Beschränkung der Haftung bei der umsatzsteuerlichen Organschaft möglich

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​zuletzt aktualisiert am 23. Januar 2020 | Lesedauer ca. 4 Minuten
 

Das Bundesministerium der Finanzen hat jüngst (erneut) den Anwendungserlass zur Abgabenordnung auch in Bezug auf die Haftung bei Organschaft nach § 73 AO geändert. Die Änderungen beinhalten insbesondere Klarstellungen zu § 73 Satz 2 AO mit Blick auf sog. mehrstufige Organschafts­verhältnisse. Die mit BMF-Schreiben vom 5. September 2019 (Az. IV A 3-S 0062/16/10001) eingeführte ermessensgerechte Haftungs­­be­schränkung bei der umsatzsteuerlichen Organschaft nach § 2 Abs. 2 Nr. 2 UStG mit ihren Erleichterungen hat jedoch weiterhin Bestand.  

 

 

Update – Änderung des § 73 AO durch Einfügung eines Satz 2

§ 73 AO regelt die Haftung der Organgesellschaften für Steuern des Organträgers. Der Begriff der Organschaft wird im Wortlaut der Vor­schrift nicht definiert. Vielmehr ging bereits der historische Gesetz­geber davon aus, dass die jeweiligen Steuergesetze entsprechende Begriffsbe­stimmungen enthalten, soweit die Organschaft für die einzelnen Steuern von Bedeutung ist. Diese Sicht­weise entsprach auch der bisher gängigen Verwaltungs­praxis zur Haftung von körperschaft­steuerlichen Organgesellschaften. Dieser hat sich der Bundesfinanzhof in seiner Entscheidung vom 31. Mai 2017 (Az. I R 54/15) nicht angeschlossen. Hiernach soll die Haftung nach­rangiger Organgesellschaften vom Wortlaut des § 73 AO nicht erfasst sein. Mit der Einfügung eines neuen Satz 2 in § 73 AO soll die vom Bundes­finanzhof aufgezeigte Regelungs­­lücke für körperschaftsteuerliche Organschaften geschlossen werden.

 

Nun soll gelten: Haftet eine Organgesellschaft, die zugleich Organträger ist, für Steuern ihres Organträgers, haften nach § 73 Satz 2 AO (neu) deren Organgesellschaften neben ihr nach § 73 Satz 1 AO. Hierbei kommt es nur darauf an, ob die Organgesellschaft, die selbst Organträger ist, grundsätzlich nach § 73 Satz 1 AO für Steuern des Organträgers haften kann. Auf die tatsächliche Inanspruchnahme der Organträger-Organgesellschaft durch einen auf § 73 Satz 1 AO gestützten Haftungsbescheid kommt es nicht an. Die nachrangigen Organgesellschaften im Sinne von § 73 Satz 2 AO haften dann ebenfalls nach § 73 Satz 1 AO. Sind sie wiederum selbst Organträger, normiert § 73 Satz 2 AO auch eine Haftung ihrer Organgesellschaften. Alle in Haftung genommenen (Organ-)Gesellschaften sind Gesamt­schuldner, weshalb die Leistung eines Haftungs­­schuldners zugleich schuldbefreiend für den Steuerschuldner und alle anderen Haftungsschuldner wirkt. Daher kommt es nicht zur mehrfachen Steuererhebung.

 

Die Finanzverwaltung trifft nun mit BMF-Schreiben vom 20.12.2019 (Az. IV A 3-S 0062/19/10010) zur Änderung des Anwendungserlasses zur Abgaben­ordnung erläuternde Aussagen zum Umfang des § 73 AO bei Organ­schaften und schließt o.g. Änderungen für die Haftung in sog. mehrstufige Organschaft­s­verhältnissen nach § 73 Satz 2 AO für die umsatzsteuerliche Organschaft aus. Denn in der Umsatz­steuer sind mehrstufige Organschaftsverhältnisse per se nicht möglich. 
 

Haftung nach § 73 AO als bislang großer Nachteil der umsatzsteuerlichen Organschaft

§ 73 AO regelt die Haftung bei Organ­schaft und stellt seit jeher einen Nachteil der umsatzsteuerlichen Organschaft dar. Der historische Sinn und Zweck von § 73 AO liegt in einem Haftungsdurchgriff auf die Organgesellschaften innerhalb der Organschaft, um das Steuersubstrat für den Fiskus zu sichern und die von der Organge­sellschaft verursachten Steuerschulden abzudecken. Denn durch Zurechnung von Steuerschuld­entstehungstatbeständen, die von einer zivilrechtlich selbständigen Gesellschaft verwirklicht werden, an eine andere zivil­rechtlich selbständige Gesellschaft (den Organträger), kann es zu einer Gefährdung des Steuer­anspruchs des Fiskus kommen; dem Fiskus steht nämlich zur steuerlichen Vollstreckung nur das Vermögen des Organ­trägers als der Steuer­schuldner offen.
     

Deshalb soll nach § 73 Satz 1 AO die Organgesellschaft für die Umsatzsteuer­schulden des Organträgers haften, für welche die Organschaft zwischen ihnen „steuerlich von Bedeutung” ist. Der Umfang der Haftung der Organgesellschaft erstreckt sich hierbei auf alle innerhalb des Organkreises entstandenen, von der Organ­schaft beeinflussten Steuern. Nach bisheriger Ansicht war der Umfang der Haftung unabhängig davon, ob die Steuer – ohne Bestehen der Organschaft – bei der Organ­gesellschaft, dem Organträger oder bei einer Schwester­­organgesellschaft angefallen ist. Das heißt eine Organge­sellschaft hatte unter Um­ständen auch für die Umsatzsteuer ihrer Schwester-Organgesellschaft oder für die ihres Organträgers zu haften. Bislang lag noch keine Aussage der Finanzverwaltung zur Anwendung des § 73 AO vor.
      

Ermessensgerechte Haftungsbeschränkung der Organgesellschaft als Erleichterung in der Praxis

Nun trifft die Finanzverwaltung mit BMF-Schreiben vom 5. September 2016 zur Änderung des Anwendungs­erlasses zur Abgabenordnung eine Aussage zum Umfang des § 73 AO bei Organschaften; insbesondere auch bei der umsatz­steuerlichen Organschaft.
   

Die Organgesellschaft haftet dem Grunde nach für alle Steuern, die im Organkreis verursacht worden sind. Gemäß BMF-Schreiben im allgemeinen Teil soll die Haftung im Rahmen der Ermessens­­­ausübung aber grds. auf die in ihrem eigenen Betrieb oder im Betrieb des Organträgers verursachten Steuern beschränkt werden.
  

Explizit bei der Umsatzsteuer soll es nach Ansicht der Finanzverwaltung bei der umsatzsteuerlichen Organ­schaft ermessensgerecht sein, den Verursachungs­beitrag einer Organgesellschaft auf die auf den Außenum­sätzen der Organgesellschaft beruhende Umsatzsteuer abzüglich der bei der Organgesellschaft anfallenden Vorsteuern zu bestimmen. Das BMF gibt somit vor, was im Rahmen der behördenseitigen Ermessensausübung als ermessensgerecht zu sehen ist und reduziert hierdurch das behörden­seitige Ermessen auf Null. Im Rahmen der Ermessensausübung wird die Haftung der Organgesellschaft nach § 73 AO daher allein auf die Umsatz­steuer beschränkt, für die die Organgesellschaft auch ohne Bestehen der umsatzsteuerlichen Organschaft nach § 2 Abs. 2 Nr. 2 UStG originär Steuerschuldner wäre.
 

Offene Punkte und Handlungsempfehlungen für die Praxis

Da die Haftung einer Organgesellschaft auf die Umsatzsteuer beschränkt wird, für welche die Organ­gesell­schaft auch ohne Bestehen der umsatzsteuerlichen Organschaft originär Steuerschuldner wäre, entfällt damit wohl eine Haftung für Umsatzsteuerschulden des Organträgers, die aus Umsätzen resultieren, für welche der Organ­träger selbst oder weitere/andere Organgesellschaften ohne Bestehen der umsatz­steuerlichen Organschaft originär Steuerschuldner wären.
   

Es wird somit im Fall der Haftung nach § 73 AO auf die zivilrechtlich selbständigen Gesellschaften im umsatz­steuerlichen Organkreis abgestellt. Eine Zahlungsun­fähigkeit oder Insolvenz des Organträgers könnte somit aus fiskalischer Sicht mangels Haftungsdurchgriff auf die zivil­rechtlich selbständigen (Organ-)Gesellschaften im umsatz­steuerlichen Organkreis zum Ausfall der Umsatz­steuer­schulden des umsatzsteuerlichen Organkreises führen.
    

Gleichwohl bleibt zu bedenken, dass sich im Falle der Zahlungsun­fähigkeit oder Insolvenz einer Organ­gesell­schaft im umsatz­­steuerlichen Organkreis keine Änderungen zur bislang bestehenden Rechtspraxis ergeben. Denn der Organträger stellt nach § 13a UStG den Steuerschuldner aller Umsätze dar, die die umsatz­steuerliche Organschaft – der Organträger oder eine der ihm eingegliederten Organgesellschaften – tätigt. Er schuldet die Umsatzsteuer der Organgesellschaft unmittelbar und nicht nur im Wege der Durchgriffs­haftung, so dass der Organträger schon per se nicht für „Steuerschulden der Organgesellschaften” haften kann – er ist nämlich bereits originärer Steuerschuldner.
       

Diese grundsätzlich als positiv zu wertende Haftungsbeschränkung der Organgesell­schaft durch Neuregelung des behörden­seitigen Anwendungs­erlasses sollte für noch alle offenen Fälle bedacht werden, insbesondere in Insolvenzfällen. Denn gerade in Fällen, in denen der eigentliche (insolvente) Organträger als Steuerschuldner nicht in der Lage ist, seine Umsatz­steuerschulden zu begleichen, wurde bisher auf die – zivilrechtlich eigen­ständigen – Organgesellschaften innerhalb des Organkreises durch den Fiskus zurückgegriffen.
      

Etwaige Risiken im Zusammenhang mit Haftung für Steuerschulden sollten aber dennoch stets auch bei Um­strukturierungen und bei M&A-Transaktionen im Bereich der Umsatz­steuer geprüft und beachtet werden.

Im Übrigen birgt die Neuregelung des Anwendungserlasses zu § 73 AO auch eine ermessens­gerechte Haftungs­beschränkung für Organge­sellschaften in der körperschaft­­­steuerlichen Organschaft. 

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