Reform des Insolvenzanfechtungsrechts: BMJV veröffentlicht Regierungsentwurf

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von Rainer Schaaf und Lisa Wittmann
 
Das Insolvenzanfechtungsrecht dient dazu, Vermögensverschiebungen zu Lasten der Insolvenzmasse rückgängig zu machen. In den vergangenen Jahren ist zunehmend beklagt worden, dass das geltende Recht, insbesondere die Praxis der Vorsatzanfechtung nach § 133 Abs. 1 der Insolvenzordnung (InsO), den Wirtschaftsverkehr mit unverhältnismäßigen und unkalkulierbaren Risiken belastet. Dies soll sich ändern.
 
So wurde vom Bundesministerium der Justiz und für Verbraucherschutz (BMJV) am 16. März 2015 der Referentenentwurf eines Gesetzes zur Verbesserung der Rechtssicherheit bei Anfechtungen nach der Insolvenzordnung und nach dem Anfechtungsgesetz veröffentlicht. Die Praxisgruppe Insolvenzrecht von Rödl & Partner hat dazu eine Stellungnahme abgegeben.
 
Am 29. September 2015 wurde nun der Regierungsentwurf vorgestellt. Die Bundesregierung hat einige wichtige Änderungen im Vergleich zum Referentenentwurf vom 16. März 2015 vorgenommen. Nachfolgend wird ein kurzer Überblick zu den geplanten, wesentlichen Neuerungen gegeben.
 

Erweiterung des Gläubigerantragrechts

Ein Gläubigerantrag wird nicht mehr dadurch unzulässig, dass der Schuldner die Forderung begleicht. Mit dieser Änderung soll ermöglicht werden, frühzeitig auf ein Insolvenzverfahren hinzuwirken, die Fortsetzung der wirtschaftlichen Aktivitäten insolvenzreifer Unternehmen rechtzeitig zu unterbinden und letztlich so Anfechtungsrisiken einzudämmen.
 

Anfechtung bei Forderungsrealisierung durch Zwangsvollstreckung erschwert

Mit den vorgesehenen Änderungen zu § 131 InsO sollen solche Gläubiger vor Anfechtungen geschützt werden, die von gesetzlich zugelassenen Zwangsmitteln Gebrauch machen und dabei nicht wissen, dass der Schuldner schon zahlungsunfähig ist. So sollen Forderungsrealisierungen, die in den letzten 3 Monaten vor Insolvenzantragstellung durch Zwangsvollstreckung erwirkt oder zu deren Abwendung bewirkt worden sind, künftig im Grundsatz nur noch unter den erschwerten Anforderungen des § 130 InsO (also bei Kenntnis von der Zahlungsunfähigkeit des Schuldners) anfechtbar sein.
 

Der Referentenentwurf des BMJV sah nur die Privilegierung von Zwangsvollstreckungsmaßnahmen vor, die auf gerichtlich erlangten Titeln beruhten. Nun wurde dies auf alle Zwangsvollstreckungen – auch auf der Grundlage von selbst geschaffenen Titeln – und Zahlungen zur Abwendung von Zwangsvollstreckungen erweitert.
 

Einschränkungen der Vorsatzanfechtung

Die angedachte Neuregelung lässt die bisherige Grundstruktur der Vorsatzanfechtung zwar unberührt, zum Schutz des Wirtschaftsverkehrs soll die Vorsatzanfechtung von Forderungsrealisierungen oder Sicherungen von Forderungen aber erschwert werden.
 

Zum einen sollen nur noch Forderungsrealisierungen oder Sicherungen von Forderungen der letzten 4 – anstatt der bislang 10 – Jahre anfechtbar sein. Zum anderen werden Gläubiger, die ihren Schuldnern Zahlungserleichterungen zur Überwindung vorübergehender Liquiditätsschwierigkeiten gewähren, Gewissheit haben, dass dies für sich genommen eine Vorsatzanfechtung nicht begründen kann. Zugunsten jener Gläubiger wird gesetzlich vermutet, dass sie bei später erhaltenen Zahlungen die Zahlungsunfähigkeit ihres Schuldners nicht kannten. Um einen Anfechtungsanspruch zu begründen, muss der Insolvenzverwalter das Gegenteil beweisen.
 

Die Vorsatzanfechtung soll zudem noch weiter eingeschränkt werden, wenn die Forderungsrealisierung oder Sicherung einer Forderung auch zu der Zeit und in der Art zu beanspruchen war. So soll – anders als bislang – eine Anfechtung möglich sein, wenn der Gläubiger erkannt hat, dass der Schuldner zahlungsunfähig war. Die Kenntnis der bloß drohenden Zahlungsunfähigkeit soll nicht mehr genügen.
 

Auf das ursprünglich noch im Referentenentwurf enthaltene Merkmal der „unangemessenen Benachteiligung” wurde im Regierungsentwurf verzichtet. Außerdem findet sich die Privilegierung von bargeschäftsähnlichen Sachverhalten und ernsthaften Sanierungsversuchen, wie im Referentenentwurf noch aufgenommen, nicht mehr.
 

Konkretisierung des Bargeschäftsprivilegs

Mit den Änderungen zu § 142 InsO sollen die Erwartungen des Wirtschaftsverkehrs sowie der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer bedient werden, dass Leistungen des Schuldners, für die zeitnah eine gleichwertige Gegenleistung in dessen Vermögen gelangt ist, grundsätzlich nicht mehr rückabgewickelt werden können.
 

Entsprechend sollen Bargeschäfte zum einen künftig nur noch dann der Vorsatzanfechtung unterliegen, wenn der Schuldner unlauter handelte und der Gläubiger dies erkannt hat. Zum anderen hat der Regierungsentwurf die bereits durch das BMJV vorgeschlagene Regelung übernommen, dass ein Bargeschäft gegeben sein soll, wenn der Zeitraum zwischen Arbeitsleistung und Lohnzahlung 3 Monate nicht übersteigt. Das ist der Zeitraum, den bisher schon das Bundesarbeitsgericht seiner Rechtsprechung zugrunde gelegt hat.
 

Keine übermäßige Zinsbelastung mehr

Anfechtungsansprüche sollen künftig nur noch nach Maßgabe der allgemeinen Verzugsregeln oder ab Klageerhebung verzinst werden. Dadurch sollen bestehende Fehlanreize zu einer schleppenden Durchsetzung von Anfechtungsansprüchen beseitigt und der Rechtsverkehr besser vor einer übermäßigen Zinsbelastung geschützt werden. Zusätzlich stellt der jetzige Regierungsentwurf klar, dass kein Anspruch auf Herausgabe von Nutzungen besteht. 
 

zuletzt aktualisiert am 19.10.2015

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