Auswirkung der erhöhten Inflation auf die Kapitalkosten

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veröffentlicht am 20. Februar 2024 | Lesedauer ca. 5 Minuten


Die Inflation hat einen komplexen Einfluss auf die Bewertung von Unternehmen. Die Kapitalkosten setzen sich aus mehreren Parametern zusammen, die individuell auf die Inflation reagieren. Es ist wichtig, die Auswirkungen auf die einzelnen Parameter zu verstehen und sie mit größter Sorgfalt zu behandeln, um sich ein klares Bild über die Gesamtwirkung auf die Unternehmensbewertung zu machen. Dabei ist zu beachten, dass der Bewerter einen unterschiedlichen Spielraum auf die Kapitalkostenparameter hat.



Auswirkung der erhöhten Inflation auf die Kapitalkosten

Als Folge der COVID-19-Pandemie und des russischen Angriffskrieges hat Europa einen Inflationsschub erlebt. Die Inflation hat einen komplexen Einfluss auf die Bewertung von Unternehmen. In den Turbulenzen der Un­ge­wiss­heit, die u. a. durch die Unterbrechung der Wertschöpfungskette und geopolitische Konflikte ausgelöst wurden, werden Bewerter vor neue Herausforderungen gestellt. In einem DCF-Modell, das üblicher­weise von Bewertern verwendet wird, spielen die Kapitalkosten eine Schlüsselrolle bei der Ermittlung des Un­ter­nehmens­wer­tes. Die Kapitalkosten setzen sich aus mehreren Parametern zusammen, die individuell auf die Inflation reagieren. Es ist wichtig, die Auswirkungen auf die einzelnen Parameter zu verstehen und sie mit größter Sorgfalt zu behandeln, um sich ein klares Bild über die Gesamtwirkung auf die Unternehmensbewertung zu machen.

Der WACC-Ansatz ist eine gängige Methode zur Bestimmung der gewichteten Kapitalkosten, wobei jede Kapitalkategorie (Eigenkapital und Fremdkapital) proportional gewichtet wird:

WACC = (R_f + β*MRP) * E/EV + k_D * (1 – s) * D/EV

R_f: Rsikoloser Zinssatz (Basiszinssatz)
MRP: Marktrisikoprämie
β: Beta-Faktor
k_D: Fremdkapitalkosten
D/EV: Anteil Fremdkapital
E/EV: Anteil Eigenkapital
s: Steuersatz

Bei einem DCF-WACC-Verfahren wird der WACC ebenfalls als Kapitalisierungssatz im Rahmen der Berechnung des Terminal Value verwendet:

Terminal Value = Cashflow * (1+g) / (WACC-g)

Wobei g für die Nachhaltige Wachstumsrate steht.

Nachfolgend werden die Bewertungsparameter im Detail dargestellt:


Risikoloser Zinssatz (Basiszinssatz)

Nach dem deutschen Bewertungsstandard IDW S1 wird für die Ableitung des Basiszinssatzes die Svensson-Methode herangezogen. Die Ermittlung erfolgt auf Basis von Daten der Deutschen Bundesbank zu Deutschen Bundesanleihen. Eine steigende Inflation bzw. Inflationserwartung sowie geldpolitische Maßnahmen zur Be­kämpfung der Inflation führen zu steigenden Anleiherenditen und spiegeln sich in der Folge in einem höheren Basiszinssatz wider. Aufgrund des standardisierten Verfahrens zur Bestimmung des Basiszinssatzes hat der Bewerter keine Anpassungsmöglichkeit in einem Hochinflationsumfeld.


Marktrisikoprämie

Die Marktrisikoprämie wird als Differenz zwischen der Marktrendite und dem Basiszinssatz berechnet. Es gibt zwei fundamentale Möglichkeiten, die Marktrisikoprämie zu bestimmen. Erstens auf Basis der am Markt beobachtbaren historischen realisierten Rendite und zweitens auf Basis der zukünftigen Ertragserwartungen von Analysten am Markt, die sogenannte implizite Marktrendite. In den impliziten Marktrenditen sind im Gegensatz zu dem historischen Ansatz steigende Inflationserwartungen abgebildet. Die nachfolgende Grafik zeigt, dass der Anstieg der Inflationserwartung im Jahr 2022 und 2023 sich neben gestiegenen geopolitischen Risiken auch in der impliziten Marktrendite wiederfindet.  


Quellen: Analyse Rödl & Partner, Capital IQ, Deutsche Bundesbank

Der Anstieg der Marktrendite fällt dabei stärker aus als zu Beginn der COVID-19 Pandemie, die ebenfalls mit erheblichen Unsicherheiten einherging. Zudem verfestigt sich die Marktrendite auf einem höheren Niveau. Die Bewertungsstandardsetzer in Deutschland (Institut der Wirtschaftsprüfer, IDW) und Österreich (Kammer der Steuerberater und Wirtschaftsprüfer, KSW) veröffentlichen Empfehlungen zur Bestimmung der Marktrisiko­prämie. Der IDW hat seine Empfehlung zur Marktrisikoprämie letztmalig 2019 erhöht und im Zuge der ge­stie­ge­nen langfristigen Inflationserwartungen im Jahr 2022 nicht verändert. Dies ist auch darauf zurückzu­führen, dass der IDW im Gegensatz zur KSW keine Empfehlung für die Marktrendite, sondern für die Marktrisikoprämie ausspricht. Aufgrund des gestiegenen Basiszinssatzes war die Marktrisikoprämie im Vergleich zur Marktrendite stabiler. In Österreich hat hingegen der Fachsenat Betriebswirtschaft im Oktober 2022 einen An­wendungs­hin­weis zur Bestimmung der Marktrisikoprämie veröffentlicht. Der Fachsenat verweist auf die gestiegenen lang­fris­ti­gen Inflationserwartungen und die damit einhergehenden steigenden impliziten Marktrenditen. Weiter wird ausgeführt, dass es aufgrund dieser Situation sachgerecht sein kann von der Obergrenze der empfohlenen Bandbreite für die Marktrendite (aktuell: 7,5 – 9,0 Prozent) abzuweichen. Der österreichische Standardsetzer räumt dem Bewerter damit Möglichkeiten ein, um auf die langfristig erhöhten Inflationserwartungen im Rahmen der Kapitalkostenermittlung zu reagieren. Im Gegensatz zum Basiszinssatz hat der Bewerter bei der Festlegung der Marktrisikoprämie einen begrenzten Spielraum in Form der Bandbreite der Standardsetzer. Bei der Bestimmung der Marktrisikoprämie muss der Bewerter das erwartete Inflationsniveau berücksichtigen.

Beta-Faktor
Der Beta-Faktor ist ein Maß für die Volatilität der Rendite eines Unternehmens im Verhältnis zum Gesamtmarkt. Die Auswirkungen einer erhöhten Inflation wirken auf jedes Unternehmen unterschiedlich und sind daher immer am konkreten Einzelfall zu prüfen.

Debt Beta
Das Debt-Beta ermittelt sich als Division des Credit Spread durch die Marktrisikoprämie. Der Credit Spread ist definiert als die Differenz zwischen den erwarteten Fremdkapitalkosten und dem Basiszinssatz. Eine hohe Inflation führt zu höheren Fremdkapitalkosten und einem höheren Basiszinssatz. Dies bedeutet jedoch nicht, dass der Credit Spread auf einem unveränderten Niveau bleibt. In den Jahren 2022 und 2023 stiegen die Fremd­ka­pi­tal­kos­ten stärker als der Basiszinssatz, was zu einem Anstieg der Credit Spreads führte. Da die Inflation jedoch auch auf die Marktrisikoprämie wirkt, sind die Gesamtauswirkungen auf das Debt Beta individuell zu untersuchen und hängen vom konkreten Bewertungsobjekt ab.

Anteil Fremdkapital
Die in Folge der höheren Inflation steigenden Fremdkapitalzinsen führen zu einem Realwertverlust bei fest­ver­zins­lich­tem Fremdkapital. Ein sinkender Marktwert des Fremdkapitals führt ceteris paribus zu einer höheren Gewichtung der Eigenkapitalkosten in den durchschnittlichen gewichteten Kapitalkosten.

Anteil Eigenkapital
Aufgrund der variablen Verzinsung von Eigenkapital geht eine steigende Inflationserwartung nicht zwingend mit einem Realwertverlust einher. Unternehmen mit entsprechender Preisüberwälzbarkeit gelingt es, dass die realen Zahlungsmittelüberschüsse unverändert bleiben. Da der Anteil des Fremdkapitals bei Inflation in Folge des Realwertverlustes tendenziell sinkt, steigt der Anteil des Eigenkapitals entsprechend. Eine beschränkte Preisüberwälzbarkeit kann jedoch erhebliche Auswirkungen auf den Eigenkapitalwert haben, so dass sich im Einzelfall eine abweichende Situation ergeben kann.

Steuersatz
Zwischen der Höhe des Steuersatzes und der Inflationserwartung besteht kein direkter Zusammenhang.

Nachhaltige Wachstumsrate
Die nachhaltige Wachstumsrate hängt insbesondere mit dem langfristigen Inflationsniveau in dem ein­schlä­gi­gen Wirtschaftsraum sowie der Preisüberwälzbarkeit von steigenden Kosten zusammen.

Ein erster Ausgangspunkt für die nachhaltige Wachstumsrate kann gem. IDW S 1 das allgemeine In­fla­tions­ni­veau sein. Dabei kann jedoch nicht das aktuelle (tatsächliche) Inflationsniveau auf Basis eines Ver­braucher­preis­in­di­zes heranzogen werden, vielmehr ist die langfristige Inflationserwartung zu berücksichtigen. Diese kann u.a. über die Break-Even-Inflationsrate (aktuelle Renditedifferenz zwischen festverzinslichten und inflationsindexierten Anleihen) oder Inflation-Swaps ermittelt werden. Die nachfolgende Grafik zeigt die tatsächliche Inflation auf Basis des harmonisierten Verbraucherpreisindexes (HVPI) im Vergleich zur lang­fris­ti­gen Inflationserwartung. Letztere wurde als Mittelwert auf Basis der 10-jährigen Break-Even-Inflation für Deutsche Bundesanleihen sowie dem 10- und 30-jährigen Inflation-Swap (Zero Coupon) für Deutschland ermittelt.
 

Quellen: Analyse Rödl & Partner, Bloomberg, Statistisches Bundesamt

Im Mittel lag die langfristige Inflationserwartung zwischen 2014 und 2019 bei 1,7 Prozent und damit häufig unter der tatsächlichen Inflation. In Folge der Pandemie ist die langfristige Inflationserwartung im Jahr 2020 auf 1,2 Prozent gesunken. In den Folgejahren geht der Anstieg der tatsächlichen Inflation mit einem Anstieg der Inflationserwartung einher. Ab 2022 liegt die langfristige Inflationserwartung im Mittel über 2,5 Prozent Die Grafik zeigt jedoch auch, dass Inflation strikt in tatsächliche (kurzfristige) sowie langfristige erwartet Inflation zu trennen ist. Für die Ableitung der Kapitalkosten hat letztere ein höheres Gewicht.

Bei der Bewertung muss nicht nur das erwartete Inflationsumfeld berücksichtigt werden, sondern auch die Fähigkeit des Bewertungsobjekts, seinen Cashflow zu steigern. Es ist wichtig, die Preissetzungsmacht des Unternehmens auf dem Markt zu untersuchen. Ein Unternehmen mit einer stärkeren Preissetzungsmacht kann die Inflation an seine Kunden überwälzen. Zu den wesentlichen Faktoren gehören u.a. Kostenstruktur und Qualität, die Kosten-Umsatz-Verbindung und die Wettbewerbssituation.

Durch die Kombination der langfristigen Inflationserwartung und den unternehmensspezifischen Faktoren kann die nachhaltige Wachstumsrate ermittelt werden.


Fazit

Eine steigende Inflation bzw. Inflationserwartung wirkt unterschiedlich auf die Kapitalkostenparameter. Eine hohe Inflation führt in der Regel zu einem erhöhten risikofreien Zinssatz, einer höheren Marktrisikoprämie und einer höheren nachhaltigen Wachstumsrate. Die Auswirkungen auf den Beta-Faktor müssen branchenspezi­fisch bewertet werden. Obwohl die Credit Spreads tendenziell ansteigen, müssen für die Bestimmung der Credit Spreads Anpassungen und Schätzungen vorgenommen werden. Da auch die Marktrisikoprämie steigt, sind die Auswirkungen auf das Debt Beta insgesamt nicht eindeutig. Unter der Annahme, dass das Eigenkapital bei Inflation mit dem Markt mitwächst, sinkt der Anteil von Fremdkapital tendenziell, was den Anteil des Eigenkapitals entsprechend nach oben treibt. Insgesamt gilt, dass in einem Umfeld hoher Inflation, die Ren­di­te­for­derungen der Marktteilnehmer steigen und dadurch auch die Kapitalkosten.

Bei einem Teil der Bewertungsparameter (Basiszinssatz, Beta-Faktor, Credit Spread) ist die Ermittlung fest durch einen Bewertungsstandard oder die Bewertungspraxis vorgegeben. Hingegen hat der Bewerter bei der Festlegung der Marktrisikoprämie und nachhaltigen Wachstumsrate einen beschränkten Spielraum. Hierbei hat der Bewerter auf ein stimmiges Gesamtbild aller Bewertungsparameter sowie die Zusammenhänge zwischen den Parametern zu achten. Bei der Bewältigung dieser Herausforderung sind umfangreiche Kenntnisse sowie Erfahrung in der Unternehmensbewertung unerlässlich.

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