Anhebung der Schwellenwerte für die Bestimmung von rechnungslegungsbezogenen Größenklassen und größenabhängigen Befreiungen

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​zuletzt aktualisiert am 4. Januar 2024 | Lesedauer ca. 3 Minuten

  

Europarechtliche Vorgaben machen eine regelmäßige Überprüfung und Anpassung der Schwellenwerte der Richtlinie 2013/34/EU („Bilanz-Richtlinie") zur Bestimmung von Größenklassen und größenabhängigen Befreiungen in der Rechnungslegung von Kapitalgesellschaften und diesen gleichgestellten haftungsbeschränkten Personen­handels­gesell­schaften erforderlich, was nun zu einer Anhebung führt. Die ent­sprechende Änderung der Bilanz-Richtlinie sieht in Form eines Mitglied­staaten­wahl­rechts die Möglichkeit der Umsetzung bereits für ab oder nach dem 1. Januar 2023 beginnende Geschäftsjahre vor. Das Bundesministerium der Justiz (BMJ) hat nun die Absicht mitgeteilt, diese Option nutzen zu wollen. Daraus können sich grundsätzlich die intendierten Erleichterungen ergeben; bei der Umsetzung stellt sich für Unter­nehmen jedoch auch eine Reihe von praktischen Fragen. 

 

     

 

Hintergrund

Die Bilanz-Richtlinie sieht eine Pflicht der EU-Kommission zur Überprüfung der monetären Schwellenwerte und gegebenenfalls zu deren Anpassung durch einen delegierten Rechtsakt mindestens alle fünf Jahre vor. Dies zielt im Sinne der Vermeidung unverhältnismäßig hoher Bürokratiebelastung grundsätzlich darauf ab, materiell den Status quo zu wahren und somit zu verhindern, dass insbesondere Kleinst- und Kleinunternehmen allein aufgrund der Inflationsentwicklung unwillentlich den für größere Unternehmen geltenden strengeren Rechnungs­legungs­vorschriften sowie gegebenenfalls der Prüfungspflicht unterworfen werden.
  

Änderungen der Richtlinie 2013/34/EU durch Anpassung der Größenkriterien

Am 17. Oktober 2023 hat die EU-Kommission einen delegierten Rechtsakt zur Anhebung der Schwellenwerte für die Bestimmung der Größenklassen von Unternehmen und Gruppen erlassen. Die Regelungen sind drei Tage nach der Veröffentlichung dieser delegierten Richtlinie (EU) 2023/2775 im Amtsblatt der EU am 21. Dezember 2023 zum 24. Dezember 2023 in Kraft getreten. Damit werden die bisherigen monetären Schwellenwerte der Bilanzsumme und der Umsatzerlöse um 25 Prozent bis 28,6 Prozent angehoben. Ebenso werden die Schwellen­werte für die größenabhängige Befreiung von der Konzernrechnungslegungspflicht um 25 Prozent angehoben. Die maßgebliche Anzahl der Arbeitnehmer bleibt unverändert. Im Einzelnen ergeben sich die folgenden Anhebungen:


​Schwellenwerte (Euro)

​Kriterium
​De lege lata
​De lege ferenda

​Größenklassen

​Kleinstkapitalgesellschaften
​Bilanzsumme
​≤ 350.000
≤ 450.000
​   Umsatzerlöse
≤ 700.000
≤ 900.000
​Kleine Kapitalgesellschaften
​Bilanzsumme
≤ 6.000.000
≤ 7.500.000
​   Umsatzerlöse
≤ 12.000.000
≤ 15.000.000
​Mittelgroße Kapitalgesellschaften
​Bilanzsumme
≤ 20.000.000
≤ 25.000.000
  ​ Umsatzerlöse
≤ 40.000.000
≤ 50.000.000
​Große Kapitalgesellschaften
​Bilanzsumme
​> 20.000.000
​> 25.000.000
​   Umsatzerlöse
​> 40.000.000
​> 50.000.000

​Befreiung von der Konzernrechnungspflicht

​Konsolidiert
​Bilanzsumme
≤ 20.000.000
≤ 25.000.000
​   Umsatzerlöse
≤ 40.000.000
≤ 50.000.000
​Unkonsolidiert
​Bilanzsumme
≤ 24.000.000
≤ 30.000.000
​   Umsatzerlöse
≤ 48.000.000
≤ 60.000.000

Die Umsetzung der Richtlinie durch die Mitgliedsstaaten hat bis spätestens 24. Dezember 2024 zu erfolgen, wobei die geänderten Vorschriften verpflichtend auf Geschäftsjahre anzuwenden sind, die am oder nach dem 1. Januar 2024 beginnen. Abweichend davon dürfen die Mitgliedstaaten jedoch die Möglichkeit der rück­wir­kenden Anwendung der Vorschriften bereits auf Geschäftsjahre, die am oder nach dem 1. Januar 2023 beginnen, vorsehen.

  

Umsetzung in Deutschland: Anwendung bereits für am oder nach dem 1. Januar 2023 beginnende Geschäftsjahre avisiert

Die handelsrechtlichen Schwellenwerte zur Bestimmung der Größenkriterien enthalten § 267 HGB und § 267a HGB, die Schwellenwerte für die größenabhängige Befreiung von der Konzernrechnungslegungspflicht enthält § 293 HGB. Durch die oben dargestellten Änderungen der Richtlinie 2013/34/EU sind die Rechnungs­legungs­vorschriften des HGB entsprechend anzupassen. Unklar war bislang, ob der deutsche Gesetzgeber das in der Änderungsrichtlinie vorgesehene nationale Wahlrecht zur rückwirkenden Anwendung der erhöhten Schwellen­werte bereits für am oder nach dem 1. Januar 2023 beginnende Geschäftsjahre nutzen würde. Das BMJ hat nun in einer Pressemitteilung vom 22. Dezember 2023 mitgeteilt, dass es beabsichtigt, von dieser Möglichkeit Gebrauch zu machen und hat eine entsprechende Formulierungshilfe für einen Änderungsantrag zu dem Entwurf eines Gesetzes zur Einführung eines Leitentscheidungsverfahrens beim Bundesgerichtshof veröffentlicht, in dem die Umsetzung erfolgen soll.
  

Implikationen und Empfehlungen für Unternehmen

Die Einstufung von Unternehmen in Größenklassen erfolgt grundsätzlich auf Basis zweier aufeinander folgender Geschäftsjahre, in denen zwei der drei relevanten Kriterien (Bilanzsumme, Umsatzerlöse und durchschnittliche Arbeitnehmeranzahl) einer bestimmten Größenklasse erfüllt sein müssen. Sie kann Auswirkungen haben auf Umfang und Detaillierungsgrad der Rechnungslegung, auf die Prüfungspflicht sowie auf Art und Umfang der Offenlegung.
  
Die seitens des BMJ intendierte Umsetzung könnte dazu führen, dass für bestimmte Unternehmen die Prüfungs­pflicht für Jahresabschlüsse für das Geschäftsjahr 2023 entfällt respektive das „hineinwachsen" in diese vermieden wird, sofern sie unter Berücksichtigung der neuen und voraussichtlich rückbezogen anzuwendenden Schwellenwerte nicht zwei der drei Kriterien für mittelgroße Unternehmen an den beiden Abschlussstichtagen der Geschäftsjahre 2022 und 2023 überschreiten. Dies gilt bei Unterschreiten der maßgeblichen Kriterien entsprechend für die Pflicht zur Aufstellung und Prüfung von Konzernabschlüssen.
  
Die Beauftragung des Abschlussprüfers für den Abschluss des Geschäftsjahres 2023 ist regelmäßig bereits erfolgt und möglicherweise wurden bereits Prüfungshandlungen durchgeführt. Sofern die Prüfungspflicht im Einzelfall tatsächlich entfallen sollte, ist mit dem Abschlussprüfer das weitere Vorgehen festzulegen. In Betracht kommt einerseits die Fortführung des Prüfungsmandats als freiwillige Prüfung, andererseits jedoch auch ein Verzicht auf die Fortführung der Prüfung, wobei gegebenenfalls bereits erbrachte Leistungen zu vergüten sein könnten. In jedem Fall sollten Unternehmen, die möglicherweise von der Änderung betroffen sind, zeitnah in die Abstimmung mit ihrem Abschlussprüfer gehen und das weitere Vorgehen gemeinsam mit diesem definieren. Gerade in Grenzfällen ist eine genaue Analyse ratsam, nicht zuletzt aufgrund der potentiell gravierenden Folgen eines fälschlicherweise angenommenen Entfalls der Prüfungspflicht.
  
Neben der Relevanz für Aufstellungs- und Prüfungspflichten wirken sich die Schwellenwerte und Größen­klassen auch auf Umfang und Detaillierungsgrad der Rechnungslegung sowie auf Art und Umfang der Offenlegung aus. So unterscheiden sich beispielsweise verschiedene Vorgaben zur Darstellung und zum Inhalt von Bilanz und GuV oder die Angabepflichten im Anhang in Abhängigkeit von der jeweils einschlägigen Größenklasse und auch für die Offenlegung bestehen verschiedene größenabhängige Erleichterungen. So können etwa kleine Kapitalgesellschaften und diesen gleichgestellte Unternehmen auf die Offenlegung der Gewinn- und Verlustrechnung nebst entsprechender Erläuterungen im Anhang verzichten. Bei Anwendung der jeweils maßgeblichen neuen Schwellenwerte könnten sich für bestimmte Unternehmen somit Erleichterungs­potenziale bereits in den Abschlüssen für das Geschäftsjahr 2023 ergeben. Möglicherweise betroffenen Unternehmen sei daher auch vor diesem Hintergrund empfohlen, sich zeitnah mit den möglichen individuellen Auswirkungen zu befassen und sich gegebenenfalls mit ihren Beratern und dem Abschlussprüfer abzustimmen.
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