Konsequenzen des AOA für die Gewinnermittlung bei Betriebsstätten

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Viele deutsche Unternehmen bauen ihre internationale Präsenz laufend weiter aus. Anstatt durch direkte Investitionen über eigenständige Tochtergesellschaften führen deutsche Unternehmen ihre Geschäftstätigkeit häufig durch eine Betriebsstätte aus. Das Stammhaus und die ausländische Betriebsstätte bilden dann zwar rechtlich eine Einheit, steuerlich sind sie jedoch getrennt zu beurteilen.
 
Der Gewinn, der einer Betriebsstätte zugerechnet wird, unterliegt im DBA-Fall grundsätzlich nur in dem Staat, in dem sich die Betriebsstätte befindet, der Besteuerung. Durch die Betriebsstättengewinnermittlung soll eine Aufteilung des Gewinns des Gesamtunternehmens auf die am Wertschöpfungsprozess beteiligten Länder sichergestellt werden.
 

Direkte Gewinnermittlung

Gerade in letzter Zeit ist in der Praxis zu beobachten, dass Betriebsstättensachverhalte verstärkt in den Fokus multinationaler Betriebsprüfungen rücken. Aus dem Zusammenspiel der einzelnen, grenzüberschreitend nicht aufeinander abgestimmten nationalen Rechtsordnungen ergeben sich im internationalen Geflecht unterschiedlichste Betriebsstättendefinitionen und Besteuerungsmöglichkeiten. Dies führt für international tätige Unternehmen zu erheblichen Besteuerungsrisiken. Wird die vorgenommene Gewinnaufteilung durch eine spätere Betriebsprüfung angegriffen, kann es zu unangenehmen Überraschungen wie Doppelbesteuerungen kommen. Es ist somit wichtig, eine sachgerechte Gewinn- und Vermögensabgrenzung für die Betriebsstätte vorzunehmen und gegenüber der Finanzverwaltung zu verteidigen. Unternehmen sind deshalb gut beraten, frühzeitig ein einheitliches Konzept für die Zuordnung der Betriebsstättengewinne zu entwickeln.
 
Für die Gewinnaufteilung bei Betriebsstätten kommen grundsätzlich die direkte Methode und die indirekte Methode in Betracht. Die indirekte Methode, bei der der Gewinn des Gesamtunternehmens nach einem Aufteilungsschlüssel zwischen dem Stammhaus und der Betriebsstätte aufgeteilt wird, wurde in der Vergangenheit teilweise angewendet, kann aber nur in Ausnahmefällen als fremdvergleichskonform angesehen werden. Dagegen stellt die direkte Methode die gängige Methode zur Betriebsstättengewinnermittlung dar. Die Einkünfte werden bei Anwendung der direkten Methode mithilfe einer eigenständigen Betriebsstättenbuchführung ermittelt.
 

Zuordnung und Dealings

Die OECD hat zur Gewinnermittlung bei Betriebsstätten einen neuen Weg eingeschlagen: Betriebsstätten sollen wie rechtlich selbständige und wirtschaftlich unabhängige Unternehmen (functionally separate entity approach) behandelt und fortan steuerlich den Kapitalgesellschaften gleichgestellt werden. Diese neue Sichtweise wurde durch die Aufnahme des Authorized OECD Approach (AOA) in den § 1 Abs. 5 Außensteuergesetz (AStG) und die Veröffentlichung der Betriebsstättengewinnaufteilungsverordnung – BsGaV (BGBl 2014 I, S. 1603 vom 13.10.2014) im deutschen Steuerrecht verankert. Damit wurde die Anwendung der direkten Methode gestärkt. Darüber hinaus bringt § 1 Abs. 5 AStG aber weitere Besonderheiten mit sich, die über die bisherige Vorgehensweise bei Anwendung der direkten Methode hinausgehen.
 
In einem ersten Schritt sind der Betriebsstätte im Rahmen einer Funktions- und Risikoanalyse folgende Sachverhalte zuzuordnen, um sie wie ein eigenständiges und unabhängiges Unternehmen zu behandeln:  
  • wesentliche Personalfunktionen
  • Vermögenswerte
  • Chancen und Risiken
  • Dotationskapital (Eigenkapital)
  • übrige Passiva.
 
Insbesondere bei der Abgrenzung von wesentlichen und unwesentlichen Personalfunktionen können in der Praxis Probleme auftreten, die eine genaue Analyse im Einzelfall erfordern. Auf der Basis der Zuordnung der wesentlichen Personalfunktionen werden die restlichen Funktionen und Vermögenswerte der Betriebsstätte zugeordnet. Ferner muss, um das nötige Dotationskapital richtig zu bestimmen, bei der Wahl der Ermittlungsmethode danach differenziert werden, ob es sich um eine inländische oder ausländische Betriebsstätte handelt. Während bei inländischen Betriebsstätten die Ermittlung der Eigenkapitalausstattung mit Hilfe der Kapitalaufteilungsmethode erfolgt (§ 12 BsGaV), findet bei ausländischen Betriebsstätten die Mindestkapitalausstattungsmethode (§ 13 BsGaV) Anwendung. Abweichungen von diesen Methoden, die eine gesonderte Analyse erfordern, sind in Einzelfällen erlaubt.
 
Aufgrund der fingierten Unabhängigkeit und Selbständigkeit der Betriebsstätte sind anschließend im zweiten Schritt Geschäftsvorfälle wie beispielsweise Nutzungsüberlassungen oder die Erbringung von Dienstleistungen zwischen dem Stammhaus und der Betriebsstätte wie schuldrechtliche Geschäftsbeziehungen zu behandeln. Denn voneinander unabhängige ordentliche und gewissenhafte Geschäftsführer hätten auch Verträge geschlossen (anzunehmende dealings). Folglich müssen solche Geschäftsbeziehungen zunächst identifiziert und sodann für diese Beziehungen Verrechnungspreise auf der Grundlage der im ersten Schritt vorgenommenen Funktions- und Risikozuordnung ermittelt werden, die den Fremdvergleichsgrundsätzen standhalten.
 
Wurden bisher beispielweise Zahlungen für eine Software-Lizenz, die das Stammhaus erworben hat, auf Basis des Nutzungsanteils zwischen Betriebsstätte und Stammhaus aufgeteilt, ist dies künftig nicht mehr möglich. Es muss stattdessen ein fremdübliches Entgelt inklusive angemessenem Gewinnaufschlag von der Betriebsstätte an das Stammhaus verrechnet werden.
 
Ein weiteres Beispiel: Eine deutsche Kapitalgesellschaft begründet in den Niederlanden mit ihren dort angemieteten Büros eine feste Geschäftseinrichtung und somit eine Betriebsstätte. Das notwendige Kapital wird der Betriebsstätte vom Stammhaus zur Verfügung gestellt. Die Betriebsstätte nutzt für ihre Tätigkeit die Patente mit, die vom deutschen Stammhaus gehalten werden. In diesem Fall ist die Betriebsstätte so zu behandeln, als würden ihr die Patente von einem fremden Dritten zur Nutzung überlassen; bei der Gewinnermittlung der Betriebsstätte sind fiktive Lizenzaufwendungen zum Abzug zu bringen und beim Stammhaus in Deutschland als Ertrag zuzurechnen. Hinsichtlich der vom Stammhaus geleisteten Kapitalausstattung ist zunächst der notwendige Eigenkapitalanteil zu trennen. Die verbleibenden Mittel sind wie eine Fremdfinanzierung zu behandeln, für die der Betriebsstätte fremdübliche Zinsaufwendungen und dem Stammhaus in Deutschland entsprechende Erträge zuzurechnen sind.
 


 
In der Praxis kann die neue Selbständigkeitsfiktion des AOA zu teilweise unsachgemäßen Ergebnissen führen, was bereits heftige Kritik ausgelöst hat:  
  • Der zuordenbare Betriebsstättengewinn ist nach dem AOA nicht mehr durch das Gesamtergebnis des Unternehmens begrenzt. Der Betriebsstätte kann vielmehr auch dann ein Gewinn zugerechnet werden, wenn das Gesamtunternehmen als Ganzes keinen Gewinn oder sogar einen Verlust erzielt hat. Daraus kann eine Änderung der Steuerquoten von Stammhaus und Betriebsstätte resultieren.
  • Durch den AOA kann es zu einer vorgezogenen Besteuerung der Betriebsstättengewinne kommen, wenn der Betriebsstätte Gewinne zu einem Zeitpunkt zugeordnet werden, zu dem das Unternehmen als Ganzes noch gar keinen Gewinn erzielt hat.
  • Der AOA fordert nicht nur eine Ergebniszuordnung, sondern im Ergebnis auch die Aufstellung einer Betriebsstätten-Bilanz ausschließlich für steuerliche Zwecke. Für den Steuerpflichtigen bedeutet dies weiteren Zusatzaufwand.
  • Die Gewinnaufteilung und Dokumentation zwischen Stammhaus und Betriebsstätte werden durch den AOA aufwändiger, da Leistungen identifiziert und wie gegenüber fremden Dritten abgerechnet werden müssen.
  • Es besteht die Gefahr einer Doppelbesteuerung in den Fällen, in denen die Staaten unterschiedliche Regelungen für die internationale Gewinnabgrenzung zwischen Betriebsstätten anwenden.
 
Betroffenen Unternehmen wird empfohlen, sich frühzeitig mit diesem Thema auseinandersetzen und die Implementierung des AOA in die Prozessabläufe zeitnah vorzunehmen. Insbesondere sollte die Durchführung von „dealings” sorgfältig dokumentiert werden. Neben den festgelegten Grundsätzen nach nationalem Recht müssen dabei auch immer abweichende Regelungen in den einschlägigen Doppelbesteuerungsabkommen, die den AOA aktuell noch nicht vorsehen, oder eine abweichende Rechtspraxis in den betroffenen Staaten berücksichtigt, sorgfältig dokumentiert und nachgewiesen werden.
  
zuletzt aktualisiert am 19.11.2014
 

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