System der deutschen Gerichtsbarkeit

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veröffentlicht am 4. Mai 2021 | Lesedauer ca. 4 Minuten




Internationale Zuständigkeit

Die internationale Zuständigkeit bestimmt, ob die Gerichte eines Staates zur Entscheidung berufen sind. Für Fälle mit Auslandsberührung zu anderen Mitgliedsstaaten der EU gilt in Deutschland in den meisten Fällen europaweit vereinheitlichtes Zuständigkeitsrecht nach den EU-Verordnungen zur Zuständigkeit in Zivilsachen.


Die Brüssel Ia-Verordnung enthält zum Anwendungsbereich umfangreiche Vorschriften über die internationale Zuständigkeit der Gerichte der Mitgliedstaaten. Für Klagen sind in erster Linie die Gerichte des Mitgliedstaats international zuständig, in dem der Beklagte seinen Wohnsitz hat. Darüber hinaus sieht die Verordnung u.a. spezielle Zuständigkeiten vor.


Anerkennung und Vollstreckung europäischer Titel und ausländischer Schiedssprüche

Nach der Brüssel Ia-Verordnung werden die in einem Mitgliedstaat ergangenen Entscheidungen in den anderen Mitgliedstaaten anerkannt, ohne dass es darfür eines besonderen Verfahrens bedarf. Eine Überprüfung der Entscheidung im ersuchten Mitgliedsstaat findet dabei in der Sache nicht statt. Mit der Brüssel Ia-Verordnung wurde das Anerkennungsverfahren (Exequatur) abgeschafft.


Vollstreckungsmaßnahmen haben generell die Eintreibung von Geldbeträgen zum Ziel, können aber auch die Erfüllung einer sonstigen Verpflichtung zum Gegenstand haben (Handlungs- bzw. Unterlassungspflicht). In grenzüberschreitenden Zivilsachen gilt, dass eine Entscheidung gemäß den innerstaatlichen Regeln und Verfahren des Staats vollstreckt werden muss, in dem die Vollstreckung erfolgt (üblicherweise der Staat, in dem sich der Schuldner und/oder sein Vermögen befindet). In der Praxis muss ein Vollstreckungstitel (z.B. ein Gerichtsurteil oder einen Vergleich) sowie eine Bescheinigung gemäß Art. 53 Brüssel Ia-Verordnung vorgelegt werden, um die Vollstreckung zu erreichen. Die Verfahren der Vollstreckung und die Stellen, die sie vornehmen (Gerichte, Inkassobüros und Gerichtsvollzieher) werden von dem innerstaatlichen Recht des Staats festgelegt, in dem die Vollstreckung erreicht werden soll.


In Deutschland richtet sich die Anerkennung und Erklärung der Vollstreckbarkeit eines ausländischen Schiedsspruchs maßgeblich nach dem New Yorker Übereinkommen über die Anerkennung und Vollstreckung ausländischer Schiedssprüche. Sofern der ausländische Schiedsspruch anerkannt und für vollstreckbar erklärt wurde, folgt das Zwangsvollstreckungsverfahren selbst dem jeweiligen nationalen Recht.


Aufbau Gerichtsbarkeit und Gerichtswege

In Deutschland existieren fünf Gerichtszweige. Unterschieden werden:

  • die ordentliche Gerichtsbarkeit, zuständig für alle Arten von Zivil- und Strafprozessen,
  • die Arbeits-,
  • Finanz-,
  • Verwaltungs- und
  • Sozialgerichtsbarkeit.

Ein Urteil, das ein Gericht gesprochen hat, kann i.d.R. einem nächst höheren zur Überprüfung vorgelegt werden (Instanzenzug). Dazu muss man ein Rechtsmittel einlegen. Wird gegen ein Urteil der 1. Instanz das Rechtsmittel der Berufung eingelegt, muss ein höheres Gericht in 2. Instanz den gesamten Fall noch einmal prüfen. Dessen Urteil kann erneut mit dem Rechtsmittel der Revision angefochten werden. Dann muss ein wiederum höheres Gericht in 3. Instanz allerdings nur noch prüfen, ob alle Rechtsvorschriften richtig angewandt worden sind. Die Ausnahme stellt die Finanzgerichtsbarkeit dar, in dem Zweig existieren nur zwei Instanzen. Der Instanzenzug für die fünf Gerichtszweige gliedert sich wie folgt:

  • 1. Ordentliche Gerichtsbarkeit: Amtsgericht, Landgericht, Oberlandesgericht, Bundesgerichtshof;
  • 2. Arbeitsgerichtsbarkeit: Arbeitsgericht, Landesarbeitsgericht, Bundesarbeitsgericht;
  • 3. Finanzgerichtsbarkeit: Finanzgericht, Bundesfinanzhof (keine Mittelinstanz);
  • 4. Verwaltungsgerichtsbarkeit: Verwaltungsgericht, Oberverwaltungsgericht, Bundesverwaltungsgericht;
  • 5. Sozialgerichtsbarkeit: Sozialgericht, Landessozialgericht, Bundessozialgericht.

Prozesskosten

Prozesskosten sind die unmittelbaren Aufwendungen der Parteien für das Betreiben eines Rechtsstreits. Man unterscheidet bei den Prozesskosten zwischen Gerichtskosten und außergerichtlichen Kosten.


Im Bereich der ordentlichen Gerichtsbarkeit, Arbeits-, Finanz- und Verwaltungsgerichtsbarkeit gehören zu den Gerichtskosten die Gebühren des Gerichts selbst sowie die sog. Auslagen; die Kosten u.a. für Zeugen, Sachverständige wie auch die Kosten des Rechtsanwalts im gesetzlichen Rahmen bezüglich der Tätigkeit im gerichtlichen Verfahren. Zu den außergerichtlichen Kosten zählen vorrangig die Kosten des Rechtsanwalts im Vorfeld des gerichtlichen Verfahrens, des Gerichtsvollziehers und eigenen Auslagen der Partei.


Bei einem Finanzgerichtsverfahren werden zu den außergerichtlichen Kosten noch die Kosten des Vorverfahrens (Einspruchsverfahren beim Finanzamt) gezählt.


Im Verwaltungsgerichtsverfahrens zählen zu den außergerichtlichen Kosten noch die Kosten des Vorverfahrens, d.h. die Kosten eines dem verwaltungsgerichtlichen Verfahren vorausgegangenen Widerspruchsverfahrens.


Das Sozialgerichtsverfahren stellt einen Sonderfall dar. Regelmäßig ist das Verfahren vor den Sozialgerichten gerichtskostenfrei. Davon zu unterscheiden sind die außergerichtlichen Kosten (siehe oben). Außergerichtliche Kosten entstehen auch in einem Sozialgerichtsverfahren.


Kostentragungspflicht/Kostenerstattungspflicht

Nachdem zunächst die Frage geklärt wurde, welche Prozesskosten bei den einzelnen Gerichtszweigen entstehen, schließt sich in einem weiteren Schritt die Überlegung an, wer die Prozesskosten am Ende des gerichtlichen Verfahrens tragen muss.


Allgemeine Regeln für alle fünf Gerichtszweige

Das Gericht legt in seiner das Verfahren beendenden Entscheidung fest, wer die Prozesskosten des Verfahrens zu tragen hat. Prozesskosten, die in einem gerichtlichen Verfahren entstehen, sind die Gerichtskosten und die außergerichtlichen Kosten der Beteiligten des Verfahrens (siehe oben). Die Beklagte trägt die gesamten Verfahrenskosten einschließlich der beim Kläger entstandenen und erstattungsfähigen Kosten, wenn der Kläger mit seiner Klage insgesamt Erfolg hat. Dagegen muss der Kläger nicht nur seine eigenen Kosten, sondern auch die Gerichtskosten und die erstattungsfähigen Kosten der Beklagten tragen, wenn seine Klage insgesamt erfolglos bleibt. Gewinnt der Kläger in dem gerichtlichen Verfahren nur teilweise, so werden die Prozesskosten entweder verhältnismäßig geteilt oder gegeneinander aufgehoben.


Ausnahmen für einzelne Gerichtszweige

In den Arbeits-, Finanz- und Verwaltungsgerichtsverfahren gelten Ausnahmen, die von den allgemeinen Regeln (siehe oben) abweichen und nachstehend erläutert werden.


Die außergerichtlichen Kosten für die Hinzuziehung eines Rechtsanwalts werden im Verfahren vor dem Arbeitsgericht nicht erstattet; sie trägt daher jede Partei ohne Rücksicht auf den Ausgang des Verfahrens selbst. Der Ausschluss der Kostenerstattung gilt hingegen nicht für das Verfahren vor dem Landesarbeitsgericht und dem Bundesarbeitsgericht; dort gelten die allgemeinen Regeln (siehe oben).


Das Finanzamt trägt unabhängig vom Ausgang des Finanzgerichtsverfahrens entstehenden Aufwendungen immer selbst.


Bei einem Sozialgerichtsverfahren gilt der Grundsatz der Kostenfreiheit. Der Grundsatz der Kostenfreiheit sagt aus, das der Kläger im Fall des Prozessverlusts keine Gerichtskosten erstatten muss. Das gilt auch für die außergerichtlichen Kosten der Beklagten. Hinsichtlich der eigenen außergerichtlichen Kosten gelten die allgemeinen Regeln (siehe oben).


Durchschnittliche Verfahrensdauer

Auf die Frage, wieviel Zeit ein Gerichtsverfahren in Anspruch nimmt, gibt es keine allgemeinverbindliche Antwort.


Das Statistische Bundesamt erfasst die durchschnittliche Verfahrensdauer für die verschiedenen Gerichtszweige. In der Statistik werden die Zeiträume von 3 Monate bis 24 Monate (teilweise bis 36 Monate) ab Anhängigkeit eingeteilt. Für ein besseres Verständnis der abstrakten Zeiträume wird die durchschnittliche Verfahrensdauer am Beispiel des Zivilgerichtsverfahrens konkret dargestellt.


Die durchschnittliche Verfahrensdauer von Zivilsachen in den einzelnen Amtsgerichten aller Bundesländer liegt bei 4,8 Monaten und schwankte zwischen 2 und 9,9 Monaten. In den Landgerichten aller Bundesländer lag die durchschnittliche Verfahrensdauer bei 7,8 Monaten und schwankte zwischen 4,3 und 17,2 Monaten. Dabei war die durchschnittliche Dauer von Verfahren in 1. Instanz (8,7 Monate) länger als bei Verfahren in 2. Instanz (6,6 Monate).


In der konkreten Betrachtung ist die Verfahrensdauer der möglichen 3. Instanz (Revision) nicht berücksichtigt, was zu einer weiteren Verlängerung der Verfahrensdauer führen kann.


Einstweiliger Rechtsschutz

Einstweiliger Rechtsschutz wird in allen Gerichtszweigen gewährt. Allen Formen des einstweiligen Rechtsschutzes ist gemeinsam, dass sie keine endgültige Entscheidung treffen und die Schaffung vollendeter Tatsachen grundsätzlich nicht gestatten (Verbot der Vorwegnahme der Hauptsache). Sie sichern damit die Wirksamkeit und Umsetzbarkeit einer nachfolgenden Entscheidung im Hauptsacheverfahren. Einstweiliger Rechtsschutz kann nur so lange beansprucht werden, wie ein Recht in der Hauptsache geltend gemacht wird oder (noch) geltend gemacht werden kann. Im einstweiligen Rechtsschutz ist der Prüfungsmaßstab reduziert. Es erfolgt lediglich eine sog. summarische (überschlägige) Prüfung. Auch die Art der Darlegung weicht vom Hauptsacheverfahren ab. Das Gericht kann auch ohne mündliche Verhandlung oder sonstige Anhörung durch Beschluss entscheiden und Fristen abkürzen. Die Notwendigkeit zur Beschleunigung des Verfahrens lässt i.d.R. die Durchführung einer förmlichen Beweisaufnahme (Zeugenvernehmung, Ortsbesichtigung, Sachverständigengutachten) nicht zu. Entschieden wird auf der Basis des vorgetragenen oder bekannten Sachverhalts und der von dem Antragsteller glaubhaft gemachten Tatsachen.

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