Wichtige Aspekte der ecuadorianischen Vorschriften bezüglich der Lieferkette

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veröffentlicht am 15. September 2022 | Lesedauer ca. 5 Minuten

von Michael Veintimilla, Ecija GPA


Das deutsche Lieferkettengesetz legt eine Sorgfaltspflicht für in Deutschland an­säs­sige Unternehmen fest, die die Voraussetzungen erfüllen, um der Aufsicht der zu­stän­di­gen Behörde in Deutschland zu unterliegen. Große Unternehmen, die in Deutschland der Aufsicht unterliegen, müssen sich in ihren Lieferketten mit der gebotenen Sorgfalt vergewissern, dass bei der Herstellung der betreffenden Ware oder Dienstleistung keine Menschenrechts- und Umweltverletzungen begangen werden.


Die Lieferkette erstreckt sich auf direkte und in bestimmten Fällen auf indirekte Lieferanten, auch außerhalb Deutschlands. Diese unterliegen nicht der Kontrolle durch die deutsche Aufsichtsbehörde, werden aber höchst­­wahr­schein­lich vertragliche Verpflichtungen gegenüber Unternehmen haben, die in Deutschland an­sässig sind und dieses Gesetz einhalten müssen.

Dazu muss man wissen, inwieweit Ecuador internationalen Übereinkommen zum Schutz der Menschenrechte beigetreten ist und inwieweit der Grundsatz der Parteiautonomie in Ecuador gilt, wonach die Parteien be­stimm­te Standards für die Einhaltung von Lieferanten vertraglich festschreiben können.


Ecuador und die Menschenrechte

Die Republik Ecuador ordnet internationale Verträge in die Normenhierarchie ein und ordnet sie gemäß Artikel 425 der Verfassung unter die Verfassung, aber über alle anderen Rechtsvorschriften, einschließlich der or­ga­ni­schen Gesetze, ein.

Der Artikel 424 geht jedoch noch weiter, indem er erklärt, dass internationale Menschenrechtsverträge, die Rechte anerkennen, die günstiger sind als die in der Verfassung enthaltenen, Vorrang vor allen anderen Rechts­nor­men oder Akten der öffentlichen Gewalt haben.

Schließlich legt Artikel 417 der Verfassung fest, dass Verträge und andere internationale Menschenrechts­instrumente die in der Verfassung verankerten Grundsätze des Grundsatzes der Wahrung der Menschenrechte, der Nichtbeschränkung von Rechten, der unmittelbaren Anwendbarkeit und der allgemeinen Öffnungsklausel beachten müssen.


In diesem Zusammenhang ist darauf hinzuweisen, dass Ecuador die „Allgemeine Erklärung der Men­schen­rech­te” unterzeichnet hat, die Internationale Menschenrechtskonvention ratifiziert hat und den wichtigsten Men­schenrechtsinstrumenten für Kinder, Frauen und Behinderte beigetreten ist und diese ratifiziert hat.


Daher sind die in diesen Verträgen enthaltenen Rechte gemäß den oben genannten Verfassungsnormen un­mit­tel­bar im Lande anwendbar.

Auch die Verfassung selbst hat die Menschenrechte in ihrem Text anerkannt, insbesondere in Abschnitt II, wo Aspekte wie die Unverletzlichkeit des Lebens, das Verbot der Diskriminierung, die Rechte von Frauen und Kindern, das Recht auf Gesundheit, Arbeit und soziale Sicherheit, die bürgerlichen Rechte und Freiheiten u.a. zu finden sind.


Besonders hervorzuheben ist das in Artikel 57 Absatz 7 verankerte Recht indigener Völker und Nationalitäten auf vorherige Konsultation zu Plänen und Programmen für die Prospektion, Ausbeutung und Kommer­zia­li­sierung von nicht erneuerbaren Ressourcen, die sich auf ihrem Land befinden. In ähnlicher Weise wird in Artikel 398 das Recht auf Konsultation der Gemeinschaften im Hinblick auf staatliche Entscheidungen oder Genehmigungen, die sich auf die Umwelt auswirken, allgemein anerkannt.


Die Nichteinhaltung dieses Verfahrens hat zu gerichtlichen Anordnungen geführt, die die Aufnahme oder den Abbruch von Öl- und Bergbauprojekten verhindern.


Andererseits wurden in internationalen Instrumenten anerkannte Rechte ausdrücklich in die ecuadorianische Gesetzgebung aufgenommen. Es ist beispielsweise legal, Minderjährige als Arbeitnehmer einzustellen, solange sie mindestens 15 Jahre alt sind; für schwangere oder stillende Arbeitnehmerinnen wurden besondere Schutz­maßnahmen eingeführt; es besteht die Verpflichtung, alle Arbeitnehmer der Sozialversicherung zu versichern; Unternehmen mit mehr als 25 Arbeitnehmern müssen mindestens 4 Prozent ihrer Gesamtbeleg­schaft mit Men­schen mit Behinderung besetzen.

Infolgedessen sind in Ecuador eine Reihe von Bestimmungen aus internationalen Menschenrechtsinstrumenten Teil des Rechtssystems.


Das Prinzip der Parteiautonomie in Ecuador

Die Parteiautonomie ist die Freiheit des Einzelnen, Verträge zu schließen und innerhalb dieser Verträge deren Inhalt, Wirkungen und Dauer zu bestimmen, soweit dies nicht gegen das Gesetz verstößt.

Die Vertragsfreiheit ist ein Recht, das in der Verfassung der Republik Ecuador anerkannt ist. In Artikel 66 Nummer 16 des genannten Gesetzestextes ist festgelegt, dass das Recht auf Vertragsfreiheit für Einzelpersonen anerkannt und garantiert wird. Der Grundsatz der Willensautonomie wird durch Verträge verwirklicht. Anderer­seits definiert Artikel 1454 des Zivilgesetzbuches den Vertrag oder die Vereinbarung als eine Handlung, durch die eine Partei eine andere Partei verpflichtet, etwas zu geben, zu tun oder zu unterlassen. In Artikel 1561 desselben Gesetzes heißt es, dass jeder rechtmäßig geschlossene Vertrag für die Vertragsparteien Gesetz ist und nur im gegenseitigen Einvernehmen oder aus rechtlichen Gründen für ungültig erklärt werden kann.

Der Grundsatz der Parteiautonomie wurde in mehreren Urteilen anerkannt, wie z. B. im Urteil Nr. 171-14-SEP-CC des Verfassungsgerichts vom 15. Oktober 2014, in dem festgelegt wird, dass der große Gestaltungsraum der Parteien beim Abschluss von Verträgen und bei der Festlegung ihres Inhalts sowie der Bedingungen, Be­schrän­kun­gen, Modalitäten, Formalitäten, Klauseln und sonstigen Besonderheiten durch die Willensautonomie der Vertragsparteien innerhalb des in Ecuador geltenden verfassungsrechtlichen und gesetzlichen Rahmens bestimmt wird.

Ebenso hat derselbe Gerichtshof in seinem Urteil Nr. 044-10-SEP-CC vom 21. Oktober 2019 festgestellt, dass der Vertrag im Allgemeinen auf dem Willen der Vertragsparteien beruht, ihn frei zu vereinbaren und zu schlie­ßen. Diese Anforderung bewegt sich im Rahmen des gesetzlich festgelegten Rahmens, so dass sich aus dieser Erklärung Verpflichtungen ergeben.

Unter Berücksichtigung dieser Definitionen steht es den Parteien also frei, eine Vereinbarung zu treffen, so­lange die im Vertrag oder in der Vereinbarung enthaltenen Klauseln nicht gegen das Gesetz verstoßen.

So können die Parteien bei Vertragsabschließung: über vertragliche Mechanismen zur Einbeziehung von Stan­dards, die über das gesetzliche Mindestmaß hinausgehen, festlegen; Verfahren zur Überprüfung der Einhaltung bestimmter Standards vereinbart werden, entweder durch Inspektionen oder durch Prüfungen; bestimmte Risiken und Verantwortlichkeiten durch Back-to-Back-Klauseln übertragen; Sanktionsmechanismen für den Fall von Verzögerungen oder Vertragsverletzungen festlegen; das Gericht, bei dem Streitigkeiten anhängig gemacht werden sollen, definieren; das auf den Vertrag anwendbare Recht wählen.

Daher steht es den Parteien frei, diese Vereinbarungen einzufügen, um die Einhaltung internationaler Normen aus Instrumenten, die Ecuador nicht ratifiziert hat, einzubeziehen und zu gewährleisten.


Compliance als Instrument für die gebotene Sorgfalt (Due Diligence)

Zunächst einmal muss man verstehen, dass es keine genaue Definition des Begriffs „Compliance“ gibt, so dass es notwendig ist, seinen Umfang und seine Anwendung für die Einhaltung dieses neuen Gesetzes zu verstehen, insbesondere im Hinblick auf seine extraterritorialen Auswirkungen.

Ihr Ziel ist die Einhaltung von Vorschriften, unabhängig davon, ob sie rechtlicher Natur sind oder von einer Organisation auf freiwilliger Basis festgelegt wurden. Kurz gesagt, Compliance wird zu einem Instrumentarium für die Selbstregulierung und die interne Verantwortung von Unternehmen, die festgelegt werden, um den Be­dürf­nissen jedes Unternehmens und jeder Branche gerecht zu werden und die Regeln des gesetzlichen und unternehmerischen Rahmens einzuhalten.


In Bezug auf das deutsche Lieferkettengesetz ist es wichtig, darauf hinzuweisen, dass sich Unternehmen auch der Auswirkungen ihrer Aktivitäten auf die Menschenrechte bewusst sein müssen und es daher notwendig ist, die erforderlichen Maßnahmen zu ergreifen, um solche Verletzungen oder Auswirkungen auf die Menschenrechte zu verhindern.

Zu diesem Zweck sollten die Unternehmen bei der Durchführung ihrer Tätigkeiten darauf achten, dass die Men­schenrechte im Allgemeinen nicht beeinträchtigt werden. In den Leitprinzipien für Menschenrechte heißt es, dass sie 1) eine Unternehmenspolitik zur Förderung, Achtung und Wiedergutmachung im Bereich der Men­schen­­rechte verfolgen und 2) einen Mechanismus für die unternehmerische Sorgfaltspflicht im Bereich der Menschenrechtsverletzungen entwickeln und umsetzen sollen.


Gerade in diesem Bereich der Prävention und des Schutzes der Menschenrechte ist die Anwendbarkeit der Compliance eine effiziente Lösung, mit der die durchgeführten und noch durchzuführenden Prä­ven­tions­maß­nahmen sowie die Abhilfemaßnahmen im Falle einer unerwünschten Nichteinhaltung dokumentiert werden können.

Bei den Instrumenten oder Lösungen, die Compliance anbieten kann, müssen wir zwischen solchen unter­scheiden, die sowohl für deutsche Unternehmen als auch für lokale (ecuadorianische) Unternehmen geeignet sind.

Für deutsche Unternehmen gibt es direkte Maßnahmen, wie Prüfungen ausländischer (ecuadorianischer) Lieferanten, Back-to-Back-Klauseln (B2B), Änderung der Vertragsbedingungen, Konformitätsbescheinigungen usw.; und indirekte Maßnahmen wie: Anforderung von B2B-Klauseln, Konformitätsbescheinigungen usw.
Bei lokalen (ecuadorianischen) Unternehmen hingegen sind die zu ergreifenden Maßnahmen immer direkt, z. B. interne Kontrollen, Beratungen, Einführung von Compliance-Programmen oder zumindest eines Kapitels zu Menschen- und Arbeitsrechten, Risikomanagement, Sensibilisierung für die Unternehmenskultur usw.

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