Erfolgreich investieren in Indien

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zuletzt aktualisiert am 17. Juli 2025 | Lesedauer ca. 4 Minuten

  

    

   

Wie schät­zen Sie die der­zei­ti­ge wirt­schaft­li­che La­ge in In­di­en ein?

Indien, das im ersten Quartal 2025 ein Wirtschaftswachstum von rund 6,7 Prozent verzeichnete, hat äußerst positive Aussichten. Das Land ist inzwischen die am schnellsten wachsende Wirtschaft der Welt, noch vor China. Das jährliche BIP von derzeit knapp 3,91 Billionen US-Dollar soll bis 2030 auf 10 Billionen US-Dollar und bis 2047 auf 30 Bio. US-Dollar steigen. Das Bild des aufstrebenden Indiens ist nicht nur beneidenswert, sondern auch von enormer Bedeutung. Das Land hat in den letzten zehn Jahren einen weiten Weg zurückgelegt und sich von den „Fragilen Fünf“ zu einer aufstrebenden Wirtschaftsmacht entwickelt. Indiens Leistungsbilanzdefizit ist auf 1,2 Prozent des BIP im Jahr 2024 gesunken und die aktuelle Inflation liegt bei 3 Prozent. Seit April 2000 haben sich die ausländischen Direktinvestitionen in Indien auf über 1 Billion US-Dollar summiert. Bis Dezember verzeichnete das Land im Jahr 2024 FDI-Zuflüsse von rund 40,7 Mrd. US-Dollar – ein Anstieg von 27 Prozent gegenüber dem Vorjahr und ein klares Zeichen für das anhaltende Vertrauen internationaler Investoren. Die wichtigen „Drei D“ – Daten, Digitalisierung und Demografie – sind der Hauptgrund für diesen Wachstumspfad.

  

Wie würden Sie das Investitionsklima in Indien beschreiben? Welche Branchen bergen großes Potenzial?

Das Investitionsklima in Indien ist vielversprechend – und Indien ist bestrebt, noch mehr Investitionen insbesondere für Schlüsselbranchen anzuziehen. Der Ausbau der öffentlichen Infrastruktur hat dabei besonders großes Potenzial, da die Strukturen, die Indien in den letzten Jahren geschaffen hat, nachhaltig gestaltet und auf weiteres Wachstum ausgelegt sind. Auf nationaler und bundesstaatlicher Ebene wurden zudem staatliche Agenturen geschaffen, die strukturierte Analysen und Daten an ausländische Investoren bereitstellen. Sie sollen so Direktinvestitionen fördern und stehen auch für einen Dialog zu individuellen Investitionsmöglichkeiten und -chancen mit ausländischen Investoren zur Verfügung. Mit der MAKE IN INDIA Initiative besteht eine konsequente langfristige Strategie der indischen Regierung, um eine erhöhte Wertschöpfung im Land durch ausländische Investitionen vor allem in den heimischen Produktionssektor zu fördern, mit MAKE IN INDIA MITTELSTAND sogar eine speziell auf die deutsche Wirtschaft zugeschnittene Plattform. 

Die am schnellsten wachsenden und damit wichtigsten Wirtschaftssektoren Indiens sind aktuell:
  1. IT, Finanzdienstleistungen, Telekommunikatio
  2. Gesundheitswirtschaft 
  3. Konsumgüter
  4. Infrastruktur​

Welchen Herausforderungen steht ein deutscher Unternehmer beim Engagement in Indien gegenüber?

Indiens Ranking in der Kategorie „Ease of Doing Business" verbessert sich von Jahr zu Jahr und die Rahmenbedingungen für Investitionen in 2025 haben sich in den letzten Jahren in den meisten Bereichen der indischen Wirtschaft tatsächlich drastisch verbessert. Die Regierung hat beispielsweise die digitale Verwaltung und Bereitstellung öffentlicher Leistungen massiv vorangebracht. Dennoch bleiben Herausforderungen bestehen, die je nach Branche, Standort und Größe der geplanten Unternehmung deutlich variieren. 

Um diese Herausforderungen erfolgreich zu meistern, ist es wichtig, Markteintritte oder auch Veränderungen des bestehenden Geschäftsmodells strategisch zu planen, die dabei gegebenenfalls verwendeten Bestandsstrukturen einer sauberen Due Diligence zu unterziehen und in jedem Fall Geduld und Engagement für den gesamten Prozess aufzubringen. 

Einige der gängigen Herausforderungen, denen sich ausländische Investoren in Indien regelmäßig stellen müssen, sind folgende:

Mangel an zuverlässiger Infrastruktur – Obwohl deutliche Fortschritte erzielt wurden, stellt Indiens öffentliche Infrastruktur, u.a. Straßen, Eisenbahnnetze, Flug- und Seehäfen, Strom- und Telekommunikationsnetze, eine erhebliche Herausforderung für die wachsende Wirtschaft des Landes und seine öffentliche Verwaltung dar. Um die diesbezüglich noch bestehenden Lücken zu schließen, stellt die indische Regierung auch weiterhin erhebliche Teile ihres Haushaltbudgets für Infrastrukturprojekte bereit.

Mangel an gut ausgebildeten Arbeitskräften – Die Suche nach geeigneten Talenten ist gerade für kleine und mittlere Unternehmen nach wie vor eine Herausforderung. Qualifizierte Arbeitskräfte tragen zum Wirtschaftswachstum bei und so sieht die nationale Bildungspolitik Indiens vor, bis 2025 rund 50 Prozent aller Schülerinnen und Schüler eine Berufsausbildung zu ermöglichen. Darüber hinaus vermittelt die „Skill India Mission“ als Vorzeigeinitiative der indischen Regierung schon seit 2015 marktrelevante Fertigkeiten an die Jugend des Landes und zielt so darauf ab, eine leistungsfähige Arbeitnehmerschaft zu fördern. 

Hoch diverses Marktumfeld – Die schiere Größe und mannigfaltige Fragmentierung des indischen Marktes kann eine Herausforderung für Investoren und Unternehmen darstellen. Die Vielfalt der indischen Bundesstaaten, die kulturellen und rechtlichen Unterschiede sowie die variierende Auslegung geltender Gesetze müssen erkannt und gemeistert werden, wenngleich zahlreiche Bundesstaaten bemüht sind, relevante Reglementierungen und Strategien für ausländische Investitionen über ihre eigenen Grenzen hinaus aufzusetzen. Der intensive Wettbewerb im indischen Markt in verschiedensten Sektoren wird oftmals aber ausbalanciert durch das anhaltende massive Wirtschaftswachstum.

Genehmigungen aus einer Hand – Bürokratische Hürden und Verzögerungen bei der Erlangung erforderlicher Genehmigungen, Lizenzen und Zulassungen für zahlreiche Geschäftstätigkeiten beeinträchtigen weiterhin die Unternehmen. Der Umgang mit diesen Ineffizienzen kann die Entscheidungsprozesse verlangsamen und die Betriebskosten erhöhen. Doch auch in diesem Kontext machen sich die Reformbemühungen der indischen Regierung in den letzten Jahren bemerkbar und lassen eine positive Entwicklung antizipieren. 

Zusammenfassend sind fundierte lokale Kenntnisse von Gesetzen und „Best Practices“ sowie Hartnäckigkeit und ein diszipliniertes Nachfassen bewährte Strategien für eine fristgerechte Umsetzung von Investitions- und Expansionsplänen in Indien. In Verbindung mit einer angemessenen Vorlaufzeit und einer geeigneten Standortwahl können auch komplexe Investitionsprojekte „auf der grünen Wiese“ in einem Zeitfenster abgeschlossen werden, das mit Projektlaufzeiten in Europa vergleichbar ist, in etlichen Fällen sogar zeiteffizienter als in Deutschland.

Produktzertifizierungen werden immer wichtiger: Wie wichtig ist die BIS-Zertifizierung in Indien in diesem Zusammenhang?

Für den Marktzugang zahlreicher Produkte in Indien ist mittlerweile eine BIS-Zertifizierung verpflichtend. Die Bureau of Indian Standards (BIS) ist die zentrale Behörde für Normung, Produktsicherheit und Zertifizierung im Land. Die Zertifizierungspflicht gilt sowohl für importierte als auch für lokal produzierte Waren – wobei lokale Hersteller das Verfahren in der Regel einfacher durchlaufen können. Ohne gültige BIS-Zertifizierung ist die Einfuhr, der Verkauf und die Kennzeichnung entsprechender Produkte in Indien nicht (mehr) zulässig.

Hintergrund dieser für viele ausländische Exporteure neuen Anforderung ist die bereits erwähnte MAKE IN INDIA Initiative, mit der die indische Regierung gezielt die heimische Industrie stärken möchte.
Für europäische Unternehmen stellt die BIS-Zertifizierung jedoch nicht nur eine regulatorische Hürde dar, sondern kann auch einen strategischen Wettbewerbsvorteil bedeuten – insbesondere dann, wenn Mitbewerber (noch) nicht zertifiziert sind.

Ein aktuelles Beispiel für die Ausweitung der Zertifizierungspflicht ist das neue Verfahren „Scheme X“, das ursprünglich schon ab dem 28. August 2025 für eine Vielzahl technischer Produkte gelten sollte. Nun hat das indische Ministerium für Schwerindustrie das Inkrafttreten des Scheme X auf den 1. September 2026 verschoben, um Herstellern und Exporteuren zusätzliche Zeit für die Umsetzung zu geben. Unter das Scheme X fallen unter anderem Pumpen, Kompressoren, Zentrifugen, Filter- und Reinigungsmaschinen, Kräne, Transformatoren sowie Schalt- und Steuergeräte. Scheme X ist ein erweitertes Zertifizierungsverfahren, das eine umfassende Antragstellung, Produkttests in akkreditierten indischen Prüflaboren sowie Werksinspektionen durch BIS-Inspektoren vorsieht. Erst nach erfolgreichem Abschluss wird eine Lizenz zur Nutzung des BIS-Zeichens erteilt.

Unternehmen sollten die teilweise langen Bearbeitungszeiten einkalkulieren und ihre Anträge frühzeitig einreichen, um Verzögerungen beim Marktzugang zu vermeiden. Die BIS-Zertifizierung stellt somit eine zentrale regulatorische Voraussetzung dar, die den Export technischer Produkte nach Indien behindern kann und daher unbedingt schon im Vorfeld zu beachten ist.

Wie wird sich aus Ihrer Sicht Indien weiterentwickeln?
Indien wird sich weiterhin dynamisch entwickeln. Die Wirtschaftswachstumsrate wird wahrscheinlich nicht unter 6 Prozent pro Jahr sinken, auch die Inflationsrate bewegt sich zunehmend in Richtung eines gesunden Niveaus. Deutsche und europäische Unternehmen erkennen weiterhin das enorme Potenzial, das Indien als Produktions- und Beschaffungsstandort bietet. Infolgedessen investieren viele deutsche Unternehmen derzeit verstärkt in Indien, da Indien nach wie vor einer der weltweiten Zukunftsmärkte und somit ein äußerst attraktiver Standort für international tätige Unternehmen ist.  

Fazit: Indien steht vor einem weiteren Wirtschaftsboom und ist ein großartiger Markt für deutsche Unternehmen, den es unbedingt zu erkunden gilt. Dabei ist es aber meist nicht ausreichend, Marktstrategien zu entwickeln, die auf den „Lessons Learned“ anderer Länder basieren. Der indische Markt hält einzigartige Chancen bereit, stellt aber auch ebenso einzigartige Anforderungen an investitionswillige Unternehmen. Lassen sich international tätige Unternehmen auf diese ein, bietet Indien enormes Potenzial, das zu nutzen, zahlreiche Unternehmen aller Größenordnungen in den letzten Jahren und Jahrzehnten erfolgreich demonstriert haben.

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Martin Wörlein

Partner, Leiter Team Indien

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