Kartellrechtsverstöße in Polen: Verantwortlichkeit des rechtswidrig Handelnden, der Geschäftsführung/des Vorstands und der Muttergesellschaft

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veröffentlicht am 22. Februar 2023 | Lesedauer ca. 5 Minuten


In Polen ist für Angelegenheiten im Bereich des Kartellrechts der Präsident des Amtes für Wettbewerbs- und Verbraucherschutz, das Urząd Ochrony Konkurencji i Konsu­men­tów (im Folgenden „UOKiK“), zuständig. Die Besonderheit des Kartellverfahrens besteht darin, dass diesem Verfahren meistens ein Prüfverfahren vorausgeht. Im Laufe des Verfahrens sammelt der Präsident des UOKiK Beweismaterial und nutzt die ihm zustehenden Ermittlungs- und Untersuchungsberechtigungen. Das Kartellverfahren endet statistisch gesehen meistens mit einer dem Unternehmer auferlegten Finanz­strafe und der Verpflichtung des Unternehmers, bestimmte Maßnahmen zu ergreifen.


Dem Präsidenten des UOKiK stehen verschiedene Instrumente zur Disziplinierung der Unternehmer zur Verfügung. Er kann auch den Führungskräften eines Unternehmens, z.B. den Geschäftsführern/Vorstands­mitgliedern, eine Finanzstrafe auferlegen.
 
In Polen sind Änderungen der Rechtsvorschriften geplant, die es dem Präsidenten des UOKiK ermöglichen sollen, auch Muttergesellschaften (z.B. der Muttergesellschaft einer polnischen Tochtergesellschaft, wobei die Muttergesellschaft ihren Sitz in Deutschland hat) Finanzstrafen aufzuerlegen. Mehr noch, bei der Festsetzung der Höhe der Finanzstrafe wird der Umsatz der gesamten Kapitalgruppe und nicht – so wie es bisher der Fall war – nur einer einzigen Gesellschaft berücksichtigt werden. Die polnischen Regelungen ermöglichen es jedoch, die eventuelle Höhe der Strafe erheblich zu mindern, indem sog. mildernde Umstände berücksichtigt werden. Ein entsprechend ausgewähltes Team aus Kartellrechtsexperten kann die potenzielle Höhe einer vom Präsidenten des UOKiK zu verhängenden Finanzstrafe erheblich mindern oder das Risiko eines Verstoßes gegen das Kartellrecht durch die betreffende in Polen tätige Kapitalgruppe eliminieren.

 

 

Kartellverfahren in Polen

In Polen ist für die Verhinderung und Aufdeckung von Verstößen gegen das Kartellrecht der Präsident des UOKiK zuständig. Die erste Etappe des Verwaltungsverfahrens ist die Einleitung eines Prüfverfahrens. Während dieses Verfahrens soll ermittelt werden, ob es überhaupt zu einem Verstoß gegen das Kartellrecht gekommen ist.
 
Die Besonderheit dieses Verfahrens besteht darin, dass es in der betreffenden Angelegenheit (ad rem) und nicht gegen einen bestimmten Rechtsträger (ad personam) geführt wird. Es werden also keine Vorwürfe gegen einen Unternehmer oder gegen die geschäftsführenden Personen erhoben. In diesem Verfahren hat der Unter­nehmer keinen Parteistatus. Ihm steht auch kein Recht auf Einsicht in die Verfahrensakte zu.
 
Bereits auf dieser Etappe verfügt der Präsident des UOKiK über Ermittlungs- und Untersuchungsberech­tigungen, d.h.:

  • er kann Unternehmer zur Vorlage von Dokumenten oder Erteilung von Informationen auffordern
  • er kann auch über die Durchführung einer Kontrolle oder einer Durchsuchung der Räumlichkeiten und Sachen des Unternehmers entscheiden

 
Der Präsident des UOKiK ist nicht verpflichtet, den Unternehmer über eine geplante Kontrolle, deren Termin oder Gegenstand zu informieren.
 
Fehlende Mitarbeit des Unternehmers, bei dem die Kontrolle durchgeführt wird, ist mit einer Geldstrafe von bis zu 50.000.000 Euro bedroht.
 
Das Prüfverfahren kann wie folgt enden:

  • es wird kein Vorwurf des Verstoßes gegen kartellrechtliche Vorschriften erhoben, oder
  • es wird ein Kartellverfahren wegen wettbewerbsbeschränkender Praktiken eingeleitet, was mit der Erhebung von Vorwürfen gegenüber bestimmten Rechtsträgern verbunden ist

 
Das eigentliche Kartellverfahren wegen wettbewerbsbeschränkender Praktiken wird gegen Unternehmer und in bestimmten Fällen auch gegen die geschäftsführende Person oder die geschäftsführenden Personen eingelei­tet. In diesem Fall benachrichtigt der Präsident des UOKiK den Unternehmer – eventuell auch die geschäfts­führenden Personen – über die Einleitung eines Kartellverfahrens und ermöglicht es ihm, zu den erhobenen Vorwürfen Stellung zu nehmen. Die Parteien haben die Möglichkeit, Einsicht in das Beweismaterial zu nehmen. Das grundlegende Dokument, in dem die Vorwürfe in Bezug auf die Tätigkeit des Unternehmers oder der geschäftsführenden Personen formuliert werden, ist das Dokument „Detaillierte Begründung der Vorwürfe.“

 

Ende des Kartellverfahrens

Das Kartellverfahren kann mit oder ohne die Auferlegung einer Geldstrafe enden. Im Falle der Verhängung einer Geldstrafe stellt der Präsident des UOKiK fest, dass wettbewerbsbeschränkende Praktiken angewandt wurden und ordnet an, diese Praktiken zu unterlassen oder stellt fest, dass sie unterlassen wurden. Wird keine Geld­strafe verhängt, so wird nur ein Bescheid erlassen, der den Unternehmer zur Ergreifung bestimmter Maßnahmen verpflichtet, oder das Verfahren wird eingestellt.

 

Höhe der Finanzstrafen

Geldstrafen werden sowohl für vorsätzliche als auch fahrlässige Verstöße verhängt. Diese Strafen lassen sich in drei Kategorien aufteilen:

  1. Bei einer Verletzung des Verbots wettbewerbsbeschränkender Praktiken – bis zu 10 Prozent des Umsatzes im Geschäftsjahr, der in dem Jahr vor der Verhängung der Strafe erzielt wurde
  2. Bei „fehlender Zusammenarbeit“ mit dem Präsidenten des UOKiK (u.a. Nichterteilung von Informationen, Erteilung von unrichtigen oder irreführenden Informationen, Verhinderung oder Erschwerung der Kontrolle oder der Durchsuchung) – bis zu 50.000.000 Euro
  3. Bei Verzug mit der Umsetzung des Bescheides des Präsidenten des UOKiK – bis zu 10.000 Euro pro Verzugstag

 

Umstände, die die Höhe der Strafe beeinflussen

Es gibt Umstände, die die Höhe der Strafe mindern können. Es handelt sich dabei um folgende:

  • freiwillige Beseitigung der Folgen des Verstoßes durch den Unternehmer
  • Unterlassung der Anwendung der unerlaubten Praktik durch den Unternehmer aus eigener Initiative vor der Einleitung des Verfahrens oder unverzüglich nach dessen Einleitung
  • Handlung unter Zwang
  • Ergreifung von Maßnahmen zwecks Unterlassung des Verstoßes oder Beseitigung von dessen Folgen aus eigener Initiative
  • Zusammenarbeit mit dem UOKiK während des Verfahrens, insbesondere der Beitrag zu einer schnellen und reibungslosen Durchführung des Verfahrens

 
Zu den Umständen, die die Strafe verschärfen können, zählen:

  • Vorsätzlichkeit des Verstoßes
  • Begehung eines ähnlichen Verstoßes in der Vergangenheit
  • Rolle als Führer oder Initiator einer wettbewerbsbeschränkenden Vereinbarung oder Verleitung anderer Unternehmer zur Teilnahme an einer solchen Vereinbarung
  • Anwendung von Zwang, Ausübung von Druck oder Anwendung von Repressalien gegenüber anderen Unternehmern oder Personen zwecks Durchführung oder Fortsetzung des Verstoßes

 

Strafen für die Führungskräfte eines Unternehmens

Der Präsident des UOKiK kann den Führungskräften eines Unternehmens Strafen auferlegen, wenn sie vorsätz­lich gehandelt haben. Bei den geschäftsführenden Personen handelt es sich um die Führungskräfte eines Unternehmens, insbesondere um Personen, die Leitungsfunktionen ausüben oder dem Leitungsorgan angehö­ren. Dazu zählen beispielsweise Geschäftsführer/Vorstandsmitglied, Abteilungsdirektoren und Personen, die die Vorgehensweise des Unternehmers tatsächlich bestimmen können, ohne dass sie dabei formal die entspre­chenden Leitungsfunktionen ausüben. Die Strafe beträgt maximal 2.000.000 PLN. Die Verhängung einer Strafe ist nur dann möglich, wenn gleichzeitig dem Unternehmer eine Finanzstrafe auferlegt wird.

 

Bevorstehende Änderungen bei der Bestrafung von Unternehmern für Kartellrechts­verstöße in Polen

Gemäß den polnischen Vorschriften kann der Präsident des UOKiK die Geldstrafe nur einem Unternehmer auferlegen, der den betreffenden Verstoß tatsächlich begangen hat. Die Möglichkeit der Bestrafung umfasst also weder abhängige Gesellschaften noch Muttergesellschaften. Die geplanten Änderungen der polnischen kartellrechtlichen Vorschriften gehen davon aus, dass der Präsident des UOKiK auch einer abhängigen oder der Muttergesellschaft eine Finanzstrafe auferlegen können wird. Bedingung ist der Nachweis, dass z.B. der Gesellschafter aus Deutschland „entscheidenden Einfluss“ auf diese Gesellschaft hat. Geplant ist die Einfüh­rung einer Rechtsvermutung, wonach Folgendes gilt: Hält die Muttergesellschaft über 90 Prozent der Aktien oder Anteile an der abhängigen Gesellschaft, so hat sie entscheidenden Einfluss auf die Tätigkeit der abhän­gigen Gesellschaft (d.h. auch auf den Verstoß gegen das Kartellrecht).
 
Die wichtigste Änderung besteht darin, dass der Präsident des UOKiK bei der Auferlegung der Strafe i.H.v. bis zu 10 Prozent des Umsatzes den Umsatz der gesamten Kapitalgruppe berücksichtigen können wird und nicht – wie bisher – nur einer einzigen Gesellschaft. Die vom Präsidenten des UOKiK verhängten Finanzstrafen werden also sprunghaft steigen. Es wird sich auch das finanzielle Risiko für Unternehmer erhöhen, die sich einen Verstoß gegen das Kartellrecht zuschulden kommen lassen.

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