Betriebliche Altersversorgung – und sie bewegt sich doch!

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veröffentlicht am 25. April 2019


Die betriebliche Altersversorgung blickt in Deutschland auf eine über 100-jährige, stets bewegte Vergangenheit zurück. Jedoch sah sich der Gesetzgeber erst 1974 veranlasst, mit dem Betriebs­renten­gesetz einen rechtlichen Rahmen zu schaffen. Seither hat die betriebliche Altersversorgung allerhand stürmische Zeiten wirtschaftlicher, politischer und nicht zuletzt auch gesellschaftlicher Entwicklungen erlebt und überstanden und stellt auch heute neben der gesetzlichen und privaten Vorsorge als dritte Säule der Altersversorgung einen wesentlichen Bestandteil der finanziellen Absicherung im Alter dar.


 

Ein neues Spannungsfeld hat sich in den letzten Jahren zwischen Niedrigzinsphase und wirtschaftlichem Aufschwung ergeben: Ein gutes Betriebsklima, marktgerechte Entlohnung und ein gutes Image des Arbeit­gebers sind heute so entscheidende wie selbstverständliche Faktoren der Mitarbeiterbindung und -gewinnung. Um sich im Wettbewerb um Talente abzuheben, wird auch die betriebliche Altersversorgung wegen ihrer Bindungswirkung gegenüber Arbeitnehmern zunehmend geschätzt und verbreitet sich so nicht nur aufgrund des gesetzlichen Anspruchs auf Entgeltumwandlung immer stärker. Allerdings stellen sich Unternehmen häufig auch die Frage, ob die betriebliche Altersversorgung zur Motivation, Bindung und Gewinnung von Mitarbeitern noch immer die richtigen Mittel zur Verfügung stellt, oder ob sie zu starr ausgestaltet ist: Kann mit den vorhandenen Durchführungswegen Betriebstreue und/oder Leistung honoriert werden? Oder muss sich der Arbeitgeber aufgrund gesetzlicher Reglementarien auf eines beschränken? Lässt sich die eigene Haftung begrenzen und wie flexibel könnte auf eine veränderte wirtschaftliche Ausgangslage reagiert werden?


Betriebsrente honoriert Leistung – oder?

Auch wenn die betriebliche Altersversorgung in den vergangenen Jahren immer stärker als Entgeltbestand­teil im Sinne der Entlohnung von Leistung verstanden wurde, honoriert sie aufgrund der im Betriebsrenten­gesetz vorgegebenen Beschränkung auf Leistungszusagen immer auch – mehr oder weniger stark – die Betriebstreue des Arbeitnehmers. Das Gesetz lässt keinen Zweifel, dass die Dauer der Betriebszugehörig­keit für die Höhe der Betriebsrente ausschlaggebend ist. Das zeigt nicht nur die dreijährige Phase nach Erteilung der Zusage auf betriebliche Altersversorgung, in der die Anwartschaft auf eine arbeitgeber­finanzierte Betriebsrente schlicht verfällt, wenn der Arbeitnehmer das Unternehmen verlässt. Am deutlichsten wird dies bei der Berechnung der Höhe der späteren Betriebsrente: Hier werden tatsächliche und mögliche Betriebszugehörigkeit ins Verhältnis gesetzt und die in Aussicht gestellte Betriebsrente entsprechend gekürzt. Betriebstreue lohnt sich – Leistung in dem Zusammenhang eher weniger.


Flexibilität?

Spätestens seit der Einführung eines gesetzlichen Anspruchs auf Entgeltumwandlung nimmt der Verbreitungs­grad der betrieblichen Altersversorgung zu. Heute wird davon ausgegangen, dass bereits mehr als 50 Prozent der Arbeitnehmer in ein betriebliches Versorgungswerk integriert sind. Das zeigt, dass Arbeitnehmer sowohl die Notwendigkeit der Vorsorge erkannt haben als auch bereit sind, ihr eigenes Entgelt dafür aufzuwenden.

Arbeitgeber hingegen scheuen – häufig geprägt von negativen Erfahrungen mit älteren Versorgungs­systemen – das aus der Niedrigzinsphase resultierende Finanzierungs- und Haftungsrisiko: So ist bspw. die staatliche Unterstützung durch die steuerliche Anerkennung von Pensionsrückstellungen kaum mehr bei der Ent­schei­dungs­findung zu berücksichtigen, ist dort doch noch immer ein Rechnungszins von sechs Prozent gesetzlich vorgeschrieben. Hinzu kommt die oben aufgezeigte vermeintlich mangelnde Flexibilität der vorhandenen Zusagearten in der Umsetzung: Arbeitgeber möchten sich heute frei entscheiden, ob sie Leistung oder Betriebs­treue oder beides honorieren wollen. Entsprechend sind sie zwar einerseits noch immer bereit, Arbeitnehmern Beiträge zur Altersversorgung zuzuwenden, andererseits aber gerade auch in einem Zinsumfeld wie aktuell nicht mehr über mehrere Jahrzehnte die Haftung für die aus den Beiträgen resultierende Leistung zu übernehmen. Diese Subsidiärhaftung auch für (teilweise) Ausfälle von Versicherungen oder für Nach­schuss­ver­pflichtungen gegenüber Direktversicherungen, Pensionskassen und Pensionsfonds hemmt und steht der von allen Beteiligten gewünschten Flexibilität entgegen.


Blick über den nationalen Tellerrand: pay and forget

Während in Deutschland zur Durchführung der betrieblichen Altersversorgung die Leistungszusage in verschiedenen Ausprägungen stets die Haftung des Arbeitgebers bedingt, kennt nicht nur das angloameri­kanische, sondern weitgehend auch das europäische Ausland die sog. reine Beitragszusage, bei der Arbeitgeber Beiträge zur betrieblichen Altersversorgung an einen Pensionsfond bezahlen und schon damit ihrer Ver­pflichtung abschließend nachkommen. Demgegenüber besteht die Verpflichtung bei einer Leistungszusage in der Verschaffung der zugesagten Leistung, also der konkreten Versorgungsleistung, etwa der Betriebsrente. Der entscheidende Unterschied liegt also im Leistungszeitpunkt: Bei der Beitragszusage erfüllt der Arbeitgeber ähnlich der Lohnzahlungspflicht jeden Monat die ebenso monatlich fällige Schuld. Es liegt ebenso nahe, mit diesem Verfahren (auch) Leistung zu honorieren (Bausteinsystem) wie die Möglichkeit, durch variabel hohe Beiträge die nötige Flexibilität zu schaffen. Das Kapitalmarktrisiko trägt vollständig der Arbeitnehmer. Bei der Leistungszusage hingegen sind Beitragszahlungen starr und über die Dauer des Arbeitsverhältnisses gleich verteilt, da eine bestimmte Leistung im Rentenalter damit finanziert werden soll. Die Frage, ob diese jahrzehnte dauernde Finanzierung ausreicht oder durch Nachschüsse sichergestellt werden muss, stellt sich dem Arbeit­geber, da er für die Versorgungsleistung haftet. Er trägt also neben seinem unternehmerischen Risiko auch das Kapitalmarktrisiko.

In Deutschland standen demgegenüber lange nur zwei Varianten der Leistungszusage zur Verfügung. Erst 2002 wurde mit der Einführung der Beitragszusage mit Mindestleistung der politischen Diskussion um die genannten Fragen Rechnung getragen und das bisher in sich geschlossene System zaghaft geöffnet: Die Beitragszusage mit Mindestleistung sollte zwar einerseits nach dem Modell der Beitragszusage konzipiert sein, gleichzeitig wollte man den Arbeitgeber aber doch nicht ganz aus der Haftung lassen, sondern ihn zur Garantie einer Mindestleistung, der einbezahlten Beiträge, verpflichten. Letztlich wurde die neue Zusageart damit aber doch eine Leistungszusage – wenn auch an die Beitragszusage angelehnt. Erst mit der jüngsten Reform, dem Betriebsrentenstärkungsgesetz, wurde 2018 auch in Deutschland die reine Beitragszusage eingeführt und so der Weg zu mehr Flexibilität bereitet. Im sog. Sozialpartnermodell können nunmehr die Tarifvertragsparteien im Rahmen eines Tarifvertrags exklusiv die reine Beitragszusage vereinbaren. Mit dem zwingenden Bezug zu einem Tarifvertrag ist der Anwendungsbereich also eingeschränkt und stellt insbesondere für den oft nicht tarifgebundenen Mittelstand eine Hürde dar. Diese tariflich geschaffene Einrichtung der betrieblichen Alters­versorgung muss zudem tariflich mitverwaltet sein, die Verrentung ist zwingend und zudem soll ein kollektiver Risikoausgleich bei und nach Eintritt des Versorgungsfalles geschaffen werden. Kurzum: Die an sich in der Handhabung an Leichtigkeit nicht zu schlagende Beitrags­zusage wurde so schwerfällig ausgestaltet, dass sich auch ein Jahr nach ihrer Einführung in der Praxis noch kein Sozialpartnermodell abzeichnet.


Flexibilität!

Auch wenn das Sozialpartnermodell erst eine Erfolgsgeschichte werden will, brachte das Betriebsrenten­stärkungsgesetz doch einige Neuerungen, die den Verbreitungsgrad weiter forcieren dürften. Das gilt auch und gerade, weil die betriebliche Altersversorgung ohnehin deutlich flexibler ist, als ihr Ruf. Moderne Ver­gütungs­systeme stellen dem Arbeitgeber heute weit differenziertere und damit auch risikoärmere Wege der betrieb­lichen Altersversorgung zur Verfügung als noch vor einigen Jahren. Neben die klassische Pensionszusage ist mit dem Pensionsfonds ein weiterer Durchführungsweg, neben die Leistungszusage eine Beitragszusage mit Mindestleistung, neben die klassische Rückdeckungsversicherung sind Treuhandmodelle und andere Anspar­varianten getreten. Kombinationen mit Mitarbeiterbeteiligungs- und anderen -bindungssystemen sind denkbar und lassen nicht nur für die Honorierung von Betriebstreue Spielraum, sondern auch von Leistung und können so erheblich zur Attraktivität des Arbeitgebers beitragen.

Zugleich lässt sich durch die Auswahl entsprechender Produkte sowie der Finanzierungsform auch das Haftungs­risiko weitgehend ausschließen. Denkbar sind bspw. Versorgungswerke, die arbeitgeberseits ergebnis­abhängig dotiert werden, damit sie in wirtschaftlich schwierigeren Zeiten nicht zur Belastung werden. Bei der konkreten Ausgestaltung erweisen sich das Gesetz und der steuerliche Rahmen durchaus als vielfältiger als oftmals erwartet. Es gilt, die vorhandenen Gestaltungsspielräume zu erkennen und aktiv zu nutzen. Wenn auch mehr Flexibilität immer wünschenswert ist, sind die Möglichkeiten und Chancen schon heute größer als gedacht. In dieser Flexibilität liegt die Chance, für Mitarbeiter ein attraktiver Arbeitgeber zu sein und nachhaltig zu bleiben.

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Dr. Michael S. Braun

Rechtsanwalt, Fachanwalt für Arbeitsrecht, Wirtschaftsjurist (Univ. Bayreuth)

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