Italien: Endgültige Einstellung der Unternehmenstätigkeit und Rechtmäßigkeit der Kündigung einer Arbeitnehmerin in Mutterschutz

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veröffentlicht am 30. Januar 2024 | Lesedauer ca. 4 Minuten


Der italienische Kassationsgerichtshof hat in seinem Urteil Nr. 35527 vom 19. Dezember 2023 über die Frage der Einstellung der Unternehmenstätigkeit als Rechtfertigungsgrund der Kündigung einer Arbeitnehmerin im Mutterschutz entschieden.

 
  
Wie bekannt, sieht Artikel 54 Absatz 3 des Gesetzesdekrets Nr. 151 vom 26. März 2001 (das sog. "Konsolidierte Gesetz über den Schutz und die Unterstützung von Mutterschaft und Vaterschaft") die nachfolgenden Fälle vor, in denen das Kündigungsverbot für eine Arbeitnehmerin während des Zeitraums zwischen dem Beginn der Schwangerschaft und dem Ende des Arbeitsverbots aufgrund Mutterschaft und bis das Kind ein Jahr alt ist, nicht gilt. Zum einen kann die Arbeitnehmerin während der Mutterschaft wegen eines schweren Fehlverhaltens gekündigt werden, das einen rechtfertigenden Grund für die Beendigung des Arbeitsverhältnisses darstellt: In diesem Zusammenhang erscheint es angebracht, an das aktuelle Urteil des Kassationsgerichtshofs Nr. 35617 vom 20. Dezember 2023 zu erinnern, nach dem es für die Feststellung eines "schweren Fehlverhaltens" der Arbeitnehmerin, das eine Kündigung vor Vollendung des ersten Lebensjahres des Kindes rechtfertigt, nicht auf das bloße Bestehen eines wichtigen Grundes oder eines subjektiv rechtfertigenden Grundes ankommt, sondern das tatsächliche Vorliegen des abweichenden -im genannten Artikel 54 ausdrücklich vorgesehenen- schwere Fehlverhalten geprüft werden muss. Zweitens gilt das Kündigungsverbot nicht, falls die Leistung, für welche die Arbeitnehmerin eingestellt wurde, beendet ist oder falls das befristeten Arbeitsverhältnis wegen Ablaufs der Befristung beendet wird. Zuletzt stellen sowohl das Nichtbestehen der Probezeit (sofern vorgesehen), als auch die Einstellung der Tätigkeit des Unternehmens Rechtfertigungsgründe für die Kündigung einer Arbeitnehmerin in Mutterschutz dar. 

Es ist dabei wichtig zu betonen, dass der Schutz, den das Rechtssystem für Arbeitnehmerinnen in Bezug auf Kündigungen wegen Heirat oder während des Mutterschutzes bietet, unbestreitbar von grundlegender Bedeutung ist. Damit soll das Bewusstsein der Arbeitgeber geschärft und sie von möglichen Verhaltensweisen abgehalten werden, die zur Beendigung des Arbeitsverhältnisses in einer so sensiblen Situation, wie die der Mutterschaft, führen würden.

Im aktuellen Fall der Arbeitnehmerin, über den der Kassationsgerichtshof entschieden hat, ging es um eine Kündigung, die aufgrund des Konkurses des Arbeitgeberunternehmens ausgesprochen wurde, während die Arbeitnehmerin sich im verpflichtenden Mutterschaftsurlaub befand.

Das Gericht von Arezzo hatte in erster Instanz der Klage der Arbeitnehmerin stattgegeben und die Kündigung für nichtig erklärt und das Unternehmen in Konkurs dazu verurteilt, die Klägerin wieder an ihrem Arbeitsplatz einzustellen und ihr eine Entschädigung in Höhe des vom Tag der Kündigung bis zum Tag der tatsächlichen Wiedereinstellung anlaufenden Gehalts zu zahlen. Das Gericht hatte nämlich festgestellt, dass eine Konkurserklärung nicht ausreicht, um die Einstellung der Geschäftstätigkeit im Sinne der Ausnahme vom Kündigungsverbot zu begründen.

Das Berufungsgericht Florenz kam daraufhin zu demselben Ergebnis, gab der genannten Klage statt und erklärte die Kündigung für nichtig, da aus den Akten nicht hervorgegangen sei, dass eine vollständige Einstellung der Unternehmenstätigkeit vorgelegen habe.

Die dritte und letzte Instanz ließ jedoch keinen Raum mehr für Missverständnisse: Der italienische Kassationsgerichtshof bestätigte die Nichtigkeit der Kündigung der Arbeitnehmerin kurz nach ihrer Rückkehr aus dem verpflichtenden Mutterschaftsurlaub und vor der Vollendung des ersten Lebensjahres des Kindes, die vom Arbeitgeberunternehmen mit der zwischenzeitlichen Konkurserklärung des Unternehmens begründet wurde.

Nach Ansicht der Richter, kann nur die tatsächliche Einstellung der Unternehmenstätigkeit der einzige Grund sein, der die Kündigung der Arbeitnehmerin vor der Vollendung des ersten Lebensjahres des Kindes rechtfertige. Außerdem sei das Konzept der "Einstellung der Unternehmenstätigkeit" in einem substantialen und strengen Sinne zu verstehen: Um die Kündigung zu rechtfertigen, müsse nämlich "jede Möglichkeit, die in irgendeiner Weise mit der Fortführung oder dem Fortbestehen des Unternehmens, aus welchem Grund auch immer, verbunden ist, aus dem operativen Umfang der Einstellung der Unternehmenstätigkeit ausgeschlossen werden".

Im gegenständlichen Fall waren im Unternehmen zum Zeitpunkt der Kündigung in der Tat noch erhaltende Aktivitäten am Laufen und noch keine liquidierenden, so dass die Bedingungen für eine solche Kündigung nicht gegeben waren. Aus diesem Grund erklärte der Kassationsgerichtshof die Kündigung für nichtig, wies das Rechtsmittel des Konkursverwalters zurück und bestätigte, dass die Rechtsprechung dem Risikofaktor Mutterschaft und Schwangerschaft von Arbeitnehmerinnen stets besondere Aufmerksamkeit schenkt.

Die Argumentation der Richter scheint klar und transparent zu sein. Die Kündigung einer Arbeitnehmerin, welche gerade Mutter geworden ist, vor der Vollendung des ersten Lebensjahres ihres Kindes muss immer eine Extrema Ratio sein; eine Entscheidung, die durch einen tatsächlichen Konkurs und somit durch das Wegfallen der juristischen Person erzwungen wird.

Der Kassationsgerichtshof weist darauf hin, dass eine Interpretation der Bestimmung - in diesem Fall Artikel 54 des genannten Gesetzesdekrets Nr. 151 vom 26. März 2001 -, die den Schutz der Rechte der Arbeitnehmer-Mutter gegenüber den Vermögensrechten privilegiert, sowohl den in Artikel 37 der Italienischen Verfassung verankerten Verfassungsgrundsatz widerspiegelt, der unter den Arbeitsbedingungen einen besonderen und angemessenen Schutz für Mutter und Kind zur Erfüllung der wesentlichen Familienfunktion anerkennt, als auch den Gleichheitsgrundsatz und das Recht auf Arbeit, die in den Artikeln 3 bzw. 4 der Verfassung vorgesehen sind. 

Zusammenfassend lässt sich sagen, dass sowohl der sozioökonomische Kontext als auch die durch die Rechtsordnung geschützten Werte zwei zentrale Punkte darstellen, die nie aus dem Blickfeld geraten dürfen, auch wenn das Unternehmen mit der Notwendigkeit konfrontiert ist, eine Schließung zu erwägen. 
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