Reform der Besteuerung von Mitarbeiterbeteiligungen an Start-ups

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veröffentlicht am 12. Februar 2021 | Lesedauer ca. 5 Minuten

  

​Um die Forschung und Entwicklung innovativer Technologien zu fördern und das entsprechende Know-how von Mitarbeitern über die Gründungs- und Wachstums­phase eines Start-ups hinaus (vor allem im Inland) zu halten, ist es aus wirtschafts­politischen Überlegungen erforderlich, gesetzliche Anreize zur Mitarbeiterbindung zu schaffen. Daher hat die Bundesregierung am 20. Januar 2021 einen Gesetzesentwurf zur Reform der Besteuerung von Mitarbeiter­beteili­gungen an Start-ups verab­schiedet (BR-Drs 51/21).

  

  
 
Der Gesetzesentwurf stärkt den Fonds- und Inno­vations­standort Deutschland, indem die Überlassung von Beteili­gungen am Arbeit­geber­unternehmen für Mitarbeiter steuerlich attraktiver wird. Der nach­folgende Beitrag skizziert die geplanten Ände­rungen und weist auf einige Aspekte des Entwurfs hin, die vor der end­gültigen Gesetzes­verab­schiedung noch über­arbeitet werden sollten.
 

Ausgangspunkt – Dry-Income Problematik

Um Mitarbeiter langfristig an ein Start-up durch eine (echte) Beteiligung am Arbeitgeberunternehmen zu binden, ist zu berücksichtigen, dass die Mitarbeiter häufig gar nicht ausreichend finanzielle Mittel für den Erwerb besitzen und der wirtschaftliche Anreiz bei einem Beteiligungserwerb zum Verkehrswert häufig abgeschwächt wird. Daher besteht in der Praxis das Bedürfnis, Beteiligungen am Arbeitgeberunternehmen verbilligt oder unentgeltlich an Mitarbeiter zu veräußern.
 

Im Fall eines verbilligten oder unentgeltlichen Erwerbs einer echten Beteiligung am Arbeitgeberunternehmen qualifiziert der Differenzbetrag zum Verkehrswert (sog. geldwerter Vorteil) steuerlich als Einkünfte aus un­selbst­­ständiger Arbeit und ist zudem sozial­versiche­rungs­pflich­tig. Der anzuwendende Steuersatz richtet sich nach dem allgemeinen progres­siven Ein­kommen­steuertarif und kann folglich bis zu 47,5 Prozent (inkl. Soli­dari­täts­­zuschlag) betragen. Problematisch ist hierbei für den Arbeitnehmer, dass seine Steuerpflicht im Erwerbs­zeitpunkt begründet wird, wodurch ihn zu diesem Zeitpunkt eine erhebliche Steuerbelastung treffen kann, ohne dass ihm liquide Mittel zufließen (sog. Dry-Income Problematik).
 

Der Reformvorschlag

Um die Dry-Income Problematik besonders bei Start-ups zu entschärfen, sieht der am 20. Januar 2021 veröffentlichte Regierungsentwurf zum Fonds­stand­ort­gesetz die Einführung eines § 19a EStG-E vor, wonach Arbeitnehmer im Fall der verbilligten oder unentgeltlichen Über­l­assung von Gesell­schafts­anteilen an einem Unter­nehmen die (Lohn-)­Be­steue­rung für max. zehn Jahre aufschieben können. In dem Fall wird die eigentlich anfal­lende Lohn­steuer zu­nächst nicht erho­ben. Die Höhe des an den Arbeit­nehmer gewährten geld­werten Vor­teils und die sonstigen An­gaben zur Durch­füh­rung des Besteue­rungs­ver­fahrens sind vom Arbeit­geber jedoch im Lohn­konto des Mitar­beiters aufzu­zeichnen. Somit kann die Ent­stehung von Dry In-come für max. zehn Jahre ver­mieden werden. Als zusätz­liche Begünsti­gung soll der Frei­betrag, in Höhe dessen der geld­werte Vorteil aus der Anteils­­über­las­sung grund­sätzlich steuer­frei ist, von 360 Euro auf 720 Euro erhöht werden. Sozial­ver­siche­rungs­bei­träge auf den geld­werten Vor­teil sollen je­doch weiter­hin be­reits im Er­werbs­­zeitpunkt anfal­len.
 

Das Stundungsmodell des § 19a EStG-E könnten grund­sätzlich alle Arbeitnehmer in Anspruch nehmen, denen nach dem 30. Juni 2021 neben ihrem normalen Arbeits­lohn auch unent­geltlich oder ver­billigt An­teile am Arbeit­­geber­­unter­nehmen gewährt werden. Unter den Anwendungs­bereich fallen jedoch nur Mitar­beit­er­­beteili­gungen an Start-ups, die im Zeit­punkt der An­teils­über­las­sung oder im voran­gegangenen Kalender­jahr die KMU-Definition der EU erfüllen (< 250 Mit­arbei­ter, Umsatz < 50 Mio. Euro und Bilanzsumme < 43 Mio. Euro) und nicht älter als zehn Jahre sind. Aus dem Regierungsentwurf geht jedoch nicht ein­deutig hervor, ob die Über­lassung von Anteilen an der Mutter­gesell­schaft des Arbeitgebers oder an einer Beteiligungsgesellschaft, über die Mitarbeiter gepoolt werden, auch vom Stun­dungs­modell erfasst wären. Ersteres ist nach aktuellem Stand voraussichtlich der Fall, letzteres eher nicht.

 

Nicht umfasst wären jegliche Form von Options­rechten – abgesehen von den gewährten Antei­len bei Aus­übung einer bereits gewähr­ten (Aktien-)Option – und der vir­tuellen Beteili­gungen am Arbeit­geber­unternehmen.
 

Der durch § 19a EStG-E gewährte Besteue­rungs­auf­schub endet in drei Fall­konstel­lationen, nämlich falls

  • zehn Jahre seit der Anteilsübertragung vergangen sind,   
  • das Dienstverhältnis zum Arbeitgeber beendet wurde oder   
  • die erhaltenen Anteile ganz oder teilweise ent­gelt­lich oder unentgeltlich übertragen wurden.
     

Ist einer dieser Realisationstatbestände erfüllt, kommt es zur nachgelagerten (Lohn-)Besteuerung. Die Höhe des steuerpflichtigen geldwerten Vorteils wird dabei auf Grundlage des Ver­kehrs­werts der erhaltenen An­teile im Übertragungszeitpunkt, nicht im Realisations­zeitpunkt ermittelt. Sollte allerdings der Verkehrs­­wert der Anteile im Reali­sations­zeit­punkt unter dem Ver­kehrs­­wert im Über­tragungs­zeit­punkt liegen (Wert­ver­lust), ist der niedri­gere Wert für die nach­gelagerte Besteue­rung maß­geblich.
 

Kritikpunkte und Verbesserungs­vor­schläge

Es ist grundsätzlich zu begrüßen, dass sich die Bundes­regierung dem Thema Mitarbeiterbeteiligung bei deutschen Start-ups annimmt. Denn im inter­nationalen Wettbewerb um qualifizierte Talente er­scheint es essenziell, eine steuer­lich attrak­tive Möglich­keit bieten zu können, um Mitarbeiter an Unternehmen zu be­teiligen. Aller­dings bleibt der Regierungs­entwurf hinter seinen Erwar­tungen zurück, da er letzt­endlich nur einen Besteue­rungs­auf­schub vorsieht und keine echte steuer­liche Ent­lastung für Mitar­beiter eines Start-ups. Nach­­folgend werden einige Maß­nahmen dar­gestellt, die bis zum Inkraft­treten der gesetz­lichen Regel­ungen verbes­sert werden sollten:

  • Anhebung des Freibetrags bei verbilligter Anteils­überlassung: Die Anhebung des Freibetrags von 360 Euro auf 720 Euro verbes­sert die steuer­liche Attrakti­vität eines ESOP-­Programms nicht sonder­lich. Daher sollte der Frei­betrag deutlich stärker erhöht werden, um die effek­tive Steuer­last der Mitar­beiter zu redu­zieren.
  • Aufnahme von mittelbaren Beteiligungen an der Arbeitgebergesellschaft in den Anwendungsbereich des § 19a EStG-E: Start-ups sind in der Praxis zumeist als GmbH organisiert und bündeln einen größeren Kreis an zu beteiligenden Mitarbeitern oftmals über Zwischengesellschaften, um flexibel und handlungsfähig zu sein.
  • Der Anwendungsbereich des § 19a EStG-E sollte nicht nur bei Anteilsüberlassungen an KMUs greifen, sondern bei sämtlichen innerhalb der letzten zehn Jahre gegründeten Start-ups, um erfolg­reiche und schnell wachsende Start-ups nicht zu benachteiligen.
  • Änderung der automatischen Beendigung des Besteuerungsaufschubs nach zehn Jahren: Die starre Frist erscheint wirtschaftlich fragwürdig, wenn Arbeitnehmer auch nach Ablauf der Frist weiterhin im Unter­nehmen verbleiben und am Unternehmenswert partizipieren sollen.
  • Einführung von klaren gesetzlichen Bewertungs­vorschriften zur steuerlichen Ermittlung des gemeinen Werts von Anteilen an Start-ups: Dann können Arbeitnehmer verlässlich einschätzen, in welcher Höhe ihnen aus der verbil­ligten Anteils­überlas­sung ein geld­werter Vorteil entsteht, der spätestens nach zehn Jahren zu ver­steuern ist.

 
Gerade im Kontext von Start-ups, bei denen oft kom­plexe Kapitalstrukturen die Regel sind (z.B. Liqui­dations­­präferenzen, Vorzugsanteile oder Wandel­darlehen), kann die Ab­lei­tung des Fair Value von Stamm­an­teilen nicht einfach aus dem Gesamt­unter­nehmens­wert und der Anzahl der Anteile abgelei­tet werden.
 

Verschiedene Anteilsklassen sind oftmals mit wirt­schaftlich relevanten Privilegien ausgestat­tet, die zu einer Dif­ferenz zwischen dem nomi­nalen und wirt­schaftlichen Wert der Anteile führen. Die geplante Reform geht auf die Problematik nicht ein, obwohl es in der inter­nationalen Bewertungs­welt anerkannte Metho­den gibt, welche die unter­schiedlichen recht­lichen Aus­gestaltungen von Anteils­arten berück­sichtigen.

  

Als führender Standard ist in dem Kontext der Valuation of Privately-Held-Company Equity Securities Issued as Compensation – Accounting and Valuation Guide vom American Institute of Certified Public Account­ants (AICPA) zu nennen. Der Leitfaden beschreibt anerkannte Methoden (z.B. PWERM, OPM, Backsolve und CVM), welche eine genaue Abbildung der relativen Wertunterschiede zwischen Anteilsarten im Rahmen von kom­plexen Kapitalstrukturen ermög­lichen (eine ausführliche Darstellung der Methoden finden Sie in unserem Beitrag „Einstieg in die Bewertung komplexer Kapitalstrukturen u.a. mit ESOP/VSOP-Programmen“). Wir schlagen vor, die Definition solcher Metho­den in einer über­arbeiteten Version der Reform aufzu­­nehmen, um einen klaren Rahmen zu bieten, wie genau der gemeine Wert von Mitar­beiter­­beteiligungen zu bewerten ist.
 

Im Ergebnis lässt sich festhalten, dass die geplante Reform der Besteuerung von Mitarbeiterbeteiligungen an Start-ups zwar grundsätzlich in die richtige Rich­tung geht. Allerdings bleibt zu hoffen, dass der Gesetz­geber die oben dar­gestel­lten Kritik­punkte auf­nimmt und § 19a EStG-E noch an einigen Stellen anpasst. Nur so würde der Stand­ort Deutsch­land für Start-ups steuer­lich erheb­lich attrak­tiver werden. Der Bundes­rat kann nun inner­­halb von sechs Wochen Stel­lung nehmen, anschließend wird der Gesetz­entwurf beim Bundes­tag einge­bracht. Ob das Fonds­steuer­gesetz und damit § 19a EStG-E noch vor der Wahl im Bundes­tag beschlos­sen wird, bleibt abzu­warten.

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