Pillar 2: Regierungsentwurf beschlossen – Ausnahme von der Bilanzierung latenter Steuern und Beibehaltung der Lizenzschranke

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veröffentlicht am 31. August 2023 | Lesedauer ca. 6 Minuten



Update: Durch den Beschluss des Bundesrates am 15. Dezember 2023 und die Verkündung des Gesetzes im Bundesgesetzblatt am 27. Dezember 2023 wurde das deutsche Gesetzgebungsverfahren abgeschlossen. Zum Überblick über das Gesetz »


Am 16. August 2023 hat das Bundeskabinett den Regierungsentwurf zur Umsetzung der globalen Mindestbesteuerung beschlossen. Neben einigen redaktionellen Än­derungen finden sich sowohl im Mindeststeuergesetz (MinStG), das den Kern des Regierungsentwurfs bildet, als auch in anderen Steuergesetzen wesentliche materielle Änderungen im Vergleich zum Referentenentwurf vom 7. Juli 2023. Ferner sieht der Regierungsentwurf erstmals auch Neuregelungen im HGB die Bilanzierung latenter Steuern betreffend vor.

HINTERGRUND

Mit dem im Referentenentwurf enthaltenen MinStG soll die RICHTLINIE (EU) 2022/2523 DES RATES zur Ge­währ­leis­tung einer globalen Mindestbesteuerung für multinationale Un­ter­neh­mens­­grup­pen und große in­län­di­sche Gruppen in der Union vom 14. Dezember 2022 um­ge­setzt werden (mehr zur Richtlinie). Der Re­gie­rungs­ent­wurf sieht die Anwendung der deutschen Mindeststeuer erstmalig für Geschäftsjahre mit Beginn nach dem 30. Dezember 2023 vor (für die sog. Sekundärergänzungssteuerregelung erstmalig für Geschäftsjahre mit Beginn nach dem 30. Dezember 2024).


INHALT DES REGIERUNGSENTWURFS

Im Juli 2023 veröffentlichte das Bundesministerium für Finanzen einen Referentenentwurf zum Min­dest­be­steuer­ungs­richt­li­nie-Umsetzungsgesetz, der auf den im März 2023 veröffentlichten Diskussionsentwurf folgte. Der nun vom Bundeskabinett beschlossene Regierungsentwurf sieht hinsichtlich des MinStG einige re­dak­tio­nelle Anpassungen und mehrere punktuelle materielle Ergänzungen vor. Zu einer Übersicht über die schon aus dem Referentenentwurf bekannten Regelungen des MinStG gelangen Sie hier. Da der Regierungsentwurf zum MinStG einen neuen Paragraphen aufweist, verschiebt sich ab § 17 die Nummerierung der Paragraphen im Vergleich zum Referentenentwurf.


Wesentliche materielle Änderungen sieht der Regierungsentwurf darüber hinaus auch in anderen Steuer­ge­setzen vor. Hier wurden die noch im Referentenentwurf vorgesehenen Erleichterungen teils wieder ab­ge­schwächt oder sogar gänzlich gestrichen. Neue Erleichterungen sieht der Regierungsentwurf hingegen im HGB betreffend der Bilanzierung latenter Steuern infolge der Mindeststeuer vor.  


Die wichtigsten Änderungen im Vergleich zum Referentenentwurf betrachten wir im Folgenden genauer. 


MINDESTSTEUERGESETZ

Die im Regierungsentwurf enthaltenen Ergänzungen im MinStG ergeben sich insbesondere aus den von der OECD im Februar 2023 veröffentlichten Administrativen Leitlinien:
  • Der neu eingefügte § 17 regelt, dass Finanzinstrumente beim Emittenten und beim Inhaber einheitlich als Eigenkapital oder als Fremdkapital einzustufen sind. Sofern eine abweichende Klassifizierung beim Emittenten und Inhaber vorliegt, ist die Klassifizierung des Emittenten für den Inhaber maßgebend. Der Hintergrund dieser Regelung liegt in der Vermeidung von asymmetrischen Ergebnissen, die durch un­ter­schied­li­che Klassifizierungen desselben Finanzinstruments unter den jeweils anwendbaren Rech­nungs­le­gungs­stan­dards entstehen könnten. Betroffen sind vor allem hybride Finanzinstrumente, die Eigenschaften sowohl des Eigen- als auch des Fremdkapitals aufweisen.
  • Bei Geschäftseinheiten, die in dem gleichen Steuerhoheitsgebiet einem gemeinsamen Gruppen­be­steu­erungs­re­gime angehören, wird – wie auch schon im Referentenentwurf – gem. § 35 das Wahlrecht eröffnet, bei Geschäftsvorfällen zwischen den betreffenden Geschäftseinheiten die Aufwendungen und Erträge einheitlich nach den Konsolidierungsgrundsätzen der Muttergesellschaft zusammenzufassen. Dieses Wahlrecht ist in Deutschland relevant für die körperschaftsteuerliche Organschaft. Im Referentenentwurf setzte das Wahlrecht eine einheitliche Ausübung nur bei den tatsächlich dem Gruppenbesteuerungsregime unterliegenden Geschäftseinheiten innerhalb des Steuerhoheitsgebiets voraus. Der Regierungsentwurf erfordert im Gegensatz dazu nun die einheitliche Ausübung des Wahlrechts für alle – d.h. auch die nicht dem Gruppenbesteuerungsregime unterliegenden – Geschäftseinheiten des Steuerhoheitsgebietes. Nicht mehr enthalten ist ferner die Regelung, dass das Ausscheiden einer Geschäftseinheit innerhalb von 5 Jahren un-schädlich für die Ausübung des Wahlrechts ist. All das stellt eine Verschärfung der Mindeststeuerregeln bei körperschaftlichen Organschaften dar
  • In § 4 wird hinsichtlich des Umfangs der Unternehmensgruppe eine neue Regelung aufgenommen, wonach Staatsfonds, d.h. staatliche Einheiten, deren Hauptzweck in der Vermögensverwaltung der öffentlichen Hand besteht, keine obersten Muttergesellschaften sein können. Damit werden Beteiligungsstrukturen, die über einen Staatsfond gehalten werden, wie eine Direktbeteiligung der öffentlichen Hand behandelt. Dadurch soll vermieden werden, dass indirekt gehaltene, staatseigene Gruppen, die ansonsten nicht die konsolidierte Umsatzschwelle von 750 Mio. Euro erreichen würden, nur deswegen in den Anwendungsbereich der Min­dest­steuer­re­geln fallen, weil sie von einem Staatsfonds anstatt direkt von der öffentlichen Hand gehalten werden.
  • In § 5 werden sog. qualifizierte Tochtergesellschaften in die Liste der ausgeschlossenen Einheiten aufgenommen. Eine qualifizierte Tochtergesellschaft liegt vor, wenn 100 Prozent der Eigenkapitalanteile der Tochtergesellschaft im gesamten Geschäftsjahr von einer sog. Organisation ohne Erwerbszweck (§ 5 Abs. 1 Nr. 3) gehalten werden. Ferner setzt die Qualifikation als qualifizierte Tochtergesellschaft voraus, dass im Geschäftsjahr die Summe der Umsatzerlöse der Unternehmensgruppe exkl. bestimmter ausgeschlossener Einheiten zwei gesetzlich festgelegte Schwellen nicht überschreitet. Eine ausgeschlossene Einheit unterliegt nicht der Mindeststeuer. Ebenso wie bei anderen ausgeschlossenen Einheiten sind die Umsatzerlöse qualifizierter Tochtergesellschaften jedoch bei der Prüfung des Anwendungsbereichs der Mindeststeuerregeln und somit der konsolidierten Umsatzschwelle von 750 Mio. Euro zu berücksichtigen. Jedenfalls, sofern die Umsätze der qualifizierten Tochtergesellschaft im Konzernabschluss mit dem Rest der Unternehmensgruppe konsolidiert werden.
  • In § 15 wird ergänzt, dass Aufwendungen und Erträge, die sich bei einem Unternehmenszusammenschluss aus der Anwendung der Erwerbsmethode und somit aus der Anpassung des Buchwerts von Ver­mö­gens­wer­ten und Schulden ergeben (sog. push down accounting), bei der Ermittlung des Mindeststeuer-Gewinns außer Acht gelassen werden. Hintergrund der grundsätzlichen Nichtberücksichtigung der Anpassungen des Buchwerts aufgrund der Erwerbsmethode ist, dass diese Anpassungen regelmäßig nicht die tatsächliche wirtschaftliche Leistungsfähigkeit des Unternehmens widerspiegeln. Die Nichtberücksichtigung gilt aus Vertrauensschutzgründen jedoch nicht, wenn der Beteiligungserwerb vor dem 1. Dezember 2021 statt­ge­fun­den hat und es für die Unternehmensgruppe nicht möglich ist, den Mindeststeuer-Jahresüberschuss ohne die Anpassungen der Erwerbsmethode zu ermitteln.
  • § 16 sieht bei grenzüberschreitenden konzerninternen Geschäftsvorfällen (Verrechnungspreis-)Korrekturen nach dem Fremdvergleichsgrundsatz vor. Grundsätzlich sind auch unilaterale Verrechnungspreiskorrekturen bei der Ermittlung des Mindeststeuer-Gewinns nachzuvollziehen. Im Regierungsentwurf wurde nun in § 16 eine neue Regelung ergänzt, wonach rein unilaterale Verrechnungspreiskorrekturen unter bestimmten Voraussetzungen im Rahmen der Mindeststeuer ausnahmsweise nicht nachzuvollziehen sind. Das ist dann der Fall, wenn sich die unilaterale Verrechnungspreiskorrektur auswirkt auf die Höhe des steuerpflichtigen Einkommens in einem Steuerhoheitsgebiet, dessen nominaler Steuersatz unter dem Mindeststeuersatz von 15 Prozent liegt. Die Nichtberücksichtigung unilateraler Verrechnungspreiskorrekturen soll auch dann gelten, wenn sich die unilaterale Verrechnungspreiskorrektur auswirkt auf die Höhe des steuerpflichtigen Ein­kommens in einem Steuerhoheitsgebiet, das in den beiden der Verrechnungspreiskorrektur vorangehenden Geschäftsjahren ein Niedrigsteuerhoheitsgebiet war. Ferner wird in § 16 nunmehr explizit klargestellt, dass der Fremdvergleichsgrundsatz auch angewendet werden muss auf rein nationale Geschäftsvorfälle zwischen in Minderheitsbesitz stehenden Geschäftseinheiten und anderen Geschäftseinheiten der Un­ter­neh­mens­gruppe. Hintergrund ist, dass in Minderheitsbesitz stehende Geschäftseinheiten nicht Teil der steuer­ho­heits­be­zo­genen Betrachtungsweise (jurisdictional blending) sind, sodass sich fremdvergleichswidrig zu hohe oder zu niedrige Einkünfte nicht schon allein durch das jurisdictional blending ausgleichen. Die o.g. Re­ge­lun­gen zum Fremdvergleichsgrundsatz waren im Referentenentwurf bislang nur in der Gesetzesbegründung enthalten.
  • Die Übergangsregelung bei untergeordneter internationaler Tätigkeit gemäß § 80 sieht grundsätzlich vor, dass bestimmte Unternehmensgruppen in den ersten fünf Jahren ihrer Tätigkeit von der Anwendung der Mindest­steuer­re­geln ausgenommen sind. Diese Regelung dient dazu, Unternehmensgruppen in der Anfangsphase ihrer internationalen Tätigkeit Erleichterungen zu gewähren. In § 80 wurde nun ein Ausnahmetatbestand ergänzt. Demnach findet die Übergangsregelung keine Anwendung für einen Primärergänzungssteuerbetrag (PES), soweit dieser auf einem von einer ausländischen niedrig besteuerten Geschäftseinheit zuzurech­nen­den Steuererhöhungsbetrag beruht.  
  • In § 91 wird klarstellend ergänzt, dass alle Geschäftseinheiten dem Steuererklärungspflichtigen (Gruppen­träger) zur Erteilung der für die Steuererklärungserstellung notwendigen Auskünfte verpflichtet sind.

ANDERE STEUERGESETZE
Die im Referentenentwurf vorgesehenen Erleichterungen in anderen Steuergesetzen sind im Regierungsentwurf nur noch teilweise enthalten. Folgende Änderungen ergeben sich im Vergleich zum Referentenentwurf: 
  • Gewerbesteuer: Die noch im Referentenentwurf vorgesehene Aufhebung des § 7 Satz 7-9 GewStG und somit die Aufhebung der Gewerbesteuerpflicht von AStG-Hinzurechnungsbeträgen ist im Regierungsentwurf nicht mehr enthalten. 
  • Einkommensteuer: Auch die im Referentenentwurf vorgesehene Aufhebung der Lizenzschranke gem. § 4j EStG ist im Regierungsentwurf weggefallen. Stattdessen soll analog der im Regierungsentwurf (wie auch schon im Referentenentwurf) vorgesehenen Absenkung der Niedrigsteuergrenze im AStG auch bei der Lizenzschranke die Niedrigsteuergrenze gem. § 4j Abs. 2 EStG auf 15 Prozent abgesenkt werden. Die Ab­senkung der Niedrigsteuergrenze soll Anwendung finden für Aufwendungen, die nach dem 31. Dezember 2023 entstehen.

  • HGB
    In den internationalen Rechnungslegungsstandards wurde mit IAS 12.4A bereits eine Ausnahme von der Bi­lan­zie­rung latenter Steuern aufgrund der Mindeststeuer aufgenommen. Analog hierzu soll nun auch im HGB eine entsprechende Regelung geschaffen werden:
  • In § 274 HGB soll demnach ebenfalls eine verpflichtende Ausnahme von der Bilanzierung latenter Steuern im Jahres- und Konzernabschluss geregelt werden. Das betrifft solche latenten Steuern, die sich aus dem deutschen oder einem ausländischen, der EU-Richtlinie bzw. den OECD-Mustervorschriften entsprechenden, MinStG ergeben. Hintergrund ist die Schaffung einer bilanziellen Vereinfachung bei der Einführung der Mindeststeuer. Sobald das International Accounting Standards Board (IASB) die derzeit als nur vor­über­ge­hend vorgesehene Ausnahmeregelung der IAS geprüft hat, soll auch die Ausnahme im HGB erneut bewertet werden.
  • Vor dem Hintergrund der Ausnahme von der Bilanzierung latenter Steuern soll eine gewisse Transparenz zumindest durch die Einführung neuer Angabepflichten im Anhang erreicht werden. Zum einen ist gem. einer Ergänzung der §§ 285, 314 HGB im Anhang des Jahres- bzw. Konzernabschlusses der tatsächliche Steuer­auf­wand bzw.  -ertrag der Mindeststeuer für das jeweilige Geschäftsjahr offenzulegen. Zum anderen sind im Anhang die qualitativen und ggf. quantitativen Auswirkungen der Mindeststeuer auf die Kapitalgesellschaft bzw. den Konzern darzulegen. Dabei ist mindestens qualitativ zu erläutern, inwieweit die Gesellschaft bzw. der Konzern von den Mindeststeuerregelungen betroffen ist. Die neuen Angabepflichten sind bereits an­zu­wen­den für alle Geschäftsjahre, die nach dem 30. Dezember 2023 enden. Betroffen sind bei einem dem Kalenderjahr entsprechenden Geschäftsjahr somit bereits Jahres- und Konzernabschlüsse des Geschäftsjahrs 2023. 

FAZIT

Durch den Beschluss des Regierungsentwurfs wurde ein weiterer Meilenstein im Gesetzgebungsverfahren zur deutschen Umsetzung der globalen Mindeststeuer gesetzt. Die Anpassungen des Regierungsentwurfs im Vergleich zum Referentenentwurf fallen jedoch eher ernüchternd aus, da wenig zusätzliche Klarheit hin­sicht­lich der vielen bestehenden offenen Zweifelsfragen und Anwendungsprobleme geschaffen wird.

Kritisch zu sehen ist insbesondere, dass wichtige Anliegen der Wirtschaft auch im Regierungsentwurf weiterhin unberücksichtigt bleiben. Dies betrifft die nach wie vor fehlenden Regelungen zur Behandlung von Son­der­be­triebs­ein­nahmen/-ausgaben und Ergänzungsbilanzen bei der Mitunternehmerbesteuerung. Weiterhin wäre es wünschenswert gewesen, die im Referentenentwurf vorgesehenen Erleichterungen durch die Abschaffung der Lizenzschranke sowie der Gewerbesteuerpflicht von AStG-Hinzurechnungsbeträgen auch im weiteren Ge­setz­ge­bungsverfahren beizubehalten. Positiv zu bewerten ist jedenfalls die durch die Anpassungen im HGB vorgesehene Ausnahme von der Bilanzierung latenter Steuern, die sich aus Differenzen zwischen Handels- und Steuerbilanz infolge der Mindeststeuer grundsätzlich ergeben würden. Das stellt eine wesentliche Er­leich­terung für die Steuerpflichtigen im Rahmen der Bilanzierung dar. Gleichwohl droht durch die neuen An­ga­be­pflich­ten im Anhang zusätzlicher Aufwand.

Der Zeitplan des BMF sieht aktuell vor, dass die Beratung im Finanzausschuss des Bundesrats am 14. Septem­ber 2023 sowie die Stellungnahme des Bundesrats am 29. September 2023 erfolgen soll. Die erste Lesung im Bundestag ist am 12. Oktober 2023, die zweite/dritte Lesung am 10. November 2023 anberaumt. Zur frist­gerechten Umsetzung der EU-Richtlinie muss das Gesetzgebungsverfahren bis spätestens Ende des Jahres abgeschlossen sein.
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