Folgen der Arbeitnehmerüberwachung: Schadenersatz wegen Observation durch einen Detektiv

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veröffentlicht am 13. Oktober 2017

 

Den Arbeitnehmer durch einen Detektiv observieren zu lassen, um hierdurch ein etwaiges Fehl­ver­hal­ten bei seiner Tätigkeit festzustellen, kann den Arbeitgeber zu nicht unerheblichen Schaden­er­satz­zah­lungen verpflichten.

 

 

So verurteilte das Landesarbeitsgericht Rheinland-Pfalz einen Arbeitgeber zur Zahlung einer Entschädigung in Höhe von 10.000 Euro.

 

Sachverhalt

Der Kläger war Vorsitzender des Betriebsrats in einem Werk der Beklagten und außerdem Vorsitzender des Gesamtbetriebsrats. Die Beklagte hatte den Kläger bis zu den Betriebsratswahlen im Jahr 2014 in der vorherigen Wahlperiode freiwillig vollständig von seiner beruflichen Tätigkeit freigestellt, obwohl die gesetzliche Mindest­staffel des § 38 Abs. 1 Betriebsverfassungsgesetz (BetrVG) nicht erreicht war. Seit der Neuwahl im Jahr 2014 war sie hierzu nicht mehr bereit.

   

Die Parteien stritten in der Folge darüber, ob die Beklagte verpflichtet ist, den Kläger weiterhin vollständig von der beruflichen Tätigkeit freizustellen. Der Kläger gab an, seine Betriebsratstätigkeit habe ein Ausmaß angenommen, dass er trotz Nichtvorliegens der Grenzzahlen des § 38 BetrVG von seiner beruflichen Tätigkeit freigestellt werden müsse. Die Beklagte bezweifelte die Richtigkeit der Angaben des Klägers und erhob den Verdacht, die Zeiten der Betriebsratsarbeit für etwas anderes verwendet zu haben. Das wollte sie überprüfen lassen und beauftragte hierfür eine Detektei zur Mitarbeiterüberwachung.
 

Diese obervierte den Kläger während eines Zeitraums von etwa 4 Wochen und stellte der Beklagten hierfür Rechnungen in Höhe von fast 40.000 Euro. Die Observation soll nur zu den Arbeitszeiten des Klägers stattgefunden und den privaten Lebensbereich des Klägers nicht tangiert haben. Bei den Observationen sollen weder Telefonate abgehört, noch E-Mails abgefangen bzw. Foto- oder Filmaufnahmen gemacht oder ein Bewegungsprofil des Klägers erstellt worden sein.
 

Der Kläger erfuhr von der Observation durch einen anonymen Hinweis von der Mitarbeiterüberwachung und verklagte die Beklagte auf Zahlung einer Entschädigung wegen schwerer Verletzung seines Persönlichkeitsrechts. Die Höhe der Entschädigung stellte er in das Ermessen des Gerichts. Das Arbeitsgericht Kaiserslautern hat die Klage mit der Begründung abgewiesen, dass eine schwere Verletzung des Persönlichkeitsrechts unter den dargestellten Umständen der Observation (Arbeitszeit, keine Filmaufnahmen o.ä.) nicht erkennbar sei. Letztlich sei der Kläger nicht mehr beeinträchtigt worden, als hätte die Beklagte einen Vorgesetzten oder Kollegen aufgefordert, ein Auge auf den Kläger zu haben. Das Landesarbeitsgericht (Urteil vom 27. April 2017, Az.: 5 Sa 449/16) hat das Urteil auf die Berufung des Klägers abgeändert und die Beklagte zur Zahlung einer Entschädigung in Höhe von 10.000 Euro verurteilt.
 

Entscheidung des Landesarbeitsgerichts

Das Landesarbeitsgericht nahm unabhängig von den Umständen der Observation eine schwere Verletzung des Persönlichkeitsrechts des Klägers an, die schon aus der heimlich veranlassten Observation an sich resultiere. Bei einem Rechnungsbetrag von fast 40.000 Euro für eine Dauer von 20 Arbeitstagen bei einem Stundensatz von 69 Euro müsse der Kläger viele Stunden von mehreren Detektiven überwacht worden sein. Eine entsprechend intensive Observation durch Strafverfolgungsbehörden steht unter Richtervorbehalt und auch wenn die Bestimmungen nicht ohne weiteres auf das Verhältnis zwischen Privatparteien übertragen werden können, könne dem Arbeitgeber zumindest kein viel weitergehender Eingriff zugestanden werden.
 

Hinzu komme vorliegend, dass die Beklagte bereits ein arbeitsgerichtliches Beschlussverfahren gegen den Kläger eingeleitet hatte – mit dem Ziel, feststellen zu lassen, dass sie nicht verpflichtet ist, den Kläger vollständig von seiner beruflichen Tätigkeit freizustellen. Erst danach beauftragte sie die Detektei mit der Observation des Klägers, obwohl es für eine heimliche Überwachung parallel zu dem arbeitsgerichtlichen Beschlussverfahren keine hinreichende Rechtfertigung gab. Nicht zuletzt verstoße die Überwachung des Klägers gegen § 78 S. 1 BetrVG. Bloße Zweifel an der Richtigkeit der Angaben des Klägers zum Ausmaß seiner Betriebsratstätigkeit könnten ohne hinreichenden Anlass eine solche – im Einzelfall u.U. zulässige – Observation nicht rechtfertigen.
 

Der Schadensersatzanspruch des Klägers wegen schwerer Verletzung des Persönlichkeitsrechts resultiert aus § 823 Abs. 1 BGB. Anders als beim Schmerzensgeld soll in diesen Fällen die Genugtuung des Opfers im Vordergrund stehen und die Entschädigung zugleich der Prävention dienen. Das Gericht hielt vorliegend eine Entschädigung in Höhe von 10.000 Euro für angemessen und ausreichend, um den Gesichtspunkten der Genugtuung und Prävention hinreichend Rechnung zu tragen. Insbesondere die Dauer der Intensität, die das Landesarbeitsgericht dem Rechnungsbetrag von 40.000 Euro entnahm, gebiete die Festsetzung eines fühlbaren Entschädigungsbetrages, von dem ein „echter Hemmungseffekt” ausgeht.
 

Fazit

Wie wohl auch sonst im Leben scheint auch im Recht alles teurer zu werden. Die dem Kläger zugesprochene Entschädigung in Höhe von 10.000 Euro ist in Anbetracht der im deutschen Recht üblicherweise zugesprochenen Schadensersatz- bzw. Schmerzensgeldansprüche beachtlich. Eine Entwicklung hin zu umfangreicheren Schadensersatzansprüchen ist bspw. auch bei der Datenschutzgrundverordnung zu beobachten, die künftig den Kreis der zu Schadenersatz Verpflichteten, der Ersatzberechtigten sowie der zu ersetzenden Schäden erweitert. Die gegen das Urteil des Landesarbeitsgerichts Rheinland-Pfalz erhobene Nichtzulassungsbeschwerde hat das Bundesarbeitsgericht (Az.: 8 AZN 536/17) jedenfalls verworfen.   
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