH-Entscheidung profitieren, wenn der Steuersatz in Deutschland niedriger im Vergleich zum Wohnsitzstaat des Arbeitnehmers ist. Im Outbound-Fall (im Ausland ansässiger Unternehmer/Arbeitgeber mit in Deutschland wohnhaften Arbeitnehmern) kann bei Unentgeltlichkeit eine Nichtbesteuerung in Deutschland bestehen, sodass ausländische Unternehmen beurteilen sollten, ob sie aus vergangenen, (noch) nicht bestandskräftigen Veranlagungszeiträumen ggf. Erstattungen bereits erklärter und abgeführter Umsatzsteuer beantragen können.

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