ATAD-Umsetzungsgesetz auf der Zielgeraden

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zuletzt aktualisiert am 25. Juni 2021 | Lesedauer ca. 7 Minuten

  

Dem ATAD-UmsG hat der Bundesrat in seiner Sitzung am 25. Juni 2021 zugestimmt. Damit kann das Gesetz durch den Bundespräsident unterzeichnet werden und tritt nach der Veröffentlichung im Bundesgesetzblatt in Kraft.


Nach einem mehrjährigen politischen Tauziehen vor allem zwischen dem Bundesfinanz- und dem Bundeswirtschaftsministerium und einem eingeleiteten Vertragsverletzungsverfahren der EU-Kommission wurde am 17. März 2021 der Regierungsentwurf eines Gesetzes zur Umsetzung der Anti-Steuervermeidungs­richtlinie (ATAD-Umsetzungsgesetz – ATADUmsG) vorgelegt. Nach diversen inoffiziellen und offiziellen Vorentwürfen scheint es nun endlich voranzugehen. Wir geben nachstehend einen Überblick über die wesentlichen Themen.

 

  

 

  

 

Hintergrund: ATAD I und II

Zeitgleich zu den Arbeiten der OECD am sog. BEPS-Projekt hatte auch die EU-Kommission frühzeitig ähnliche Problemfelder des internationalen Steuerrechts adressiert. Bereits am 17. Juni 2016 erreichten die Mitgliedstaaten im ECOFIN eine politische Einigung über die Anti-Tax-Avoidance Directive (sog. ATAD I; deutsch: Anti-Steuervermeidungsrichtlinie), die die Mitgliedstaaten verpflichtete, bis Ende 2018 bestimmte Missbrauchsverhinderungsmaßnahmen umzusetzen. Obwohl grundsätzlich die gleichen Themen wie im OECD-Aktionsplan gegen BEPS behandelt wurden, gab es in einigen Fällen teils erhebliche Abweichungen.

  

Die Richtlinie ist auf alle Steuerpflichtigen – einschließlich Betriebsstätten von Unternehmen aus Drittstaaten anwendbar, wenn sie in einem oder mehreren Mitgliedstaaten der Körperschaftsteuer unterliegen. Die Richtlinie enthält Vorgaben an die Mitgliedstaaten, in den folgenden fünf Bereichen Missbrauchs­verhinderungsvorschriften zu erlassen:

  • Zinsabzugsbeschränkungen
  • Wegzugsbesteuerung (Exit Tax)
  • Allgemeine Missbrauchsvermeidungsvorschrift (General Anti-Abuse Rule, GAAR)
  • Hinzurechnungsbesteuerung
  • Hybride Gestaltungen (ohne doppeltansässige Gesellschaften)
        

Bei diesen Vorgaben handelt es sich um Mindeststandards, die Mitgliedstaaten dürfen also strengere Vorschriften erlassen bzw. beibehalten. Dort, wo nationale Vorschriften hinter den Vorgaben zurückbleiben, sind die Mitgliedstaaten allerdings verpflichtet, die Richtlinie in nationales Recht umzusetzen. Die hierfür vorgesehene Umsetzungsfrist endete am 31. Dezember 2018, Deutschland ist dieser Umsetzungsverpflichtung bis heute nicht nachgekommen. Nachdem das BMF lange argumentiert hatte, es bestehe keine Eile, weil Deutschland „im Wesentlichen" bereits über den Vorgaben genügende Vorschriften verfüge, kam nicht zuletzt aufgrund des durch die EU-Kommission eingeleiteten Vertragsverletzungsverfahrens Bewegung in die Sache. Aufgrund dessen ist dem Vernehmen nach eine Verabschiedung des Gesetzes noch vor der parlamentarischen Sommerpause zumindest möglich.
  
Doch damit nicht genug: Zur ATAD I gesellte sich alsbald die ATAD II. Zu den in der internationalen Steuergestaltung durchaus relevanten sog. hybriden Gestaltungen (das sind abweichende Beurteilungen von Steuersubjekten oder Einkünften zwischen zwei Staaten) wurde kurze Zeit später eine weitere Richtlinie von der EU-Kommission erarbeitet und zwischenzeitlich verabschiedet. Mit der Richtlinie (EU) 2017/952 vom 29. Mai 2017 zur Änderung der Richtlinie (EU) 2016/1164 (das ist die ATAD I) bezüglich hybrider Gestaltungen mit Drittländern, kurz auch als ATAD II bezeichnet, werden weitere Einschränkungen bei der steuerlichen Anerkennung von hybriden Gestaltungen geregelt, die regelmäßig bis 31. Dezember 2019 von den EU-Mitgliedstaaten umzusetzen waren. Auch diese Themen nimmt das o.g. deutsche ATAD-Umsetzungsgesetz auf, das bereits am Tag nach Verkündung in Kraft treten soll.
     

Konzentration des ATAD-Umsetzungsgesetzes auf Kernbereiche

Das BMF sieht sich nach wie vor hinsichtlich mancher durch die ATAD-Richtlinien vorgegebenen Themenbereiche gut aufgestellt. Recht frühzeitig hatte man in Berlin z.B. erklärt, an der allgemeinen Missbrauchsvorschrift im deutschen Steuerrecht (§ 42 Abgabenordnung) keine Änderungen vornehmen zu wollen. Dafür wollte das BMF andere, durch die ATAD nicht vorgegebene Änderungen aufnehmen, z.B. im Bereich der Verrechnungspreise die Änderung der zentralen Korrekturvorschrift des § 1 Außensteuergesetz und die Neueinfügung der §§ 1a, 1b Außensteuergesetz, die einerseits durch jüngere BFH-Rechtsprechung und andererseits durch internationale Entwicklungen bedingt waren. 
  
Obwohl diese Themen nunmehr in das zeitgleich im Gesetzgebungsverfahren befindliche Abzugsteuer­entlastungsmodernisierungsgesetz verschoben wurden, war nicht zuletzt das ein Zankapfel zwischen Bundesfinanz- und Bundeswirtschaftsministerium. Dem Vernehmen nach plädierte das BMWi für eine möglichst wortgetreue, richtliniennahe Umsetzung, während das BMF angesichts des Mindeststandards der Richtlinie inhaltlich und sachlich darüber hinausgehen wollte. Zudem bestand lange keine politische Einigkeit insbesondere über die sog. Niedrigsteuergrenze in § 8 Abs. 3 AStG. Zuletzt war zu hören, man wolle abwarten, bis auf OECD-Ebene über die globale Mindestbesteuerung (sog. Pillar 2) entschieden sei. Das soll bis Ende 2021 der Fall sein. Das BMF hat erklärt, je nach Ausgang der dortigen politischen Gespräche erneut Anpassungen vorzunehmen.
  

Die Kernbereiche des deutschen internationalen Steuerrechts, die damit zur Änderung durch das ATAD-Umsetzungsgesetz verbleiben, sind der Themenkreis der Wegzugsbesteuerung, der Themenkreis der Hinzurechnungsbesteuerung sowie eine Regelung über hybride Gestaltungen und die damit verbundene Nichtabzugsfähigkeit von Zahlungen.

   

Änderungen bei der Wegzugsbesteuerung

Die Wegzugsbesteuerung für Gesellschafter von Kapitalgesellschaften nach § 6 AStG wird vollständig neu formuliert. Hierdurch ergeben sich massive negative Auswirkungen auf die Mobilität und Internationalisierung von vermögenden Privatpersonen. Die Neuregelung ist bereits anwendbar, wenn der wegziehende unbeschränkt Steuerpflichtige sieben und nicht wie bisher zehn Jahre unbeschränkt steuerpflichtig war. Der Beobachtungszeitraum wird hier aber nun auf zwölf Jahre eingeschränkt. Im Vergleich grob nachteilig und liquiditätsbelastend ist: Die Stundungsregelungen werden vereinheitlicht. Die Unterscheidung zwischen Wegzug in ein EU/EWR-Land einerseits und in ein Drittland andererseits entfällt. Für alle Fälle gibt es nur noch die Möglichkeit einer siebenjährigen (Erweiterung um zwei Jahre) ratierlichen Stundung, die nunmehr zinslos sein soll. Allerdings ist hierfür im Grundsatz eine Sicherheitsleistung zu zahlen. Es entfällt die bisher unbefristete Stundung im Falle des Wegzugs in ein EU/EWR-Land. Immerhin wird die Rückkehrmöglichkeit im Rahmen der Wegzugsbesteuerung um zwei Jahre auf zwölf Jahre verlängert.

  

Neu im Vergleich zum Referentenentwurf aus Dezember 2019 ist im aktuellen Regierungsentwurf lediglich § 6 Abs. 2 Satz 4 AStG. Danach gelten, wenn der Steueranspruch nach § 6 Abs. 3 AStG-E (vorübergehende Abwesenheit) entfällt, der Steuerpflichtige sowie dessen unmittelbarer oder mittelbarer Rechtsnachfolger abweichend von § 6 Abs. 2 Satz 1 bis 3 AStG-E als unbeschränkt Steuerpflichtige i.S.d. § 6 Abs. 1 AStG-E für die Ermittlung der Zwölfjahresfrist. Der Grund hierfür ist, dass auf Grund der Rückkehrerregelung und zur Sicherstellung des Steueranspruchs durch die Ergänzung die unbeschränkte Steuerpflicht für Zwecke des § 6 AStG-E bei Inanspruchnahme der Rückkehrerregelung für den Steuerpflichtigen sowie dessen unmittelbarer oder mittelbarer Rechtsnachfolger fingiert werden muss. Das erscheint zur Verhinderung von in praxi vorkommenden Steuergestaltungen geboten und ist insoweit nicht zu kritisieren. Die weitere Entwicklung bleibt abzuwarten.

 

Wichtig ist auch für die Wegzugsbesteuerung, dass die erstmalige Anwendung der Änderungen abermals um ein Jahr verschoben werden soll. Damit ist auch sie (ebenso wie die Neuregelung der Hinzurechnungs­besteuerung) im Grundsatz erst ab 2022 anzuwenden. Was mit den bereits gewährten Stundungen nach aktueller Rechtslage geschieht, ist politisch noch umstritten – bisher ist aber eine Anwendung der Altregelung bis zum 31. Dezember 2021 vorgesehen.

   

Änderungen bei der Hinzurechnungsbesteuerung

Unter der Hinzurechnungsbesteuerung (§§ 7 ff. Außensteuergesetz) sind Regelungen zu verstehen, die unter bestimmten Voraussetzungen die sog. passiven Einkünfte einer niedrig besteuerten Auslandsgesellschaft (= effektive Steuerbelastung < 25 Prozent) einer Besteuerung bei dem inländischen Gesellschafter unterwerfen, ohne dass es zu einem Zufluss bei ihm gekommen ist. Unsere vorläufige Einschätzung zur Reform der Hinzurechnungsbesteuerung lautet: Einerseits werden künftig mehr ausländische Gesellschaften in den Anwendungsbereich fallen, und andererseits hat es der Gesetzgeber versäumt, teilweise seit Jahrzehnten bestehende Missstände zu beseitigen.

  

Das Konzept der Beherrschung wird gänzlich neu geregelt. Nunmehr wird nicht auf eine zufällige Inländerbeherrschung abgestellt, die auch mit einer Vielzahl von Zwergbeteiligungen einander unbekannter Personen gegeben sein konnte, sondern es muss ein Nahestehen der beherrschenden Personen i.S.d. § 1 Abs. 2 AStG gegeben sein. Das allein weitet den Anwendungsbereich ganz erheblich aus. Auch eine beschränkte Steuerpflicht kann neuerdings tatbestandsmäßig sein, wenn die Beteiligungen an der Zwischengesellschaft über eine inländische Betriebsstätte gehalten wird. Es kommt allerdings immer auf den Einzelfall an. Es gibt auch Fallgestaltungen, insbesondere in den bisherigen Fällen der o.g. Zwergbeteiligungen und der nur zufälligen Inländerbeherrschung, die nach neuer Rechtslage eindeutig nicht mehr erfasst werden würden.

 

Der Regierungsentwurf hält entgegen der ATAD an einem Aktivkatalog fest, weil das Richtlinienziel rechtstechnisch auch so umgesetzt werden kann. Hier bleibt vieles in bekanntem Fahrwasser, es gibt aber auch einige Änderungen. Zinsen etwa sind nunmehr ohne Ausnahme passiv, und für Dividenden wurde eine differenzierende Regelung aufgenommen, die u.a. nach der Vorbelastung und der Beteiligungshöhe unterscheidet. Zudem wurde klargestellt, dass die Veräußerungsgewinne das Schicksal der jeweils laufenden Einkünfte teilen.

 

Dem Vernehmen nach dauerte die politische Willensbildung u.a. deshalb so lange, weil man sich nicht auf eine neue Niedrigsteuergrenze einigen konnte. Umso erstaunlicher ist es, dass der Regierungsentwurf nach wie vor an den 25 Prozent festhält, die auch schon seit vielen Jahren Geltung beanspruchen. Insoweit bleibt also alles beim Alten, was aber leider auch für den damit zusammenhängenden Aspekt der Vermeidung einer Doppelbesteuerung gilt: Immer noch ist keine Anrechnung der im Ausland bei der Zwischengesellschaft erhobenen Steuern auf die Gewerbesteuer vorgesehen (obwohl jüngere Finanzgerichtsurteile das in etwas anderem Zusammenhang kürzlich erstmals bejaht haben).

 

Besonders misslich ist auch, dass die im inoffiziellen Gesetzesentwurf aus Dezember 2018 verschwundenen sog. Mitwirkungstatbestände im Gesetzesentwurf plötzlich wieder enthalten sind. Das betrifft insbesondere den Handels- und den Dienstleistungstatbestand. Der Gesetzgeber hat auch davon abgesehen, den Substanztest nach § 8 Abs. 2 AStG auch auf Zwischengesellschaften in Drittstaaten zu erstrecken, obwohl die ATAD das ausdrücklich als Option vorsah und die jüngere Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs auch in diese Richtung wies. Stattdessen hat man den Substanztest in Umsetzung der jüngeren EuGH-Rechtsprechung in Bezug auf Drittstaaten nur für Zwischeneinkünfte mit Kapitalanlagecharakter geöffnet und im Übrigen den Substanztest auch innerhalb Europas verschärft („wesentliche wirtschaftliche Tätigkeit" statt „tatsächliche wirtschaftliche Tätigkeit").

  

Hybride Gestaltungen

Der Gesetzesentwurf zur Umsetzung der von ATAD geforderten Anti-Hybrid-Regeln in das deutsche Recht folgt im Wesentlichen den in ATAD II beschriebenen Mindestanforderungen. Der Gesetzesentwurf sieht keine Mindestbesteuerung auf Ebene des Zahlungsempfängers vor, um für deutsche Zwecke abzugsfähig zu sein. Zahlungen ohne hybride Merkmale, die nach dem Gesetz einer niedrigen Besteuerung/Nichtbesteuerung auf Empfängerebene unterliegen, sollten von der aktuellen Fassung des Entwurfs der Anti-Hybrid-Vorschriften nicht betroffen sein. Steuerbegünstigungen können – je nach Art der Regelung – dazu führen, dass der Abzug verweigert wird oder nicht. Ungeachtet dessen werden die deutschen Dokumentationsanforderungen nach der Abgabenordnung einen erheblichen Arbeitsaufwand für Steuerpflichtige und deren Berater mit sich bringen.

Im Zentrum des ATAD-Umsetzungsgesetzes steht insoweit die Schaffung eines neuen § 4k EStG, dessen Absatz 1 hybride Finanzinstrumente und Übertragungen als relevante Aufwendungen für die Nutzung von Kapitalvermögen oder im Zusammenhang mit der Übertragung von Kapitalvermögen definiert. Die den Aufwendungen entsprechenden Erträge müssen sodann auf Grund einer vom deutschen Recht abweichenden steuerlichen Qualifikation oder Zurechnung des Kapitalvermögens nicht oder niedriger als bei dem deutschen Recht entsprechender Qualifikation oder Zurechnung besteuert werden, damit sie nicht als Betriebsausgaben abziehbar sind. Ergänzend dazu verweigert § 8b Abs. 1 S. 3 KStG die Freistellung von Dividenden, wenn einer anderen Person ein Abzug auf Grund einer vom deutschen Recht abweichenden steuerlichen Zurechnung der Beteiligung zusteht (z. B. Wertpapierleihe).

 

Die neue Vorschrift ist extrem kompliziert geschrieben, was in der Beratungspraxis zu Problemen und sicherlich einer Reihe von Gerichtsverfahren führen wird. Das liegt im Wesentlichen daran, dass der Steuergesetzgeber versucht hat, jeden nur theoretisch denkbaren Qualifikationskonflikt zwischen Deutschland und einem ausländischen Staat einer Regelung zuzuführen. Der oben beschriebene Absatz 1 beinhaltet nämlich nur die Grundregel. Sie wird in den folgenden Absätzen näher konkretisiert: Der neue § 4k Abs. 2 EStG-E behandelt Zahlungen eines hybriden Unternehmens sowie fiktive Zahlungsvorgänge. Der neue § 4k Abs. 3 EStG-E bezieht sich auf Zahlungen an hybride Unternehmen und unberücksichtigte Betriebsstätten, Zuordnungskonflikte bei Betriebsstätten und umgekehrt hybride Gestaltungen. Der neue § 4k Abs. 4 EStG-E rekurriert auf den doppelten Betriebsausgabenabzug und Inkongruenzen bei der steuerlichen Ansässigkeit.

Damit nicht genug: Der neue § 4k Abs. 5 EStG-E behandelt sog. importierte Besteuerungsinkongruenzen und bezieht sich damit auf Aufwendungen auf Ebene des direkten oder indirekten Gläubigers, die nach § 4k EStG einem Abzugsverbot unterliegen würden, d.h. Situationen, in denen aus Aufwendungen unmittelbar oder mittelbar resultierenden Erträgen wiederum Aufwendungen (hybride Aufwendungen) gegenüberstehen, deren Abzug beim Gläubiger, einem weiteren Gläubiger oder einer anderen Person nach diesem Absatz oder einem der vorstehenden Absätze versagt worden wäre, wenn der Gläubiger, der weitere Gläubiger oder die andere Person einer inländischen unbeschränkten Steuerpflicht unterlegen hätte.

 

Der neue § 4k Abs. 6 EStG-E schließlich enthält allgemeine Definitionen wichtiger Begriffe, wie nahestehende Personen, Personen, die durch abgestimmtes Verhalten zusammenwirken und strukturierte Gestaltungen. Auch diese Vorschrift hat es in sich, insbesondere der Begriff der strukturierten Gestaltung ist neu im deutschen Steuerrecht. Basierend auf der Definition der nahestehenden Personen wird zudem eine Beteiligungsschwelle von 25 Prozent für die Anwendung der Anti-Hybrid-Regeln eingeführt. Das geht deutlich über das hinaus, was durch die ATAD II gefordert wird dort (50 Prozent Beteiligungsschwelle).

 

Sonstige Themen

Die Änderungen zur Wegzugsbesteuerung strahlen auch in das Einkommensteuergesetz und Körperschaft­steuergesetz aus, indem der Gesetzgeber § 4 und § 4g EStG angegangen ist und auch § 12 KStG reformiert werden soll. Der Steuergesetzgeber arbeitet also weiterhin stückweise an einem allgemeinen Entstrickungs- und Verstrickungskonzept. Insbesondere Wertverknüpfungen sind dabei zu nennen, genauso wie Regelungen zur Rückkehr in das deutsche Besteuerungsrecht nach dessen vorhergehendem Ausschluss.

   

Bewertung und Ausblick

Der Zeitplan des Gesetzgebungsverfahrens entspricht nach heutigem Stand dem des ebenfalls im Verfahren befindlichen Körperschaftsteuermodernisierungsgesetzes, das nach gegenwärtiger Planung am 25. Juni 2021 im Bundesrat beschlossen werden soll. Zusammen mit dem ATAD-Umsetzungsgesetz und dem oben ebenfalls genannten Abzugsteuerentlastungsmodernisierungsgesetz kommen mit gleich drei anspruchsvollen Reformvorhaben bewegte Zeiten auf das deutsche (internationale) Unternehmensteuerrecht zu.

  

So sinnvoll es auch ist, den beklagenswerten Zustand des laufenden Vertragsverletzungsverfahrens gegen Deutschland schnell zu beenden, so wünschenswert wäre es ebenfalls, die Themen sauber zu durchdenken und sie nacheinander abzuarbeiten. Jedes dieser drei Gesetzgebungsverfahren allein wäre Grund genug, sich ausreichend Zeit zu nehmen, einen ausgewogenen, emotional nicht aufgeladenen politischen Diskurs zu führen und vor allem ausreichend steuerwissenschaftliche Expertise bei Sachverständigen einzuholen. Vor allem Letzteres ist bislang kaum geschehen, und es darf bezweifelt werden, ob dafür noch Zeit bleibt. Es ist zu befürchten, dass aufgrund des Zeitdrucks wenig durchdachte und wenig aufeinander abgestimmte Regelungen in die Welt gesetzt werden, die das internationale Steuerrecht noch komplexer machen und bei denen der erhoffte steuerliche Mehrertrag zweifelhaft erscheint. Komplexe Regelungen müssen nämlich auch vollzogen werden, was in der Besteuerungspraxis zuletzt weniger auf Veranlagungsebene, sondern immer häufiger erst auf der Betriebsprüfungsebene geschieht. Den Steuerpflichtigen drohen daher mitunter sehr lange Zeiträume ohne Rechts- und Planungssicherheit.

  

Andererseits ist es dem Vernehmen nach auch nicht ausgeschlossen, dass vor der Sommerpause 2021 sogar keines der Gesetzesvorhaben verabschiedet wird. Das eingangs genannte politische Tauziehen ist nämlich noch nicht vorüber. Wir werden das Gesetzgebungsverfahren weiter beobachten und an dieser Stelle auf einzelne Themen noch näher eingehen.

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