Die Anwendung des Lieferkettensorgfaltsgesetzes für Juristische Personen des Öffentlichen Rechts

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veröffentlicht am 25. Oktober 2023, aktualisiert am 2. Januar 2024 | Lesedauer ca. 4 Minuten


Seit dem 1. Januar 2023 ist das Lieferkettensorgfaltsgesetz (LkSG) in Deutschland in Kraft. Dieses Gesetz, allgemein als „Lieferkettengesetz“ bekannt, hat das Ziel, Unter­neh­men zu verpflichten, Menschenrechtsverletzungen und Umweltschäden in ihren globalen Lieferketten zu verhindern. Bisherige Diskussionen haben sich oft auf private Unternehmen konzentriert, aber juristische Personen des öffentlichen Rechts (JPöR), wie Körperschaften, Stiftungen und Anstalten des öffentlichen Rechts, können eben­falls betroffen sein, sofern sie unternehmerisch am Markt tätig sind und die maßgeb­li­chen Mitarbeiter-Schwellenwerte überschreiten. Durch das Gesetz verpflichtete juris­ti­schen Personen müssen umfangreiche Pflichten im Hinblick auf Menschenrechte und Umweltschutz entlang ihrer Lieferkette erfüllen, die sog. „Sorgfaltspflichten“. Mithin besteht für betroffene JPöR ein kurzfristiger und dringender Compliance-Handlungsbedarf.



Eingeschränkter Anwendungsbereich für JPöR

Das Lieferkettensorgfaltsgesetz verfolgt das Ziel, Menschenrechtsverletzungen und Umweltauswirkungen entlang der globalen Lieferketten deutscher Unternehmen zu verhindern und zu minimieren. Dies umfasst nicht nur Unternehmen des Privatrechts, sondern auch jPöR, da der Begriff „Unternehmen“ im LkSG rechtsform­neutral ist.

JPöR, wie Körperschaften, Stiftungen und Anstalten des öffentlichen Rechts, unterliegen dem LkSG jedoch nur dann (unmittelbar), wenn sie unternehmerisch am Markt tätig sind und mit diesen unternehmerischen Be­rei­chen eigenständig die Mitarbeiter-Schwellenwerte des Gesetzes (3.000 Beschäftigte per 1. Januar 2023; 1.000 Beschäftigte ab 1. Januar 2024) erfüllen. Das bedeutet im Umkehrschluss, dass JPöR, die keine unterneh­mer­ische Tätigkeit ausüben oder die Schwellenwerte nicht erreichen, keine unmittelbaren Verpflichtungen gemäß dem Gesetz haben.

Die Schwellenwerte beziehen sich auf die Anzahl der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer und werden nach § 1 des LkSG festgelegt. Zur Berechnung werden nur diejenigen Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer berück­sich­tigt, die organisatorisch dem unternehmerisch tätigen Teil der JPöR zugeordnet sind. Beamte werden dabei nicht mitgezählt, da sie nicht unter die Definition der Beschäftigten gemäß § 611a BGB fallen. Eine unterneh­mer­ische Tätigkeit am Markt liegt vor, wenn JPöR Dienstleistungen oder Produkte gegenüber Dritten (natür­li­che Person, Unternehmen oder andere JPöR) anbieten und dabei in Konkurrenz zu anderen Markt­teil­neh­men­den (andere Unternehmen und/oder andere JPöR) stehen. Dies bedeutet zum Beispiel, dass große, mitarbeiterstarke Kommunen, die u.a. kulturelle oder soziale Dienstleistungen anbieten und diese in Konkurrenz zu anderen Anbietern auf dem Markt stellen, von den Bestimmungen des Gesetzes betroffen sein könnten.

Der eingeschränkte Anwendungsbereich impliziert, dass nur bestimmte JPöR durch das Gesetz unmittelbar betroffen sein werden. Nach derzeitigem Stand ist davon auszugehen, dass kleine sowie mittelgroße Kommu­nen durch das LkSG nicht unmittelbar verpflichtet werden. Im Gegensatz dazu werden kommunale Unterneh­men in der Regel durch das LkSG unmittelbar verpflichtet, wenn sie die maßgeblichen Mitarbeiter-Schwellen­werte erreichen. Große kommunale bzw. Bundes- oder Landesunternehmen, die wirtschaftlich am Markt tätig sind, werden ebenso mit großer Wahrscheinlichkeit durch das LkSG unmittelbar verpflichtet.

Weiterhin ist zu beachten, dass kommunale Unternehmen, obwohl sie möglicherweise nicht unmittelbar durch das LkSG verpflichtet sind, dennoch mittelbar betroffen sein können, wenn sie Teil der Lieferkette eines durch das Gesetz verpflichteten Unternehmens sind. Dies liegt daran, dass öffentliche Unternehmen in verschie­de­nen Situationen Dienstleistungen für private Unternehmen erbringen. Wenn diese privaten Unternehmen wie­derum direkt vom LkSG betroffen sind, ergibt sich daraus auch eine mittelbare Verpflichtung für die Geschäfts­part­ner in ihrer Lieferkette. Öffentliche Unternehmen sollten daher, insbesondere wenn sie Dienstleistungen für private Unternehmen erbringen, davon ausgehen, dass sie zumindest mittelbar von den Vorschriften des LkSG betroffen sein können.


Umsetzung der Sorgfaltspflichten für JPöR

Die Sorgfaltspflichten im Rahmen des LkSG zielen darauf ab, sicherzustellen, dass verpflichtete juristische Personen ihre Lieferketten in Bezug auf Menschenrechte, Umweltstandards und soziale Verantwortung über­wa­chen und verbessern. Das erfordert die Integration dieser Pflichten in die Geschäftspolitik, die Umsetzung von Risikominderungsmaßnahmen und Schadensverhütung. Hierzu müssen geeignete Compliance- und Risiko­ma­na­ge­ment­sys­te­me implementiert werden, die umfassende Maßnahmen inkludieren können.

Zunächst sollten betroffene jPöR eine gründliche Risikobewertung ihrer Liefer- bzw. Dienstleistungsketten durchführen. Dabei geht es darum, potenzielle Menschenrechtsverletzungen und Umweltauswirkungen zu identifizieren. Dies erfordert eine tiefgehende Untersuchung von Lieferanten, Dienstleistern und Material­quellen.

Auf Grundlage dieser Risikobewertung müssen jPöR dann geeignete Maßnahmen ergreifen, um die erkannten Risiken zu minimieren oder zu verhindern. Das kann die Schulung von Mitarbeitern, die Implementierung von Richtlinien und Verfahren sowie die enge Zusammenarbeit mit Lieferanten zur Verbesserung ihrer Praktiken einschließen. Die Zusammenarbeit in der Wertschöpfungskette ist von großer Bedeutung, um soziale und ökologische Verantwortung zu fördern und sicherzustellen, dass die Sorgfaltspflichten erfüllt werden. Gemeinsames Handeln kann dazu beitragen, positive Veränderungen entlang der Leistungskette zu bewirken.
Die Transparenz spielt eine zentrale Rolle in diesem Prozess. Durch das Gesetz verpflichtete jPöR sind dazu angehalten stetig transparent über ihre Sorgfaltspflichten und die ergriffenen Maßnahmen zu berichten und diese zu dokumentieren. Zusätzlich sollten jPöR Mechanismen einrichten, um Beschwerden im Zusammenhang mit Menschenrechtsverletzungen oder Umweltauswirkungen in der Wertschöpfungskette entgegenzunehmen und zu bearbeiten.

Die kontinuierliche Überwachung und Due Diligence in Bezug auf die Lieferkette sind entscheidend, um sicherzustellen, dass die Standards konstant eingehalten werden und etwaige Verstöße rechtzeitig erkannt werden. Nur durch einen ganzheitlichen Ansatz können jPöR sicherstellen, dass ihre Wertschöpfungsketten den geforderten ethischen und umweltfreundlichen Standards entsprechen.


Spezielle Anwendungsfragen, mit denen sich JPöR auseinandersetzen müssen

Die Anwendung des LkSG auf jPöR bringt spezifische praxisrelevante Fragestellungen und Herausforderungen mit sich, die sorgfältig betrachtet werden müssen. Insbesondere geht es um die Bestimmung des Anwendungs­bereichs und die anschließende Installation geeigneter Compliance-Maßnahmen.


Bestimmung des Anwendungsbereichs und Definition Wettbewerbsrelevanz

Um herauszufinden, ob das Gesetz auf sie zutrifft, müssen jPöR zunächst ihre Marktaktivitäten genau über­prü­fen. Doch schon hier tauchen erste Schwierigkeiten auf, da die Abgrenzung zwischen unternehmer­ischen Tätigkeiten und öffentlichen Aufgaben nicht immer klar ist. Die Frage, wie jPöR den Umfang ihrer Markt­ak­ti­vi­tä­ten festlegen und was als „Wettbewerb“ gilt, wirft weitere Fragen auf. Die Zuständigkeit für diese Ab­grenzungs­fra­gen kann sowohl zentral als auch dezentral sein.


Schwellenwertbetrachtung/Arbeitnehmerzählung

Ein weiteres Problemfeld ergibt sich bei der Schwellenwertbetrachtung und der Zählung der Mitarbeiter. Es stellt sich die Frage, wie Mitarbeiter*innen zugeordnet werden, die sowohl unternehmerische als auch hoheit­li­che Tätigkeiten ausüben. Müssen Mitarbeiter*innen aus verschiedenen unternehmerischen Tätigkeitsbereichen kumulativ für den Schwellenwert betrachtet werden? Werden Mitarbeiter von verbundenen Unternehmen, Eigen­be­trie­ben, etc. mitgezählt für den kritischen Schwellenwert?


Umsetzung der Sorgfaltspflichten in „angemessener Weise“

Die Umsetzung der Sorgfaltspflichten nach dem LkSG erfordert von jPöR, die unter das Gesetz fallen, eine genaue Anpassung an ihre unternehmerischen Aktivitäten. Dies beinhaltet die Implementierung von ange­messenen Compliance-Maßnahmen, wie die Einrichtung von Risikomanagementsystemen, inklusive einer umfangreichen Dokumentation und Berichterstattung.

Die Gesetzesformulierung für die Umsetzung der Sorgfaltspflichten „in angemessener Weise“ (§ 3 Abs. 2 LkSG) bietet Spielraum, kann insbesondere bei JPöR in der praktischen Umsetzung Vereinfachungen mit sich bringen. Hier ist es wichtig zu verstehen, dass der Gesetzgeber bei der Erarbeitung des Gesetzes bestimmte Unter­neh­mens­for­men primär im Blick hatte. Die Definition von „angemessener Weise“ berücksichtigt Faktoren wie Branche, Unternehmensgröße und ordnungspolitische Rahmenbedingungen. Je größer die Ein­fluss­mög­lich­kei­ten des Unternehmens und je höher das Risiko von Menschenrechtsverletzungen oder Umweltauswirkungen, desto strenger werden die Anforderungen an die Sorgfaltspflichten. JPöR sollten demnach regelmäßig weniger Reichweite und Umfang in der Umsetzung der Sorgfaltspflichten angemessen werden als beispielsweise international agierenden Großkonzernen.


Fazit

Die Anwendung des LkSG auf jPöR erfordert eine sorgfältige Prüfung ihrer unternehmerischen Tätigkeiten und die Implementierung robuster Compliance- und Risikomanagementsysteme. Dies ermöglicht es ihnen, die gesetzlichen Anforderungen zu erfüllen, um empfindliche Bußgelder zu vermeiden, Menschenrechtsver­letzungen und Umweltauswirkungen zu minimieren und gleichzeitig ethisch und nachhaltig zu handeln. Nur durch einen ganzheitlichen Ansatz können verpflichtete JPöR sicherstellen, dass ihre Lieferketten den gefor­der­ten Standards entsprechen. Gerade die öffentliche Hand hat eine besondere Verantwortung zum Schutz der Umwelt und zur Einhaltung von sozialen Kriterien aufgrund Ihrer Verpflichtung zum Allgemeinwohl.






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