Gerichtsentscheidung in China: KI-generierte Bilder können urheberrechtsfähig sein

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veröffentlicht am 19. Januar 2024 | Lesedauer ca. 4 Minuten

  

Im November 2023 fällte das Pekinger Internetgericht ein vor allem in China viel beachtetes Urteil zu der Frage, ob mit Hilfe von künstlicher Intelligenz (KI) erstelltes Bild urheberrechtlich geschützt sein kann. In dem Verfahren hatte der Kläger, der mit Hilfe von KI mehrere Bilder erstellt hatte, geltend gemacht, dass die Beklagte, die die Bilder nach Entfernung der Kennung des Klägers und eines Wasserzeichens zur Illustration in ihrem Blog verwendet hatte, ohne zuvor um Zustimmung gebeten zu haben, seine Urheberrechte und Rechte auf Verbreitung über Informationsnetzwerke verletzt habe, und verlangte von der Beklagten Schadensersatz.

  

  
    


Hintergrund des Verfahrens

Das Gericht in Peking entschied, dass die KI-generierten Bilder urheberrechtsfähige Werke mit menschlicher Urheberschaft seien und dass die Beklagte für die Urheberrechtsverletzung hafte. Das Pekinger Gericht prüfte zunächst, ob die Bilder in den Anwendungsbereich des chinesischen Urheberrechtsgesetzes fallen. Es bejahte dies, da es die Bilder als Werke der Literatur, Kunst und Wissenschaft einstufte (Art. 3 Urheberrechtsgesetz). Darüber hinaus sah das Gericht die Voraussetzungen der geistigen Leistung und der Originalität als erfüllt an. Hierzu traf das Gericht folgende Feststellungen:

Geistige Schöpfung

„Geistige Schöpfung“ bedeutet nach dem Urteil des Gerichts, dass das Werk einen geistigen Beitrag eines Menschen widerspiegeln muss. Dabei stellte das Gericht auf den Prozess der Bilderzeugung ab, bei dem der Kläger verschiedene Eingabemöglichkeiten nutzte, wie zum Beispiel
  • die Auswahl eines bestimmten KI-Dienstleisters aus einer Vielzahl von KI-Dienstleistern, der in der Lage war, den gewünschten Stil zu liefern,
  • die Gestaltung der Figur und des Bildhintergrundes durch Eingabe positiver und negativer Parameter (Gesichts­form, Haarfarbe, Blickrichtung, Beleuchtung, Hintergrund etc.),
  • die spezifische Reihenfolge der Eingabe der oben genannten Parameter,
  • Eingabe und Anpassung verschiedener technischer Parameter zur Bildanpassung.

Das Gericht sah in der individuellen Auswahl und Eingabe der verschiedenen Parameter den geistigen Beitrag des Klägers. 

Originalität

Darüber hinaus stellte das Gericht auch fest, dass die erzeugten Bilder „originell“ sind und grafische Kunst­werke darstellen, die die ästhetischen Entscheidungen und die Persönlichkeit des Klägers widerspiegeln. Auch hier stützte sich das Gericht im Wesentlichen auf den Schaffensprozess und die dabei ausgeführten Tätig­keiten des Klägers:
  • spezifische Vorgaben für die Gestaltung der Darstellungsmethoden und anderer Bildelemente,
  • Festlegung der Parameter für Layout und Komposition,
  • Verfeinerung der erzielten Ergebnisse durch Eingabe weiterer Eingabeaufforderungen, Änderung von Parametern.

Der Kläger habe die Ergebnisse immer wieder eigenständig nach seinen persönlichen Vorstellungen und Vor­lieben angepasst und verfeinert. Das Gericht kam daher zu dem Schluss, dass es sich um originäre, von Menschen geschaffene Werke handele, die nicht nur rein maschinell von der KI erzeugt worden seien und damit um Kunstwerke im Sinne des Urheberrechtsgesetzes.

Im Ergebnis stellte das Gericht eine Verletzung des Urheberrechts des Klägers fest und verurteilte die Beklagte zur Zahlung von Schadensersatz.

Besonderheiten des Falles

Das Urteil des Pekinger Internetgerichts ist das erste in China, das sich mit der Urheberrechtsfähigkeit von KI-generierten Werken befasst. Das Gericht stellte zunächst fest, dass Software allein nicht „Urheber“ eines Werkes sein kann. Das chinesische Urheberrecht verlange nach wie vor das Vorhandensein eines menschlichen Urhebers, um ein urheberrechtsfähiges Werk zu schaffen. Das Gericht hat bei seiner Prüfung insbesondere darauf abgestellt, ob die Schaffung der Bilder originäre menschliche Leistungen enthält und nicht darauf, ob das Werk selbst vollständig von Menschen geschaffen wurde. Das Gericht sieht einen Unterschied darin, ob ein Nutzer einer KI deren Output ohne weitere schöpferische Beteiligung übernimmt oder ob der Nutzer den Output durch Änderung von Parametern und Eingabeaufforderungen immer wieder neu anpasst, bis der Output seinen Vorstellungen entspricht. Gerade in diesen ständigen Anpassungen und Eingaben und damit im Ausleben der Kreativität des Nutzers bei der Bedienung der KI sieht das Gericht die geistige Investition, die das Ergebnis, also das mit Hilfe der KI erzeugte Bild, urheberrechtsfähig machen kann.

Im vorliegenden Fall kam hinzu, dass das Ergebnis, also die von der KI generierten Bilder, durch exakte Wieder­holung der vom Kläger vorgenommenen Eingaben reproduzierbar war. Es stellt sich daher die Frage, ob das Gericht auch so entschieden hätte, wenn diese Reproduzierbarkeit nicht gegeben wäre, das heißt, wenn die KI jedes Mal andere Ergebnisse produzieren würde und der Output der KI unvorhersehbar wäre. In diesem Fall wäre das Ergebnis trotz des menschlichen und kreativen Inputs unkontrollierbar und dem menschlichen Ein­fluss entzogen. In einem solchen Fall wird man davon ausgehen können, dass ein Urheberrecht an solchen „Zufallsergebnissen“ kaum bestehen kann.

Fazit

Das Urteil dürfte (noch) keinen Präzedenzcharakter haben. Es zeigt aber, in welche Richtung sich die Recht­sprechung im Hinblick auf den Schutz von mit Hilfe von KI generierten Werken entwickeln dürfte. Dies wird vor allem deshalb von zunehmendem Interesse sein, weil der Einsatz von KI in Zukunft weiter zunehmen wird und sich damit auch die Frage des Urheberrechtsschutzes für mit Hilfe von KI generierten Werken stellen wird.

In China scheint die Tendenz dahin zu gehen, KI-generierte Ergebnisse als urheberrechtsfähig anzusehen, wenn ein Mensch in ausreichendem Maße an der Erzeugung des Ergebnisses beteiligt ist und diese unter seiner Einflussnahme erfolgt, indem er Mittel wie Eingabeaufforderungen, Auswahl und Anpassung von Parametern usw. einsetzt, so dass das KI-Ergebnis seinen persönlichen Beitrag, seine persönlichen Ideen und Vorlieben widerspiegelt.

Dass KI eine immer größere Rolle in der chinesischen Wirtschaft spielt, zeigt auch, dass das chinesische Industrie­ministerium am 17. Januar 2024 einen Entwurf für Leitlinien zur Standardisierung der KI-Branche veröffentlicht hat. Der Entwurf sieht vor, bis 2026 mehr als 50 nationale und branchenweite Standards für KI zu schaffen. Außerdem heißt es, China wolle sich bis zu diesem Zeitpunkt an der Ausarbeitung von mehr als 20 internationalen Normen für KI beteiligen. 60 Prozent der zukünftigen Standards sollen darauf ausgerichtet sein „allgemeine Schlüsseltechnologien und Anwendungsentwicklungsprojekte" zu unterstützen. Nach Aussagen des Ministeriums wird angestrebt, dass mehr als 1.000 Unternehmen diese neuen Standards übernehmen und sich für sie einsetzen.

Implikationen für deutsche Unternehmen in China

Das chinesische Urheberrechtsgesetz bestimmt in Art. 11, dass, wenn ein Werk von einer juristischen Person organisiert, im Namen der juristischen Person geschaffen und von der juristischen Person verantwortet wird, die juristische Person als Urheber gilt. Deutsche Unternehmen in China können daher grundsätzlich Urheber von Werken im Sinne des Urheberrechtsgesetzes sein. Das Urteil kann daher für Unternehmen in China relevant sein, die zum Beispiel mit Hilfe von KI generierte Bilder, sei es auf der Website, zu Werbezwecken, in Social Media etc. verwenden und feststellen, dass solche Bilder von Dritten unberechtigt kopiert und verwendet werden. Wie in dem dargestellten Fall des Pekinger Internetgerichts könnte ein derart betroffenes Unternehmen rechtliche Schritte gegen den unberechtigten Nutzer des Werkes einleiten und gegebenenfalls auch Schadensersatz verlangen. Dies erhöht die Rechtsschutzmöglichkeiten der Urheber und damit auch die Rechtssicherheit. Die weitere Entwicklung sowohl in der Gesetzgebung als auch in der Rechtsanwendung bleibt abzuwarten. Wir beraten Sie gerne in allen Fragen des Urheberrechtsschutzes in China.
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