Leistungsgruppen – Wer darf was behandeln und was ändert der Referentenentwurf?

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​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​veröffentlicht am 30​. September 2025


Leistungsgruppen bestimmen, welche nach § 108 SGB V zugelassenen Krankenhäuser welche Behandlungen anbieten dürfen. Maßgeblich sind dabei Ausstattung, Fachkompetenz und Qualität. Der Referentenentwurf des Krankenhausreformanpassungsgesetzes (KHAG) sieht eine Reduzierung der Leistungsgruppen, eine Ausweitung von Ausnahmen sowie eine stärkere Förderung von Kooperationen vor. Kliniken sollten das Gesetzgebungsverfahren aktiv verfolgen und sich auf Änderungen vorbereiten.


Die Krankenhausreform hat das deutsche Gesundheitswesen in Bewegung gebracht. Zentrales Element sind die sogenannten Leistungsgruppen, die darüber entscheiden, welche Krankenhäuser welche Behandlungen künftig erbringen dürfen. Damit sollen komplexe Eingriffe stärker konzentriert und die Qualität der Versorgung erhöht werden. Die Zuweisung von Leistungsgruppen ist dabei gesetzlich in § 6 KHG geregelt und erfolgt auf Grundlage der Qualitäts- und Strukturmerkmale nach § 135e°SGB V.

Voraussetzungen für die Leistungsgruppenzuweisung

Damit ein Krankenhaus eine Leistungsgruppe erhält, muss es die bundesweit e​inheitlich definierten Kriterien erfüllen:

  • Personelle Ausstattung: Fachärztinnen und Fachärzte in ausreichender Zahl und Qualifikation, spezialisiertes Pflegepersonal sowie regelmäßige Fort- und Weiterbildungsmaßnahmen
  • Sachliche Ausstattung: Vorhaltung der erforderlichen Geräte, u. a. OP-Säle, Intensivbetten, Notfallversorgung, Diagnostik- und Therapiegeräte, Labore und bildgebende Einrichtungen
  • Erbringung verwandter Leistungsgruppen: Um die Qualitätskriterien einer bestimmten Leistungsgruppe zu erfüllen, reicht es nicht aus, nur diese einzelne Leistung anbieten zu können; vielmehr muss das Krankenhaus auch ergänzende oder verwandte Leistungsgruppen vorhalten, die für eine sichere und qualitativ hochwertige Behandlung notwendig sind
  • Sonstige Struktur- und Prozessvoraussetzungen: Verbindliche Vorgaben des G-BA gem. §§ 135a ff. SGB V, bspw. Erfüllung der in § 6 PpUGV festgelegten Personaluntergrenzen

Das Bundesministerium für Gesundheit sollte eigentlich bis zum 31. März 2025 die Leistungsgruppen und deren Qualitätskriterien sowie Regelungen, wann die Qualitätskriterien durch Kooperation erfüllt werden können, durch Rechtsverordnung festlegen. Diese Rechtsverordnung liegt allerdings bis dato noch nicht vor, sodass sich die Leistungsgruppen und deren Qualitätskriterien aus der Anlage 1 zu § 135 e SGB V ergeben. 

Darüber hinaus hat das Krankenhaus noch weitere Qualitätsanforderungen zu erfüllen. Neues Qualitätskriterium ist insbesondere die Mindestvorhaltezahl für jede Leistungsgruppe.

Das Institut für Qualität und Wirtschaftlichkeit im Gesundheitswesen soll wissenschaftliche Empfehlungen und die Weiterentwicklung von Mindestvorhaltezahlen für die jeweiligen Leistungsgruppen erarbeiten und das Bundesministerium für Gesundheit legt die Mindestvorhaltezahlen der Leistungsgruppen durch Rechtsverordnung, die bis zum 31.12.2025 zu erlassen ist, fest. 

Der Nachweis der Erfüllung der o. g. Kriterien erfolgt gemäß § 109 Abs. 3a S. 2 SGB V gegenüber den Landesverbänden der Krankenkassen und den Ersatzkassen durch ein Gutachten des Medizinischen Dienstes, der die Strukturmerkmale der Krankenhäuser nach der Richtlinie des Medizinischen Bundes für Prüfungen zur Erfüllung von Qualitätskriterien der Leistungsgruppen und von OPS-Strukturmerkmalen nach § 275a Abs. 1 S. 1 Nr. 1 und 2 SGB V (LOPS-Richtlinie) prüft. Die LOPS-Richtlinie ist eine verbindliche Vorgabe des Medizinischen Dienstes und dient vor allem dazu, die neu eingeführten Leistungsgruppenprüfungen rechtssicher, einheitlich und transparent zu gestalten. Zudem führt sie diese zusammen mit den OPS-Strukturprüfungen, um Doppelprüfungen zu vermeiden und den Aufwand gering zu halten. Das MD-Gutachten zur Leistungsgruppenprüfung darf gemäß § 109 Abs. 3a S. 2 SGB V zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses nicht älter als zwei Jahre sein. Ab dem dritten Nachweis genügt ein Gutachten, das höchstens drei Jahre zurückliegt. 

Für den Fall, dass das Gutachten des MD bei Vertragsabschluss noch nicht vorliegt, eröffnet § 109 Abs. 3a S. 3 SGB V eine Übergangslösung: Das Krankenhaus kann die Erfüllung der Qualitätskriterien durch eine begründete Selbsteinschätzung belegen, sofern der Medizinische Dienst bereits mit der Prüfung beauftragt ist. Diese Selbsteinschätzung muss sich auf die von den Krankenkassen in Auftrag gegebenen Leistungsgruppen beziehen und nachvollziehbar darstellen, welche Qualitätsvorgaben nach Einschätzung des Krankenhauses erfüllt sind.

Wenn Krankenhäuser die Kriterien nicht erfüllen, sind gem. § 109 Abs. 3a S. 4 SGB V Ausnahmen möglich, wenn:

  • Dies zur Sicherstellung einer flächendeckenden Versorgung zwingend erforderlich ist und dies für die Leistungsgruppe nicht durch eine Rechtsverordnung nach § 135e Abs. 1 S. 1 Nr. 4 SGB V ausgeschlossen ist.
  • Zwingend erforderlich ist die Ausnahme dann, wenn ein anderes Krankenhaus mit der entsprechenden Leistungsgruppe nicht innerhalb einer Fahrzeit von 30 Minuten (Allgemeine Innere Medizin und Allgemeine Chirurgie) bzw. 40 Minuten (für alle übrigen Leistungsgruppen) mit einem Kraftfahrzeug erreichbar ist; vgl. § 6a Abs. 4 S. 3 KHG.

Die Ausnahme ist gemäß § 109 Abs. 3a S. 6 SGB V, § 6a Abs. 4 S. 4 KHG in der Regel auf drei Jahre begrenzt. Krankenhäuser, die als besonders versorgungsrelevant eingestuft sind, können in bestimmten Konstellationen auch dauerhaft eine Zuweisung erhalten, selbst wenn nicht alle Kriterien vorliegen; § 109 Abs. 3a S. S. 7 SGB V, § 6a Abs. 4 S. 5 KHG. 

Die Krankenhäuser können die Qualitätskriterien auch durch den Abschluss von Kooperationsverträgen mit anderen Krankenhäusern oder Leistungserbringern der vertragsärztlichen Versorgung erfüllen, wenn dies in dem jeweiligen Qualitätskriterium vorgesehen ist oder dies zur Sicherstellung der flächendeckenden Versorgung zwingend erforderlich ist. 

Die aktuelle Lage in den Bundesländern

Während der rechtliche Rahmen bundesweit gilt, zeigt sich bei der Umsetzung ein sehr unterschiedliches Bild.

Nordrhein-Westfalen ist Vorreiter bei der Krankenhausreform und hat das System der Leistungsgruppen bereits in den Krankenhausplan übernommen. Auch erste gerichtliche Entscheidungen zu den Leistungsgruppen gibt es hier schon.

Andere Bundesländer wie Brandenburg, Niedersachsen oder Sachsen-Anhalt haben erst in diesem Jahr die Antragsverfahren für die Zuweisung gestartet. Dort müssen Krankenhäuser ihre Unterlagen bei den zuständigen Landesbehörden einreichen und prüfen lassen, ob sie die Qualitätskriterien erfüllen.

Für die Kliniken bedeutet dies häufig Unsicherheit, welche Leistungsgruppen sie künftig zugewiesen bekommen und wie sich das auf ihr Leistungsspektrum auswirkt.

Der Referentenentwurf: Nachjustierung der Reform

Mit dem Krankenhausreformanpassungsgesetz (KHAG) will die neue Koalition im Bund nun auf die Kritik an der Krankenhausreform reagieren. Der Referentenentwurf wurde den Ländern und Verbänden am 5. August vorgelegt und die parlamentarische Beratung (erste Lesung, Ausschussberatungen, Abstimmung im Bundestag) steht noch aus. Vorgesehen sind insbesondere folgende Anpassungen:

  • 61 statt 65 Leistungsgruppen: Die Zahl der Gruppen wird leicht reduziert und stärker an die bereits in Nordrhein-Westfalen erprobte Struktur angepasst.
  • Erweiterte Ausnahmeregelungen: Das bisherige Fahrzeitkriterium (30/40 Minuten) soll entfallen; dies führt zu mehr Ermessensspielraum für die Länder. Zudem sollen Ausnahmen künftig auch möglich sein, wenn der Betrieb eines Krankenhauses vollständig oder teilweise eingestellt wird und die Zuweisung von Leistungsgruppen für die Umsetzung der Betriebseinstellung zwingend erforderlich ist. Diese Ausnahmen sollen in der Regel, wie derzeit auch schon, auf drei Jahre befristet sein, mit der Möglichkeit der Verlängerung.
  • Prüfungsvorrang für Kooperationen: Bevor ein Land eine Ausnahme erteilt, muss geprüft werden, ob die Qualitätsanforderungen nicht durch Zusammenarbeit mit anderen Kliniken erfüllt werden können.
  • Qualitätsvorgaben (§ 135e SGB V): Patientenorganisationen und der Medizinische Dienst Bund sollen künftig beratend an den Beratungen des Gemeinsamen Bundesausschusses teilnehmen. Außerdem werden Vorgaben flexibler, etwa durch die Möglichkeit, Belegärzte einzubeziehen oder Verfügbarkeitszeiten bei Tages- oder Nachtkliniken anzupassen.
  • Prüfungen durch den Medizinischen Dienst: Die Fristen für Prüfaufträge werden vorgezogen, Krankenhäuser müssen die Kassen informieren, wenn sie keine Bescheinigung über die Erfüllung der Kriterien erhalten, und sie können Prüfungen auch aktiv selbst anstoßen.

Übergangsregelung für bereits zugewiesene Leistungsgruppen

​Zudem sieht der Referentenentwurf vor, dass in Bundesländern, die bis zum 31. Dezember 2024 bereits Leistungsgruppen zugewiesen haben, diese Zuweisungen rechtswirksam bleiben und weiterhin als Grundlage für die Vergütung dienen. Für diese Länder gilt eine befristete Übergangsregelung bis zum 31. Dezember 2030. Praktisch relevant ist diese Regelung jedoch bisher ausschließlich für Nordrhein-Westfalen, da es bislang das einzige Bundesland ist, das die Krankenhausreform bereits umgesetzt hat und dank der Regelung sein Leistungsgruppensystem nicht direkt anpassen muss. 

Fazit und Empfehlung

Die Krankenhausreform befindet sich in einer entscheidenden Phase: Während die Länder mit der Umsetzung der bisherigen Vorgaben ringen, kündigt der neue Gesetzentwurf bereits weitere Anpassungen an.
Für die Kliniken bedeutet das, zweigleisig zu arbeiten: Sie müssen die aktuellen Verfahren im jeweiligen Bundesland aktiv vorantreiben und sich zugleich auf die kommenden Änderungen vorbereiten.

Der ursprünglich für den 10. September 2025 vorgesehene Kabinettsbeschluss wurde verschoben; eine Befassung ist nun frühestens im Oktober zu erwarten.

Wir unterstützen Sie gerne bei der Umsetzung, der Vorbereitung auf Prüfungen durch den Medizinischen Dienst und beraten zu allen Fragen rund um Leistungsgruppen, Kooperationen und Vergütung.



AUTORIN

​Franca Heuser

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