Schaffe, schaffe, „Fabrikle” baue: Immobilien- und Grunderwerb in Indien

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zuletzt aktualisiert am 25. November 2020 | Lesedauer ca. 5 Minuten


Seit Mitte 2014 versucht Indien, den Wandel von einer dienst­leistungs­orientierten Wirtschaft zu einem globalen Produktionszentrum zu schaffen.


Für diesen strukturellen Wandel hat Indien in den vergangenen Jahren bereits einige wichtige Reformen unternommen:

  • Indien hat die bahnbrechende „Make in India“ Initiative ins Leben gerufen und setzt sie stetig fort;
  • Das indirekte Steuerrecht wurde vereinheitlicht (GST- Reform);
  • Senkung der Ein­kommen­steuer/Körper­schafts­steuer von über 35 Prozent auf zuletzt teils nur 17 Prozent für produzierende Unternehmen;
  • Anfang 2020: Abschaffung der lokalen Dividendenbesteuerung und Anpassung an das international übliche Quellensteuersystem;
  • Das Arbeitsrecht wurde im Jahr 2020 von über 40 Einzelgesetzen zu vier arbeitsrechtlichen Gesetzbüchern reformiert;
  • Um dem Fachkräftemangel in Indien entgegenzuwirken wurde die Initative „Skill India” ins Leben gerufen. Dabei baut Indien, v.a. in Zusammenarbeit mit Deutschland, ein duales Ausbildungssystem auf.


Daneben wurde das Auslands­investitions­gesetz stark reformiert. Das hat auch – wie im Folgenden aufgeführt – einen imposanten Einfluss auf Unternehmen, die zu Zwecken des Fertigungsaufbaus Land in Indien erwerben wollen.

Wir dürfen jedoch darauf hinweisen, dass eine umfassende Land­erwerbs­reform in Indien intensiv diskutiert wird. In Ermangelung einer Sichtbarkeit wann und wie die Landerwerbsreform stattfinden soll, werden wir darauf nicht eingehen, und behalten unseren Fokus auf der derzeitigen Rechtslage.


 

 


Wer kann kaufen?

Gemäß den Bestimmungen des indischen Devisenrechts kann ein Grundstück nur von einer indischen, natürlichen oder juristischen Person erworben werden. Voraussetzung ist daher, dass eine entsprechende Gesellschaft zum Erwerb des Grundstücks besteht.

Es gibt aber auch die Alternative, eine Asset Holding-Gesellschaft in Indien zu gründen, deren Zweck einzig darin besteht, das betreffende Grundstück an ein verbundenes Unternehmen, bzw. die indische Tochtergesellschaft eines ausländischen Unternehmens, zu vermieten.


Kauf versus staatliches Erbpacht

Grundsätzlich gibt es zwei Wege zum Grundstückserwerb in Indien: Unternehmen können einerseits das Grundstück freikaufen („Free hold”); andererseits besteht die Möglichkeit, ein Grundstück über ein staatliches Erbpachtrecht für die Dauer von 99 Jahren zu „pachten” („Lease hold”).


Staatliches Erbpachtrecht

Es gibt Körperschaften auf Länderebene (z.B. Maharashtra Industrial Development Corporation, kurz: MIDC, oder Karnataka Industrial Development Corporation, kurz: KIDC etc.), die staatliche Industriegebiete betreiben. In den Gebieten kann Land im Wege des oben erwähnten Erbpachtrechts für 99 Jahre erworben werden.

Dabei handelt es sich um eine relativ einfache und sichere Option zum Erwerb eines Grundstücks, da das Land von den jeweiligen Landesregierungen erstanden wurde, was Bestandsschutz sowie eine gewisse Lastenfreiheit gewährt. Das gilt v.a. für alte Industriegebiete sowie Industriegebiete, die per se auf staatlichem Grund errichtet wurden. Sofern beide Kriterien nicht vorliegen sollten, gelten die üblichen privatrechtlichen Eigentumsverhält­nisse, weshalb im Falle etwaiger Rechtsverletzungen Dritter, sie ihre Rechte 30 Jahre lang geltend machen können. Daher ist beim Erwerb von neueren staatlichen Industriegebieten der gleiche Sorgfaltsmaßstab wie bei Käufen privater Grundstücke anzuwenden.

Folgende Gesichtspunkte können für die Wahl eines Grundstücks in einem staatlichen Industriegebiet sprechen:

  • Hohes Maß an Rechtssicherheit bei Eigentumsverhältnissen, trotz enormen regulatorischen Aufwands:
  • Industrielle Erschließung der Grundinfrastruktur wird in einem für indische Verhältnisse beträchtlichen Ausmaß gewährleistet;
  • Oftmals sind bereits gut bebaute Grundstücke vorhanden;
  • In sektorenspezifischen Industriegebieten (wie Chemie, Schwermetall, Lebensmittelverarbeitung) können die industriespezifischen Betriebs­genehmigungen leichter erworben werden.


Es sei jedoch darauf hingewiesen, dass es sich bei der Erbpacht nicht um einen klassischen Eigentumserwerb handelt. Hinzu kommt, dass das Recht teilweise nur sehr teuer zu erwerben ist. Neben einer anfänglichen Zahlung müssen teils hohe jährliche Pachten und Abgaben geleistet werden. Zusätzlich bestehen viele aufwendige Melde- und Bauauflagen sowie Bebauungsbeschränkungen.


Kauf eines privaten Grundstücks

Neben dem Erwerb eines staatlichen Erbpachtrechts ist es grundsätzlich möglich, Grundstücke in Indien aus privater Hand zu kaufen. Aufgrund der Versorgungsengpässe von Grundstücken innerhalb der staatlichen Industriegebiete findet der klassische Kauf von Grundstücken bei ausländischen Unternehmen vermehrtes Interesse. Dabei ist zu beachten, dass kein Agrarland gekauft werden kann. In dem Falle muss vor dem Erwerb ein Umwidmungsverfahren erfolgen. Sobald das Grundstück erfolgreich zum Industrieland umgewidmet ist, kann der Erwerb stattfinden.


Warum eine Due Diligence-Prüfung nötig ist

Die Real Estate Due Diligence ist einer der wichtigsten Schritte beim Erwerb eines Grundstücks. Das vorrangige Ziel ist die Überprüfung des Eigentumstitels sowie die Ermittlung der Lastenfreiheit des Grundstücks. Zwar gibt es in Indien Grundbuchämter, deren Register entbehren jedoch des öffentlichen Glaubens. Das hat die Folge, dass die Einträge in den Registern lediglich eine Aussage darüber treffen, ob ein Eigentumsübergang an einem Grundstück stattgefunden hat, nicht aber, ob er rechtmäßig war.

Bei der Real Estate Due Diligence wird eine Zeitspanne von 30 Jahren geprüft, da erst danach die Ansprüche Dritter an einem Grundstück verjähren. Die Due Diligence wird durch Rechtsanwälte des Käufers durchgeführt. Da außerdem die Feststellung der Einhaltung von baurechtlichen Vorschriften und Bestimmungen geprüft wird, sollte u.U. ein Architekt hinzugezogen werden.


Wo werden Ansprüche Dritter oder Grundstückslasten dokumentiert?

Es gibt folgende Dokumente, die für die Titeluntersuchung von land­wirt­schaft­lichen/nicht land­wirt­schaft­lichen Flächen erforderlich sind:

  • Grundbucheintrag (7/12-Auszüge o.ä., je nach Bundesland): beinhaltet Landvermessungsnummer, Anzahl und Namen aller früheren und aktuellen Eigentümer des Landes sowie deren Anteil am Grundstück, Fläche des Landes, Reservierung auf das Grundstück etc.
  • Im Grundbuch eingetragene Mutationseinträge: offizielle Aufzeichnung von Eigentumsänderungen durch Erbschaft, Verkauf, Hypothek, Tausch, Geschenk oder Vererbung. Wie bereits oben dargestellt, handelt es sich dabei lediglich um eine historische Darstellung ohne rechtliche Würdigung.
  • Stammbaum, 6c Zertifikat oder Erbschaftsregister des Verkäufers: enthält das Ergebnis der Prüfung aller Transaktionen bei der ordnungsgemäßen Berücksichtigung aller familien- und erbrechtlicher Ansprüche. Denn es kommt in Indien sehr oft vor, dass Grundstücksveräußerungen stattfinden, ohne dass die familienrechtlich notwendige Zustimmung der Familienmitglieder eingeholt wurde.
  • Karten werden verwendet, um die genaue Lage und den Zugang zum Grundstück zu bestimmen und bieten darüber hinaus Klarheit darüber, ob das Grundstück auf Waldflächen, in der Nähe von Stauseen usw. liegt, die das Eigentum und deren Nutzbarkeit beeinträchtigen können.
  • Khate Utara (8 A-Auszug oder ähnlich benanntes Dokument): beinhaltet die genaue Größe des Grundstücks.
  • Lis Pendens: dokumentiert, ob hinsichtlich des Grundstücks ein Streit bei einem zuständigen Gericht rechtsanhängig ist, da somit solche Immobilien für die Dauer der Rechtsanhängigkeit nicht übertragen werden können.
  • Nicht-Landwirtschaftliche (NA) Ordnung: bestätigt, dass das Grundstück für industrielle Zwecke genutzt werden kann. Das ist grundsätzlich dann der Fall, wenn es sich um kein Agrarland handelt, das Grundstück eine vorgeschriebene Zufahrt hat und eine Wasser- und Stromversorgung sichergestellt ist – wenn also das Grundstück baurechtlich erschlossen ist. Anderenfalls muss der örtliche Bebauungsplan vorab per Antrag geändert werden.
  • Wenn das Grundstück bereits bebaut ist, müssen weitere Dokumente und Genehmigungen für staatliche Stromabteilungen, Forstabteilungen, Baugenehmigung, Baupläne usw. geprüft werden. Sie sind auf Länderebene unterschiedlich geregelt

 

Nach erfolgter Prüfung wird ein Rechtsanwalt den sog. „Title Search Report” oder ein „Title Certificate” erstellen. Das Dokument stellt ein Rechtsgutachten über die rechtliche Beschaffenheit des Grundstücks dar.


Welche Finanzierungsarten gibt es?

Die rechtlichen Gestaltungsmöglichkeiten zur Finanzierung eines Grundstückserwerbs wurden im Januar 2019 maßgeblich erweitert. Vor der bahnbrechenden Reform gab es zwei wesentliche Finanzierungsmöglichkeiten; zum einen die Finanzierung durch Stammkapital, zum anderen die Finanzierung durch die Aufnahme eines lokalen Darlehens.

Das immanente Problem der Finanzierung durch Stammkapital liegt in der hohen Bindung des Kapitals, das nicht oder nur sehr beschränkt zurückgeführt werden kann.

Die Finanzierung durch in Darlehen bei einer indischen Bank, birgt das Problem des hohen Zinsniveaus. Trotz eines Abwärtstrends des indischen Leitzinses muss mit einem Zinsniveau von mind. 10 Prozent gerechnet werden. Unter Anbetracht der Tatsache, dass ohnehin schon das Preisniveau von rechtlich einwandfreien und infrastrukturell guten Grundstücken sehr hoch ist, bleibt eine Fremdfinanzierung in Indien wirtschaftlich nicht tragfähig.

Durch die oben angesprochene Reform aus dem Jahr 2019, ist es nun möglich, dass der Erwerb eines Grundstücks durch einen ausländischen Gesellschafter durch die Ausgabe von Gesellschafterdarlehen finanziert wird. Das sog. „External Commercial Borrowing” ist mit folgenden Aspekten verbunden:

  • Anzeigeverfahren bei der Reserve Bank of India (RBI-Indische Zentralbank);
  • Mindestlaufzeit von ein bis fünf Jahren;
  • Mindestverzinsung von 3 Prozent über dem LIBOR;
  • Monatliche Meldepflichten an die RBI.


Der formalistische Aufwand wird jedoch durch den wirtschaftlichen Vorteil deutlich aufgewogen. Hinzukommt, dass diese Finanzierungsmöglichkeit auch für das staatliche Erbpachtrecht gilt. Die bahnbrechende Reform kann als wesentlicher Erfolgsschritt für das Regierungsprogramm Make in India verzeichnet werden. Die früher eingeschränkten Finanzierungsmöglichkeiten beim Grunderwerb wurden oft als Investitionshemmnis angesehen.


Fazit

Der Erwerb von Immobilien in Indien ist i.d.R. ein zeitaufwendiger und komplizierter Prozess, der v.a. der komplexen Übertragung von Eigentumsrechten und der langen Verjährungsfrist von Drittansprüchen auf das Eigentum geschuldet ist. Daher erfordert der Grundstückserwerb eine gründliche Prüfung durch Experten.

Ein Versäumnis der oben beschriebenen Sorgfalt vor und während des Kaufs von Eigentum in Indien kann zu sehr langen und teuren Rechtsstreitigkeiten führen. Sie gilt es durch ordnungsgemäße Prüfung zu verhindern. Auch beim Grunderwerb gilt der der Grundsatz: Alles ist möglich in Indien, solange es richtig angegangen wird. Sofern daher ein Projekt sorgfältig, geduldig und fachkundig angegangen wird, kann auch diese Herausforderung gut gemeistert werden.

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