Pillar 2: Gesetzentwurf im Bundestag beschlossen – Neue Safe Harbours

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veröffentlicht am 11. Dezember 2023 | Lesedauer ca. 6 Minuten



Update: Durch den Beschluss des Bundesrates am 15. Dezember 2023 und die Verkündung des Gesetzes im Bundesgesetzblatt am 27. Dezember 2023 wurde das deutsche Gesetzgebungsverfahren abgeschlossen. Zum Überblick über das Gesetz »


Am 10. November 2023 hat der Bundestag in dritter Lesung den Gesetzentwurf zur Umsetzung der globalen Mindestbesteuerung in der Form der Beschlussempfehlungen des Finanzausschusses beschlossen. Im Mindeststeuergesetz (MinStG) finden sich neben einigen redaktionellen Änderungen auch wesentliche materielle Änderungen im Vergleich zum Regierungsentwurf vom 16. August 2023. Insbesondere wurden weitere Safe Harbour Regelungen entsprechend der Vorgaben der OECD ergänzt. Nun steht noch der Beschluss im Bundesrat aus.


 

Hintergrund

Im August 2023 wurde der Regierungsentwurf zum Mindestbesteuerungsrichtlinie-Umsetzungsgesetz vom Bundeskabinett beschlossen. Der nun am 10. November 2023 in dritter Lesung erfolgte Beschluss im Bundestag stellt einen weiteren wichtigen Meilenstein im Gesetzgebungsverfahren zur deutschen Umsetzung der globalen Mindeststeuer dar. Dem Beschluss liegt der Gesetzentwurf in der Fassung der Beschluss­empfeh­lungen des Finanzausschusses vom 8. November 2023 zugrunde. 

Mit dem im Gesetzentwurf enthaltenen MinStG soll die RICHTLINIE (EU) 2022/2523 DES RATES zur Gewähr­leistung einer globalen Mindestbesteuerung für multinationale Unternehmensgruppen und große inländische Gruppen in der Union vom 14. Dezember 2022 umgesetzt werden (mehr zur Richtlinie). Die Anwendung der deutschen Mindeststeuer ist erstmalig für Geschäftsjahre mit Beginn nach dem 30. Dezember 2023 vorgesehen (für die sog. Sekundärergänzungssteuerregelung erstmalig für Geschäftsjahre mit Beginn nach dem 30. Dezember 2024).


Inhalt des beschlossenen Gesetzentwurfs

Da der Gesetzentwurf zum MinStG in der Form der Beschlussempfehlungen des Finanzausschusses mehrere neue Paragraphen aufweist, verschiebt sich ab § 28 die Nummerierung der Paragraphen im Vergleich zum Regierungsentwurf. Die wichtigsten materiellen Änderungen im MinStG im Vergleich zum Regierungsentwurf betrachten wir im Folgenden genauer. Die im Gesetzentwurf enthaltenen Ergänzungen im MinStG ergeben sich insbesondere aus den von der OECD im Juli 2023 veröffentlichten Administrativen Leitlinien. Das von der OECD bereits im Februar 2023 veröffentlichte erste Paket Administrativer Leitlinien wurde in weiten Teilen bereits im Regierungsentwurf übernommen. Hinsichtlich der anderen Steuergesetze ergeben sich hingegen keine materiellen Änderungen, sodass u.a. die vorgesehene Absenkung der Niedrigsteuergrenze bei der Hinzurechnungsbesteuerung erhalten bleibt. 


Nr.
​Die jüngsten Neuerungen im Gesetzentwurf
1.
​Neue Safe Harbour Regelungen:
  • Mit den §§ 79 und 80 wird ein (dauerhafter) Safe Harbour für vereinfachte Berechnungen neu aufgenommen, der auf den OECD Leitlinien für Safe Harbour-Regelungen und Sanktions­erleichterungen aus Dezember 2022 basiert.
    • Systematisch regelt § 79 die generellen Voraussetzungen für die Inanspruchnahme des Safe Harbours. Der Paragraph ermöglicht es, dass der Steuererhöhungsbetrag in einem Steuer­hoheits­gebiet auf 0 Euro fest­gesetzt wird, wenn einer von drei Tests erfüllt ist. Diese Tests basieren auf vereinfachten Berechnungs­maßgaben für die Einkommens-, Umsatz- und Steuer­berechnungen, sodass eine Anwendung der kom­plexen Mindeststeuerregeln entfällt. Die drei Tests sind der Routinegewinn-Test, der Wesentlichkeits­grenze-Test und der Effektiv­steuersatz-Test. Der erste Test ist für ein Steuerhoheitsgebiet erfüllt, wenn der vereinfacht berechnete Mindeststeuer-Gewinn nicht den substanzbasierten Freibetrag übersteigt. Der zweite Test ist erfüllt, wenn sowohl der vereinfacht berechnete durchschnittliche Mindest­steuer-Gesamtumsatz weniger als 10 Mio. Euro als auch der Mindeststeuer-Gesamtgewinn weniger als 1 Mio. Euro beträgt. Der dritte Test ist erfüllt, wenn der vereinfacht berechnete effektive Steuersatz in dem Steuerhoheitsgebiet mindestens 15 Prozent beträgt.
    • Die vereinfachten Berechnungsmaßgaben für die Anwendung der Tests sollen vom Inclusive Framework noch in gesonderten administrativen Leitlinien veröffentlicht werden. Daher sind im Gesetzentwurf noch keine Details zu den vereinfachten Berechnungsmaßgaben enthalten. Es ist zu erwarten, dass diese im weiteren Gesetzgebungsverfahren noch ergänzt bzw. zu einem späteren Zeitpunkt durch Öffnungsklauseln Einzug finden werden. Die vorgesehenen Tests weisen systematisch wesentliche Parallelen zu den befristeten Safe Harbours (nunmehr § 84) auf, die allerdings – statt vereinfachter Berechnungen nach GloBE Grundsätzen – auf CbCR-Daten abstellen.
    • In § 80 sind Besonderheiten für die Anwendung des Safe Harbours für vereinfachte Berech­nungen speziell bei unwesentlichen Geschäftseinheiten geregelt. Unwesentliche Geschäfts­einheiten sind solche, die auf­grund von Wesentlichkeitserwägungen für das Geschäftsjahr nicht in einen Konzernabschluss einbezogen worden sind. Ein Safe Harbour für vereinfachte Berechnungen bei unwesentlichen Geschäftseinheiten war schon im Regierungsentwurf enthalten. Diese Vorschrift ist somit nun im neuen § 80 aufgegangen. Es wird geregelt, dass bei unwesentlichen Geschäftseinheiten auch nach Ende der befristeten Safe Harbours weiterhin die vereinfachten Berechnungen auf Grundlage des länderbezogenen Berichts (CbCR) erfolgen.
  • Ein Safe Harbour bei anerkannter nationaler Ergänzungssteuer war auch schon im Regierungs­entwurf enthalten. Dieser wird nun im Gesetzentwurf in § 81 (bisher § 77) konkretisiert. Dem­nach kann auf Antrag der Steuererhöhungsbetrag für einen Teil der Unternehmensgruppe auf 0 Euro reduziert werden, wenn im relevanten Steuerhoheitsgebiet für das Geschäftsjahr eine anerkannte nationale Ergänzungssteuer erhoben wird. Dies gilt, wenn die Steuererhebung den festgelegten Rechnungslegungs-, Konsistenz- und Adminis­trations­standards entspricht. Ergänzt wurden Ausnahmetatbestände, die dazu führen, dass der Safe Harbour in bestimmten Fällen nicht anwendbar ist.
  • In § 89 wird ein neuer temporärer Sekundärergänzungssteuerbetrag-Safe Harbour aufge­nommen, der auf den Administrativen Leitlinien der OECD aus Juli 2023 basiert. Demnach kann der Sekundärer­gänzungs­steuer­betrag in dem Steuerhoheitsgebiet der obersten Mutter­gesell­schaft auf 0 Euro reduziert werden, wenn in dem Steuerhoheitsgebiet ein Körperschaft­steuer­satz von mindestens 20 Prozent vorliegt. Der Safe Harbour gilt übergangsweise für Geschäfts­jahre, die am oder vor dem 31. Dezember 2025 beginnen und vor dem 31. Dezember 2026 enden.
  • Mit der Einfügung eines neuen § 99 Abs. 4 wird eine Öffnungsklausel ergänzt. Diese soll die zukünftige Umsetzung weiterer Safe Harbour Regelungen ermöglichen. Es ist vorgesehen, dass die rechtssichere Umsetzung der künftig vom Inclusive Framework der OECD angenommenen Administrativen Leitlinien im Zusammenhang mit Safe Harbours auch durch eine Rechtsver­ordnung erfolgen kann.
2.
​In § 54 wird hinsichtlich der Ermittlung des Steuererhöhungsbetrags klargestellt, dass eine QDMTT, die von der Unternehmensgruppe direkt oder indirekt in einem gerichtlichen oder adminis­trativen Verfahren angefochten wird, bei der Ermittlung des Steuererhöhungsbetrags nicht als QDMTT berücksichtigt wird. Dies zumindest dann nicht, wenn die Anfechtung auf verfassungsrechtlichen oder anderen rechtlichen Gründen beruht.
​3.

​Eine weitere Ergänzung findet sich in der Regelung zum substanzbasierten Freibetrag (nunmehr §§ 59, 60). Hintergrund ist die auf Ebene der OECD diskutierte Behandlung von Fällen, in denen Mitarbeiter zeitweise außerhalb des Steuerhoheitsgebiets des Arbeitgebers arbeiten oder materielle Vermögenswerte außerhalb des Steuerhoheitsgebiets der Geschäftseinheit genutzt werden. In § 59 wird der vereinfachte Ansatz aus den Administrativen Leitlinien der OECD umgesetzt. Demnach sind Mitarbeiter bzw. Vermögenswerte vollständig einer Geschäftseinheit zuzurechnen, wenn

  • Mitarbeiter zu mehr als 50 Prozent der Arbeitszeit in dem Steuerhoheitsgebiet des Arbeitgebers der Geschäftseinheit tätig sind bzw.
  • ein materieller Vermögenswert zu mehr als 50 Prozent in dem Steuerhoheitsgebiet der Geschäfts­einheit genutzt wird.
  • Wenn sich ein Mitarbeiter oder ein materieller Vermögenswert zu weniger als 50 Prozent der Zeit in einem Steuerhoheitsgebiet befindet, hat die Geschäftseinheit nur Anspruch auf die Berück­sichtigung eines proportionalen Anteils der Lohnkosten bzw. materiellen Vermögenswerte.
​4.

​Der neu eingefügte § 97 enthält Regelungen zur Währungsumrechnung in Fällen, in denen der Konzern­abschluss nicht in Euro aufgestellt wird. In diesen Fällen sind auf Euro lautende Beträge des MinStG zum Devisenkurs der EZB des letzten Monats des dem Geschäftsjahr vorangehenden Kalenderjahrs umzurechnen. Sofern der Steuererhöhungsbetrag (Primärergänzungssteuerbetrag, Sekundärergänzungssteuerbetrag oder nationale Ergänzungssteuer) nicht in Euro ermittelt wird, hat eine Umrechnung zum Devisenkurs der EZB des letzten Monats des Geschäftsjahrs in Euro zu erfolgen.

​5.
​In den §§ 27, 28 finden sich Ergänzungen bzw. Neuregelungen in Bezug auf sogenannte steuerliche Zulagen. Steuerliche Zulagen im Sinne des MinStG sind bestimmte steuerliche Anreize in Form von Steuergutschriften, Steuerbefreiungen oder -ermäßigungen, die das Ziel verfolgen, Inves­titionen von Unternehmen in Bereiche wie Forschung und Entwicklung oder Umweltschutz zu fördern. 
  • In § 27 Abs. 1 wurde die Regelung zur Berücksichtigung anerkannter steuerlicher Zulagen konkretisiert. Anerkannte steuerliche Zulagen sind solche, die in der Regel innerhalb von vier Jahren erstattungsfähig sind, und zwar unabhängig vom tatsächlichen Bestehen einer Steuer­schuld. Schon im Regierungsentwurf wurde geregelt, dass anerkannte steuerliche Zulagen im Rahmen der Mindeststeuer als Erträge zu behandeln sind. Nunmehr wird klargestellt, dass die Berücksichtigung von anerkannten steuerlichen Zulagen zeitlich konkret im Geschäftsjahr der Anspruchserfüllung zu erfolgen hat. Außerdem wurde eine spezifische Regelung hinzugefügt, die es erlaubt, solche Zulagen im Zusammenhang mit Vermögenswerten unter bestimmten Voraussetzungen über deren Nutzungsdauer zu verteilen.
  • Der neu eingefügte § 28 enthält Regelungen zur Behandlung von marktfähigen und über­trag­baren steuer­lichen Zulagen im Rahmen der Mindeststeuer. Die Kriterien für Marktfähigkeit und Übertragbarkeit werden in § 28 Abs. 3 definiert. Vereinfacht gesprochen können marktfähige und übertragbare steuerliche Zulagen im Allgemeinen zur Zahlung von Einkommensteuern verwendet oder an andere Personen verkauft werden, wobei die Erlöse zur Zahlung der Ein­kommensteuern oder anderer Ausgaben verwendet werden können. Gem. § 28 gelten für marktfähige übertragbare steuerliche Zulagen die gleichen Grundsätze wie für die anerkannten steuerlichen Zulagen nach § 27.
​6.
​Der neu eingefügte § 29 enthält Regelungen zur Behandlung steuerlicher Vorteile bei Beteili­gungen an bestimm­ten steuertransparenten Einheiten, wenn das Wahlrecht nach § 39 (Steuer­pflicht von Gewinnen oder Verlusten bei Eigenkapitalbeteiligungen) ausgeübt wird. Anerkannte Beteiligungen werden in § 29 Abs. 3 definiert. Eine anerkannte Beteiligung ist demnach eine Beteiligung an einer steuertransparenten Einheit, die nicht in den Konzernabschluss der Unternehmensgruppe des Beteiligungsbesitzers einbezogen wird, deren erwartete Gesamtrendite zum Zeitpunkt des Investitionsbeginns negativ ist und bei der ein beträchtlicher Teil des Invest­ments in Form nicht anerkannter steuerlicher Zulagen vergütet wird. Es wird geregelt, dass bestimmte Steuervorteile, die durch eine anerkannte Beteiligung über eine steuertransparente Struktur zufließen (bspw. verrechenbare steuerliche Verluste), grundsätzlich bei der Berechnung der angepassten erfassten Steuern des Inhabers hinzugerechnet werden, sofern sie die angefallenen erfassten Steuern vermindert haben. 

Auch im HGB sind (wenige) Konkretisierungen und Ergänzungen vorgesehen: 
  • In § 274 HGB wird hinsichtlich der latenten Steuern klargestellt, dass Differenzen aus der Anwendung des (deutschen oder ausländischen) MinStG nicht nur beim erstmaligen Ansatz latenter Steuern, sondern auch bei der Bewertung schon gebildeter latenter Steuern nicht berücksichtigt werden dürfen.
  • In § 285 HGB ist eine Klarstellung bezüglich der Berichterstattung zur Mindeststeuer im Jahresabschluss vorgesehen. Demnach tritt die Pflicht zur Erläuterung der Auswirkungen des (deutschen oder ausländischen) MinStG auf die Kapitalgesellschaft nicht zusätzlich zu der Angabepflicht des zu erwartenden Steuer­auf­wands oder Steuerertrags hinzu. Letztere Angabe ist vielmehr nur erforderlich, wenn das entsprechende MinStG noch nicht in Kraft getreten ist.

Fazit

Durch den Beschluss des Gesetzentwurfs im Bundestag wurde ein weiterer Meilenstein im Gesetzgebungs­verfahren zur deutschen Umsetzung der globalen Mindeststeuer gesetzt. Positiv zu bewerten ist, dass durch die Umsetzung weiterer Safe Harbours entsprechend der OECD Vorgaben weitere Erleichterungen geschaffen werden. Nach aktuellem Zeitplan soll der Gesetzentwurf am 15. Dezember 2023 im Bundesrat beschlossen werden. Die Zeichen stehen somit gut, dass das Gesetzgebungsverfahren wie geplant noch Ende des Jahres abgeschlossen werden kann.
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