Rechtliche Zulässigkeit von Patienten Support Pro­gram­men und Arzneimittel-Werbung durch „Influencer”

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veröffentlicht am 24. März 2021 | Lesedauer ca. 7 Minuten


Durch sog. „Patienten Support Programme” (PSP) können private Anbieter, z.B. Phar­ma­unternehmen, gezielt Informationen über die Anwendung ihrer Arzneimittel durch die Patienten sammeln und auswerten sowie die Therapietreue und den Therapie­erfolg unterstützen. Andererseits eröffnen solche PSP jedoch auch die Möglichkeit, medi­zinische Fachkreise und das Publikum gezielt über bestimmte Arzneimittel zu infor­mieren bzw. sie umsonst zur Verfügung zu stellen, um deren Absatz zu steigern. Die Anbieter müssen daher die Zulässigkeit von PSP mit Blick auf eine Vielzahl von rechtlichen Aspekten prüfen (u.a. Pharmarecht, Heilmittelwerbe- und Wettbewerbs­recht, Strafrecht, ärztliches Standesrecht, Sozialversicherungsrecht, Datenschutzrecht).


Auch das sog. „Influencer-Marketing“ stellt gerade im Gesundheitsbereich eine neue und attraktive Art der Absatzförderungsmöglichkeit dar: Durch persönliche Erfah­rungs­­berichte (Testimonials) auf verschiedenen sozialen Plattformen bzw. im Internet, werden Eigenschaften und Wirkungen von bestimmten Produkten, u.a. Arzneimitteln, kommuniziert, wodurch gerade mit „berühmten“ Influencern ein enorm großes Pu­bli­kum erreicht werden kann. Insofern stellt sich die Frage, inwieweit das unter heil­mittel- und wettbewerbsrechtlichen Gesichtspunkten für Produkte aus dem Gesund­heitsbereich überhaupt zulässig ist. Der folgende Beitrag soll einen Überblick liefern und aufzeigen, wo im Zusammenhang mit Patienten Support Programmen und dem Influencer-Marketing rechtliche Fallstricke lauern können.



Allgemeines zu Patienten Support Programmen

PSP sind gesetzlich nicht ausdrücklich geregelt. Eine Definition findet sich jedoch in der „Guideline on Good pharmacovigilance practices” der europäischen Arzneimittel-Agentur EMA: „A patient support programme is an organised system where a marketing authorisation holder receives and collects information relating to the use of its medicinal products.”

Wollen oder können gerade chronisch erkrankte Patienten vorgegebene Therapiepläne (insbesondere die Behandlung durch Arzneimittel) nicht oder nur unzureichend einhalten (mangelhafte Therapietreue) führt das i.d.R. auf Patientenseite zu negativen gesundheitlichen Folgen. Gleichzeitig belastet das aber auch das Gesundheitssystem als Ganzes (z.B. Mehrkosten durch vermehrte Umstellung der Medikation, zusätzlich notwendige Krankenhausaufenthalte, erhöhten Pflegeaufwand und zusätzliche Arztbesuche), was bei stringenter Therapietreue verhindert werden könnte. Um das zu vermeiden, bieten private Anbieter (Arznei­mittel­­hersteller oder spezialisierte externe Dienstleister) Serviceleistungen durch PSP an, um die Compliance und Adhärenz von Patienten zu steigern, so bessere Versorgungsresultate zu erreichen und die Versorgungs­kosten dadurch zu senken. PSP folgen daher einer „medizinischen Rationale”.

Serviceleistungen eines PSP können z.B. sein:

  • produktbezogene Informations- und Aufklärungsmaßnahmen zugunsten von Patienten oder verordnender- bzw. abgebender Heilberufsangehöriger (Ärzte, Apotheker);
  • die Unterstützung bei der (Selbst-)Applikation von Arzneimitteln (im häuslichen Bereich);
  • die Zurverfügungstellung technischer Hilfsmittel zur sachgerechten Produktanwendung (z.B. medizinische Apps, automatischer SMS-Erinnerungsservice) oder bei der Kommunikation mit dem behandelnden Arzt.


Dadurch, dass bei solchen Maßnahmen private Anbieter, insbesondere die Pharmaunternehmen selbst, (auch) im eigenen Interesse agieren, gilt es rechtliche Fallstricke zu erkennen und zu vermeiden. Denn im Gesund­heits­bereich sind Werbung, Beeinflussung, Empfehlungen oder sonstige Vorteilsgewährungen besonders streng reguliert. Das soll an folgenden Beispielen aufgezeigt werden.


Zulässigkeit von PSP unter heilmittelwerberechtlichen und wettbewerbsrechtlichen Gesichtspunkten

Zu beachten gilt insbesondere, dass sowohl der EU-Rechtsrahmen für Humanarzneimittel (Richtlinie 2001/83/EG) als auch die Gesetze der Mitgliedstaaten (in Deutschland das Heilmittelwerbegesetz-HWG) strenge Maßstäbe an die Arzneimittelwerbung anlegen. So darf für verschreibungspflichtige Arzneimittel nur bei Ärzten, Zahnärzten, Tierärzten, Apothekern und Personen, die mit den Arzneimitteln erlaubterweise Handel treiben, geworben werden, nicht hingegen gegenüber Patienten (Verbot der Laienwerbung, § 10 HWG). Verboten sind zudem in Bezug auf Arzneimittel Zuwendungen und sonstige Werbegaben (§ 7 HWG). Bei PSP stellt sich damit immer wieder die Frage der Anwendbarkeit des HWG, insbesondere des Werbecharakters der bei der PSP gewährten Serviceleistungen.

Das muss für jeden Einzelfall gesondert unter Berücksichtigung der konkreten Ausgestaltung des jeweiligen Programms und im Lichte der bereits ergangenen Rechtsprechung entschieden werden. Insbesondere ist zu hinterfragen, ob das PSP tatsächlich einer „medizinischen Rationale” folgt und daher die heilmittelwerblichen Sonderregeln im Lichte des Gesetzeszwecks nicht greifen (und damit meist auch kein wettbewerbsrechtlicher Verstoß vorliegt) oder ob solche Maßnahmen vielmehr nur hinter dem Deckmantel eines PSP als reine Marketinginstrumente dienen.

Bei der Abgrenzung handelt es sich jedoch oftmals um eine schwierige Gratwanderung. Während bspw. ein PSP, das Hausbesuche durch ausgebildete Krankenschwestern zwecks Applikation eines transdermalen Pflasters bei Parkinson Patienten aufgrund „medizinischer Rationale” mangels Anwendung des HWG als zulässig erachtet wurde (LG Köln, Urt. v. 6. 2. 2014 – 31 O 376/13), entschieden die Richter in einem anderen Fall, in dem an Multipler Sklerose erkrankte Patienten bei der oralen Eskalationstherapie telefonisch und mittels Hausbesuchen durch medizinisches Personal betreut wurden, dass es sich dabei um eine unzulässige Werbegabe nach § 7 HWG handelt (LG Köln, Urt. v. 20. 2. 2014 – 31 O 411/13).


Strafrechtliche Relevanz von PSP

Auch unter strafrechtlichen Gesichtspunkten gilt es, PSP vorab sorgfältig auf ihre Zulässigkeit zu überprüfen, insbesondere unter dem Aspekt des Korruptionsstrafrechts. Fallstricke lauern v.a. bei sog. „Adhärenz-Programmen”, wobei zwischen Zuwendungen zu unterscheiden ist, die im Zusammenhang mit der ärztlichen Behandlung in Arztpraxen sowie im Krankenhaus angeboten werden und Zuwendungen am „point of sale” – sprich in den Apotheken. Strafbarkeitsrisiken nach §§ 299a, 299b StGB sind im letzteren Fall, d.h. bei der Einbindung von Apothekern in PSP, nicht ersichtlich.


Weitere rechtliche Aspekte bei PSP Serviceleistungen

Sozialrechtlich verbietet § 128 SGB V die unzulässige Zusammenarbeit zwischen Leistungserbringern und Vertragsärzten. Standesrechtlich wird das durch die ärztliche Berufsordnung gespiegelt: Zwecks Wahrung der ärztlichen Unabhängigkeit ist es Ärzten nicht gestattet, für die Verordnung oder den Bezug von Arzneimitteln ein Entgelt oder andere Vorteile zu fordern oder sich gewähren zu lassen. Bei PSP erlangt der Arzt bspw. einen Vorteil, wenn ihm das Pharmaunternehmen Beratungs- und Schulungsleistungen abnimmt, die er dem Patienten aufgrund des Behandlungsvertrags selbst schuldet. Beide Regelungen sind aber wiederum nicht einschlägig, wenn das PSP lediglich einer medizinischen Rationale dient (Therapietreue).

Werden bei PSP technische Hilfsmittel eingesetzt, die als Medizinprodukte zu klassifizieren sind (z.B. medizinisch digitale Stand-Alone-App), ist darüber hinaus die Einhaltung der regulatorischen Anforderungen des Medizinprodukterechts zu gewährleisten (Achtung: ab 26. Mai 2021 findet die neue Medizinprodukt­veverordnung Anwendung).

Darüber hinaus sind die datenschutzrechtlichen Regeln einzuhalten. Werden z.B. mit dem PSP personen­bezogene Gesundheitsdaten verarbeitet, bedarf es gem. Art. 9 DSGVO der ausdrücklichen Einwilligung des Patienten.


Arzneimittelwerbung durch „Influencer”

Als sog. „Influencer” werden Personen bezeichnet, die aufgrund ihrer Reichweitenstärke, (Online-)Präsenz und ihres oft hohen Ansehens in den verschiedenen sozialen, digitalen Netzwerken als Träger für Werbung und Vermarktung in Frage kommen (sog. Influencer-Marketing). Mit der relativ neuen Marketing-Strategie können Firmen, auf den wichtigsten digitalen Verbreitungskanälen (Blogs, Foren, Social Media-Plattformen wie YouTube, Instagram, Twitter, SnapChat oder TikTok) für sich und ihre Produkte werben. Laut dem Bundes­verband für digitale Wirtschaft (BVDW) hat im Jahr 2020 schon mehr als jeder fünfte Deutsche (21,6 Prozent) einmal ein Produkt gekauft, weil es zuvor von einem Influencer präsentiert wurde. Die neue Form der Werbung agiert im Grenzbereich von persönlichem Bekenntnis und kommerzieller Kommunikation durch Erfahrungs­berichte (Testimonials) sowie Emotionsbekundungen. Der Vorteil für Unternehmen ist dabei u.a., dass sie nicht selbst als Botschafter auftreten, sondern die (vermeintliche) Privatheit zwischen Influencer und Verbraucher für sich nutzen. Auch im Pharmabereich existiert inzwischen diese Form des Marketings für (nicht verschreibungs­pflichtige) Arzneimittel als (preiswerte) Alternative zu den herkömmlichen Medien (Print, TV).


Rechtliche Herausforderungen

Die Zulässigkeit von reiner Imagewerbung ohne Produktbezug für Pharmaunternehmen durch Influencer ist gesundheitsrechtlich unproblematisch. Es müssen nur die allgemeinen rechtlichen Vorgaben für die Kennzeichnung als Werbung beachtet werden (z.B. Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb (UWG), Telemediengesetz (TMG), Medienstaatsvertrag 2020).

Für die produktbezogene Arzneimittelwerbung gelten allerdings strengere Vorgaben als bei der allgemeinen Produktwerbung.  So müssen insbesondere die Sonderregeln des HWG beachtet werden, wenn ein nicht verschreibungspflichtiges Arzneimittel gegenüber Verbrauchern (Publikumswerbung) beworben werden soll. Für verschreibungspflichtige Arzneimittel darf hingegen (wie bereits erwähnt) nur in medizinischen Fach­kreisen geworben werden, was mit dem Geschäftsmodell der Influencer, sich an ein möglichst breites (Follower-)Publikum zu wenden, kaum in Einklang zu bringen ist. Bei der Publikumswerbung für nicht verschreibungspflichtige Arzneimittel ist hingegen das grundsätzliche Verbot der irreführenden Werbung zu beachten (§ 3 HWG). So sind z.B. Aussagen in der Influencer-Werbung verboten, die fälschlicherweise den Eindruck erwecken, dass ein Therapieerfolg mit Sicherheit erwartet werden kann oder bei bestimmungs­gemäßem bzw. längerem Gebrauch keine schädlichen Wirkungen eintreten können.

§ 11 HWG sieht zudem eine Reihe von Verboten bei der Publikumswerbung für nicht verschreibungspflichtige Arzneimittel vor. So sind z.B. Werbeaussagen von im Gesundheitswesen tätigen oder bekannten Personen unzulässig, weil sie eine vermeintliche Objektivität und fachliche Autorität suggerieren können. Auch das Werben mit der Wiedergabe von (eigenen Influencer-) Krankheitsgeschichten, Äußerungen Dritter oder einer bildlichen Darstellung des menschlichen Körpers aufgrund von Krankheiten, die in missbräuchlicher, abstoßender oder irreführender Weise erfolgen, ist verboten. Zu erwähnen ist schließlich das Verbot von Werbemaßnahmen, die sich ausschließlich oder überwiegend an Kinder unter 14 Jahren richten (§ 11 Abs. 1 Nr. 12 HWG) – eine Altersgruppe, die zum Hauptpublikum vieler Influencer zählt.

Allerdings finden die strengen Regeln nur auf produktbezogene Absatzwerbung Anwendung; sprich, wenn informationsvermittelnde und meinungsbildende Aussagen getätigt werden, die der Absatzförderung eines Arzneimittels dienen. Keine Werbung liegt hingegen vor, wenn es sich um Angaben oder Darstellungen handelt, die ohne eine solche Werbeabsicht nur anderen Zwecken dient. Die Kernfrage im Zusammenhang mit dem Influencer Marketing ist daher, ob es sich überhaupt um „Werbung” im rechtlichen Sinne handelt. Ansonsten sind die heilmittel- und wettbewerbsrechtlichen Werberegelüberhaupt nicht anwendbar und müssen von den jeweiligen Influencern auch nicht beachtet werden.

Fraglich wird meist sein, ob die Aussagen und Darstellungen des Influencers im Hinblick auf ein Arzneimittel tatsächlich dessen Absatz fördern sollen. Das wird der Fall sein, wenn ein Influencer im Auftrag des Produktherstellers oder -händlers handelt, d.h. von ihm als „Werbebotschafter” eingesetzt wird und dafür ein Entgelt oder sonstige Vorteile erhält. Ansonsten geht es dem Influencer jedoch um die kommerzielle Vermarktung des eigenen Images und nicht erstrangig um die Absatzförderung von Produkten Dritter. Auch wenn es nach höchstrichterlicher Rechtsprechung ausreicht, dass die werbende Funktion der produktbe­zogenen Absatzförderung neben weiteren Zielen (z.B. Vermarktung des eigenen Images) steht, ist es dennoch schwierig zu entscheiden, wann Influencer-Marketing eine Werbung i.S.d. HWG darstellt. Höchstrichterliche Rechtsprechung liegt dazu noch nicht vor.

Die bislang entschiedenen Fälle betrafen vielmehr wettbewerbsrechtliche Fragen, insbesondere ob es sich bei Posts, Tags und Links von Influencern um reine Meinungsäußerungen oder vielmehr um redaktionell getarnte Werbung handelt, deren kommerzieller Zweck kenntlich gemacht werden muss (§ 5a Abs. 6 UWG). Maßgeblich für die Abgrenzung ist insofern die objektive Betrachtung am Maßstab des durchschnittlich informierten aufmerksamen und verständigen Besuchers des betreffenden sozialen Netzwerks. Das Kriterium ist jedoch mit Rechtsunsicherheit verbunden, da im Streitfall die Entscheidung der eigenen Urteilsfähigkeit der Behörden und Richter überlassen ist. Der BVDM forderte daher 2020 klare rechtliche Leitlinien für das Influencer-Marketing. Bislang stellen die Forderungen aber nur auf die Influencer-Werbung allgemein ab. Es bleibt abzuwarten, ob die Entwicklung in Zukunft nicht auch noch sektorenspezifische Präzisierungen enthalten wird, u.a. für die Arzneimittelwerbung durch Influencer.


Fazit

Festgehalten werden kann damit, dass die Bewertung der Zulässigkeit von Patienten Support Programmen und Arzneimittel-Werbung durch „Influencer” komplex ist und verschiedene Rechtsbereiche betrifft. Erfahrungs­gemäß besteht daher bei den Themen verstärkter Beratungsbedarf im Pharma- und Gesundheitsbereich. Mit einem Team von spezialisierten Anwälten berät und vertritt Rödl & Partner Unternehmen aus der Life Science-Branche umfassend, interdisziplinär und über die Ländergrenzen hinweg.

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