Indische Digitalsteuer: Ausweitung des Anwendungs­bereichs

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veröffentlicht am 28. April 2020 | Lesedauer ca. 4 Minuten

 

Die Digitalisierung hat die Arbeitsweise von Unternehmen umfassend verändert. Mit der Möglichkeit sich weltweit an jedem Markt, ohne physische Präsens beteiligen zu können, wurde die Zuordnung von Besteuerungsrechten der Staaten zu einer großen Herausforderung. Für die OECD stellte sich die Kreierung eines einheitlichen und von den Staaten akzeptierten Besteuerungssystems als eines der schwierigsten Projekte heraus. Unter dem BEPS (Base Erosion and Profit Shifting) Aktionsplan Nr. 1 konnte bisher kein gemeinsames System für die Besteuerung von digitalen Transaktionen gefunden werden. Drei Besteuerungssysteme wurden vorgeschlagen, die jedes Land – vorbehaltlich der geltenden bilateralen Steuerabkommen – auswählen und in das nationale Recht umsetzen kann: (1) Besteuerung aufgrund einer signifikanten wirt­schaftlichen Präsenz, (2) die Einführung einer Quellensteuer auf digitale Trans­ak­tio­nen oder (3) die Anwendung einer Ausgleichssteuer für digitale Umsätze („Equalization Levy“).

 

Indien war hier Vorreiter und führte im Jahr 2016 eine Equalization Levy auf Umsätze ausländischer Unternehmen aus online-Werbung ein. Steuerpflichtiger ist das ausländische Unternehmen. Dieser hat auch die Steuer abzuführen. 

 

Zum 1. April 2020 wurde die Steuerpflicht auf den elektronischen Handel sowie elektronische Dienste durch sogenannte „E-Commerce-Betreiber“ ausgeweitet. Auf den ersten Blick ähnelt die erweiterte Steuer der von der EU angekündigten Steuer auf digitale Dienstleistungen. Für Schwierigkeiten sorgt jedoch die weite Definition der relevanten Rechtsbegriffe. Die Steuer könnte grundsätzlich alle ausländischen Unternehmen erfassen, die ihre Waren oder Dienstleistungen online oder auf digitalen Plattformen anbieten.

 

Wesentliche Voraussetzungen der Equalization Levy für Umsätze von E-Commerce-Betreibern

Voraussetzung ​Erläuterung
Anwendbarkeit

Soweit ein in Indien nicht steuerlich ansässiger „E-Commerce Betreiber“, „E-Commerce Waren­lieferungen oder Dienstleistungen“ erbringt, an:
i. eine in Indien ansässige Person,
ii. eine nicht in Indien ansässige Person, wenn:

  • diese eine indische IP verwendet,
  • online-Werbung verkauft wird, die an in Indien ansässige Personen oder solche, die eine indische IP verwenden, gerichtet sind. 
     

eine Person, die zum Kauf eines Produktes oder zur Bestellung einer solchen Dienstleistung, eine indische IP-Adresse verwendet.

​Definition des E-Commerce BetreibersWer eine elektronische oder digitale Plattform oder Vorrichtung für den Verkauf von Waren oder die Erbringung von Dienstleistungen besitzt, betreibt oder verwaltet.
​Definition von E-Commerce Warenlieferung und Dienstleistung
  1. Verkauf von Waren des E-Commerce Betreibers,
  2. Erbringung von online Dienstleistungen durch den E-Commerce Betreiber,
  3. Verkauf von Waren sowie Erbringung von online Dienstleistungen, soweit durch den E-Commerce Betreiber ermöglicht oder
     

Die Erbringung, mehrerer der obengenannten Leistungen.

Besondere Ausnahmen
  1. Der E-Commerce Betreiber hat in Indien eine Betriebsstätte und die Transaktionen stehen tatsächlich mit der Betriebsstätte in Verbindung (Anmerkung: dann erfolgt die Besteuerung anderen Grundsätzen)
  2. Die Equalization Levy bereits für den Verkauf der Werbung anfällt,
  3. Der Umsatz des E-Commerce Betreibers in dem jeweiligen Finanzjahr (1. April bis 31. März)weniger als 20 Mio. INR (ca. 250.000 Euro) beträgt.
​Steuerpflicht und Abführung der Steuer

​Der ausländische E-Commerce Betreiber hat die Equalization Levy von 2 Prozent des Warenwerts oder des  Wertes der Dienstleistung quartalsweise abzuführen und ist verpflichtet, eine entsprechende Erklärung in Indien jährlich abzugeben.

 
Die erste Frist zur Zahlung der Steuer für die Monate April bis Juni läuft bis zum 7. Juli 2020.

 
Verstöße hiergegen unterliegen Sanktionen bis hin zu Strafverfahren.

Anwendbarkeit  von Doppelbesteuerungsabkommen

​Die Equalization Levy wird nach indischem Recht als eine Steuer „eigener Art“ und nicht als Einkommen­steuer verstanden.

 
Doppelbesteuerungsabkommen mit ausländischen Staaten, die Indien in der Regel untersagen würden, eine solche Steuer zu erheben, werden daher nicht angewandt. Hier ist mit Rechtstreitigkeiten zu rechnen.

 

Die geänderte Ausgleichsabgabe sieht eine weite Definition der Begriffe „E-Commerce Betreiber” und „E-Commerce Warenlieferung oder Dienstleistung” vor. Dank der Technologie benutzen bereits jetzt die meisten Konzerngesellschaften digitale oder elektronische Plattformen, um Warenbestellung aufzugeben, Aufträge für Dienstleistungen zu erteilen oder um die eigenen Leistungen zu erbringen. Durch die neue Regelung könnten selbst gewöhnliche Lieferungen von Waren oder Erbringung Dienstleistungen, die über die üblichen elektronischen Kommunikationswege erworben oder erbracht werden, unter den Geltungsbereich der Equalization Levy fallen. Dies scheint jedoch nicht das Ziel zu sein. Insbesondere war das Ziel der OECD gerade nicht die Einführung einer zusätzlichen Steuer für Leistung, die bereits der Einkommensteuer unterliegen.

 

Die Gesetzesänderung wurde ohne Entwurf direkt durch das indische Parlament am 27. März 2020, während der Corona bedingten Ausgangssperre verabschiedet. Aufgrund der weiten Formulierungen bestehen nicht wenige Unklarheiten. Neben der Unsicherheit, ob die Equalization Levy auf gewöhnliche Warenlieferungen oder Dienstleistungen, die online oder digital ausgelöst werden, anzuwenden sind, stellt sich die Frage, ob die Steuer auch dann anwendbar ist, wenn die Einkünfte nach dem indischen Einkommensteuergesetz einem höheren Steuersatz unterliegen. Die Reduzierung der bestehenden Steuersätze kann eigentlich nicht gewollt sein. Es wurden zwar Gesetzesänderungen vorgenommen, die eine Einkommensteuerbefreiung für Einkünfte vorsehen, die der Equalization Levy unterliegen. Jedoch sind diese erst ab dem 1. April 2021 anwendbar, d.h. ein Jahr nach dem Inkrafttreten der Equalization Levy. Unklar ist folglich, was in der Zwischenzeit gelten soll.

Ferner bestehen auch verfahrensrechtliche Unklarheiten. Z.B. ist klar zu stellen, wie bei der Rückgabe von Waren oder der Erstattung von Gutschriften vorzugehen ist.

 

Aufgrund der Ausdehnung des Anwendungsbereichs der indischen Equalization Levy, ist es für nicht in Indien ansässige Unternehmen, die in Indien Geschäfte tätigen, wichtig, dass diese die Auswirkungen der Gesetzes­änderung auf ihr indisches Geschäft überprüfen. Haben die Geschäfte einen hohen Wert, so könnte es sinnvoll sein, sich an die Zentrale Behörde für Steuern zu wenden, um eine Einzelfallentscheidung im Vorfeld einzuholen.

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