Kaskadierende Verurteilungen in der VW-Diesel Affäre

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​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​veröffentlicht am 24. Juli​ 2025 | Lesedauer ca. 3 Minuten
 

„Der Fisch soll (doch) nicht vom Kopf her stinken“. Währenddessen das Verfahren gegen den ehemaligen Konzernchef aus Krankheitsgründen vorläufig eingestellt wurde, hat das gleiche Gericht, die Wirtschaftsstrafkammer des Landgerichts Braunschweig, nach 170 Verhandlungstagen am 26. Mai 2025 vier mitverantwortliche Führungskräfte von VW wegen Betrugs durch Manipulation von Abgaswerten bei Dieselmotoren für schuldig befunden und teilweise zu langjährigen Haftstrafen ohne Bewährung verurteilt. Auf der Anklagebank saßen ehemalige Manager und Ingenieure. Das Gericht sah es als erwiesen an, dass die Angeklagten durch den Einsatz einer Software die Abgaswerte manipuliert hatten und auf diese Weise Kunden und Markt täuschten. Die Verteidigung hat Revision angekündigt, somit ist das Urteil noch nicht rechtskräftig.

 

 

Dieses Urteil verdeutlicht, dass die strafrechtliche Verantwortlichkeit nicht nur die Geschäftsführer und Konzernchefs treffen kann, sondern auch Führungskräfte auf organisatorisch nachfolgenden Ebenen. Die strafrechtliche All- und Alleinzuständigkeit der Geschäftsleitung bröckelt.
 
Kommt es zur rechtskräftigen Verurteilung von Managern, Führungskräften und Mitarbeitern dann ist auch die Tür für hohe Geldbußen für das Unternehmen weit geöffnet, weil die dafür erforderliche Anknüpfungstat festgestellt ist. Aber noch viel schlimmer wiegt der Reputationsverlust und der dadurch eintretende wirtschaftliche Schaden, auch als Arbeitgeber. Wenn die Compliance im Unternehmen nicht (vor-)gelebt wird, sondern es um „Geschäft um jeden Preis“ geht, dann kommt der sprichwörtliche Bumerang in Form nicht unerheblicher Verbandsgeldbußen nach dem Ordnungswidrigkeitengesetz, insbesondere §§ 30, 130 OWiG, und Einziehung zurück. Dies kann sogar Beträge in bis zu dreistelliger Millionenhöhe führen.
  
Insofern sollte jedes Unternehmen sein Augenmerk auf lebbare Compliance zur Vermeidung von Rechtsverstößen richten. Auch dieses vorliegende Urteil gegen einen deutschen Konzern macht deutlich, es werden selbst und vor allem bei renommierten Namen nicht nur keine Ausnahmen mehr geduldet, sondern die strafrechtliche Verantwortlichkeit wandert auch die Hierarchiestufen hinab, wenn es gilt, Verantwortliche zu finden.

Es muss somit allen Unternehmenslenkern daran gelegen sein, nicht in derartige strafrechtliche Mühlen zu geraten. Zur Vermeidung bedarf es lebbarer, passgenauer unternehmensinterner Regeln, die im ganzen Unternehmen bekannt sind, geschult und gemonitort werden. Auch ein Sanktionsmanagement, das vor hierarchischen Türen nicht stoppt, ist ein deutliches Signal, umso mehr, je mehr man als Unternehmen im weltweiten Rampenlicht steht, weil an den Aktienmärkten gelistet oder mit dem Unternehmensnamen deutsche Wirtschaftsgeschichte verbunden wird. Leider hat VW bei der Aufarbeitung kein sehr gutes Bild abgegeben; dies gipfelt nun in dem vorgenannten Urteil und weitere Strafverfahren sind in diesem Zusammenhang noch anhängig.
 
Kommt unternehmensintern doch ein Verdacht eines Verstoßes gegen die Compliance-Vorschriften auf, müssen Sofortmaßnahmen greifen, die noch andauernde Verstöße umgehend abstellen und künftige weitere verhindern.

Weitere Schritte sind hierzu die Bildung einer internen TaskForce, ggf. unter Einbindung von externen Beratern zur intensiven Prüfung des Sachverhalts und der Beurteilung des Verstoßen. Dies vor allem auch, um die rechtlichen und wirtschaftlichen Risiken für das Unternehmen und die Betroffenen abzuschätzen und die Chancen einer offensiven Haltung, insbesondere einer möglichen Kooperation mit den Behörden zu nutzen sowie weitere noch mögliche Maßnahmen abzuleiten. Die Anforderungen an die Unternehmen steigen abhängig von seinem Organisationsgrad; gleichzeitig mehren sich dadurch auch die Risiken. Der europäische und deutsche Gesetzgeber macht es zudem nicht leichter, betrachtet man die Vorschriften und Pflichten aus und im Hinweisgeberschutzgesetz, dem Lieferkettensorgfaltspflichtengesetz und die weitreichenden Sorgfaltspflichten im Kontext GSR und ESG.

Eine absolute Weichenstellung ist im Unternehmen die Akzeptanz von Compliance in allen Unternehmenshierarchien. Diese benötigt nicht nur Vorbilder, die Compliance-Kultur vorleben, sondern auch Monitoring und Sanktionen bei absichtlichen und wiederholten Verstößen, jeweils abhängig von der Tragweite des Verstoßes. Regelmäßige Prüfung der Angemessenheit und Aktualität der implementierten Maßnahmen ist ebenfalls geboten.
 
Eine Atmosphäre des Vertrauens und der vertrauensvollen Zusammenarbeit wird durch klare und nicht interpretationsfähige Kommunikation unterstützt und löst überzogenen Druck und Angstmanagement zugunsten eines transparenten Umgangs auf allen Hierarchieebenen. Sie fördern Kreativität und sachgerechte und bestmögliche Lösung von Problemen, mithin eine optimale Erreichung der Unternehmensziele.
 

Fazit

Die Einhaltung von Recht und Gesetz in allen Unternehmensprozessen und deren dauerhafte Sicherstellung muss ein zentrales Anliegen jeder verantwortungsvollen Unternehmensleitung sein. Sie erfordert eine operative Kontrolle mit Hilfe interner Kontrollmechanismen, der Einrichtung technischer Strukturen und der rechtzeitigen Definition rechtlicher Anforderungen. Die damit erreichte Rechtssicherheit reduziert das Risiko staatlicher Eingriffe und finanzieller Schäden. Letztlich schützt sie auf allen Ebenen das Vertrauen in das Unternehmen, was für die aktuelle und langfristige Akzeptanz der Unternehmensprodukte und des Ansehens als Arbeitgeber entscheidend ist.
 
Kurzfristiges Denken und „schlechtes noch kurzfristiges Geschäft“ um jeden Preis zahlt sich nie aus und ist aufgrund des persönlichen Risikos sowohl in zivilrechtlicher, aber auch in strafrechtlicher Hinsicht langfristig betrachtet nicht kalkulierbar und damit nicht erfolgsversprechend.
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