Update Atemschutzmasken: Vereinfachte Prüfverfahren und Rückkehr zu regulären CE-Konformitätsverfahren

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zuletzt aktualisiert am 22. Juli 2020 | Lesedauer ca. 4 Minuten

  

  

  

Beschleunigter Leistungs- und Sicherheitsnachweis während der Corona-Pandemie

Aufgrund der durch die Coronavirus-Pandemie ausgelösten, anfangs rapid steigenden Nachfrage nach Atemschutzmasken hatte die Europäische Kommission bereits in einer Empfehlung vom 13. März 2020 den Mitgliedstaaten geraten, Lockerungen im Zusammenhang mit der CE-Kennzeichnung von medizinischen Gesichtsmasken und filtrierenden Halbmasken als persönliche Schutzausrüstung (kurz PSA-Atem­schutz­masken bzw. FFP-Masken) vorzusehen. Denn für solche Masken gelten EU-weit grundsätzlich strenge Qualitäts- und Sicherheitsanforderungen, die in spezifischen Konformitätsverfahren nachgewiesen werden müssen. Da die Verfahren zeitaufwendig sind, solche Masken andererseits jedoch gerade für den Schutz medizinischer Fachkräfte von wesentlicher Bedeutung sind, wurde es vorübergehend in vielen Mitgliedstaaten ermöglicht, sie in bestimmten Fällen ohne CE-Kennzeichnung bereit zu stellen. So wurden auch in Deutschland vereinfachte Modelle für das Inverkehrbringen von Atemschutzmasken eingeführt, die gem. der Empfehlung der Europäischen Kommission jedoch nur für medizinische Fachkräfte für die Dauer der Gesund­heits­be­drohung abgegeben werden dürfen, nicht hingegen an nichtmedizinische Anwender durch die normalen Vertriebskanäle.

 

Zahlreiche Unternehmen haben von den beschleunigten Verfahren Gebrauch gemacht; gerade auch solche, die bisher keine persönliche Schutzausrüstung oder Medizinprodukte gefertigt haben und/oder damit begonnen haben, Atemschutzmasken aus Drittländern zu importieren und somit zum Teil betriebsintern ganz neue Produktzweige geschaffen haben. Zu beachten ist jedoch, dass die Möglichkeit der vereinfachten Prüf­ver­fahren am „Auslaufen” ist, da die Versorgung mittlerweile offenbar gesichert zu sein scheint. Das bedeutet aber auch, dass Unternehmen, die solche Atemschutzmasken vermarkten, künftig (wieder) nach regulären Konformitätsverfahren agieren müssen.

 

Vereinfachtes Prüfverfahren für „Corona-Virus Pandemie Atemschutzmasken“ (sog. CPA-Masken)

Während PSA-Atemschutzmasken, die in den USA, Kanada, Australien oder Japan verkehrsfähig sind, auch während der epidemischen Lage in Deutschland dem genannten Personenkreis zur Verfügung gestellt werden dürfen, ohne ein reguläres EU-Konformitätsverfahren durchlaufen zu müssen, wurde für aus anderen Ländern (insbesondere China) eingeführte, sog. „CPA-Masken”, ein vereinfachtes Prüfverfahren (ZLS - Prüfgrundsatz für Corona SARS-Cov-2 Pandemie Atemschutzmasken Rev. 2 – 02.06.2020) geschaffen (siehe § 9 Medi­zinischer Bedarf Versorgungssicherstellungsverordnung – MedBVSV, 25. Mai 2020).

 

Das sieht vor, dass die Prüfstelle bei erfolgreichem Test einen mit „bestanden" gekennzeichneten Prüfbericht und ein Bewertungsschreiben ausstellt, die dem Wirtschaftsakteur ausgehändigt und den jeweiligen CPA-Masken beigefügt werden. Gleichzeitig werden diese Unterlagen an die Zentralstelle der Länder für Sicher­heits­technik (ZLS) übermittelt und dort in einer internen Datenbank hinterlegt, zu der auch die Markt­über­wachungs­be­hörden Zugang haben. Sie informiert das Bewertungsschreiben darüber, dass die geprüften Masken ausnahmsweise bis zum Ende der Pandemie nicht vom Markt genommen werden müssen, was eigentlich zu veranlassen wäre, da sie kein Konformitätsbewertungsverfahren gem. der Verordnung (EU) 2016/425 über persönliche Schutzausrüstungen durchlaufen haben (insbesondere keine Prüfung nach der Norm EN 149:2001+A1:2009). Das vereinfachte Prüfverfahren ersetzt also keine solche Konformitätsbewertung, weshalb an diesen Produkten keine CE-Kennzeichnung angebracht werden darf. Auch die Kennzeichnung als „FFP 2” oder „FFP 3”-Maske oder ein Hinweis auf die Norm EN 149 gilt als irreführend und ist daher nicht gestattet.

 

Zu beachten ist allerdings, dass angesichts des aktuellen Infektionsgeschehens sowie der verbesserten Versorgungslage bei den zuständigen Behörden bereits mögliche Szenarien für eine Rückkehr zu den regulären Verfahren für die Bereitstellung CE-konformer PSA-Atemschutzmasken diskutiert werden. Rein formell gesehen tritt die MedBVSV, durch die das beschleunigte Prüfverfahren ermöglicht wurde, erst mit Aufhebung der Feststellung der epidemischen Lage, spätestens mit Ablauf des 31. März 2021, außer Kraft. Bislang erfolgte keine solche formelle Aufhebung durch den Deutschen Bundestag. Allerdings weisen Diskussionen der Überwachungsbehörden darauf hin, dass die Prüfungsmöglichkeit im vereinfachten Prüfverfahren ab Herbst 2020 nicht mehr angeboten werden soll. In der Folge könnten CPA-Masken auch nicht mehr in Deutschland bereitgestellt werden, unabhängig von einer Feststellung der Aufhebung der epidemischen Lage.

  

Vereinfachte Prüfmöglichkeit von medizinischen Gesichtsmasken und FFP-Masken zwecks befristeter Sonderzulassung als Medizinprodukte

Auf Basis des ZLS-Prüfgrundsatzes für PSA-Atemschutzmasken haben die TÜV NORD CERT GmbH und das Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) einen an die aktuelle Situation ebenfalls ange­passten Prüfgrundsatz für medizinische Gesichtsmasken entwickelt. Die Erfüllung des Prüfgrundsatzes be­rechtigt zwar nicht, die Masken mit dem CE-Kennzeichen zu versehen, kann jedoch in der aktuellen Situation als Nachweis der Leistungsfähigkeit bei Antrag auf eine Sonderzulassung gem. § 7 Abs. 1 Medi­­zin­­pro­­dukte­recht-­Durch­führungsgesetz (MPDG) i.V.m. Art. 59 Verordnung (EU) 2017/745 über Medizinprodukte (MDR) dienen.

 

Die Anwendung der Rechtsgrundlagen für die Sonderzulassung von Medizinprodukten wurde seitens des Bundesgesundheitsministeriums (BGM) und des Bundesministeriums für Arbeit und Soziales (BMAS) zudem vorübergehend zur Behebung des akuten Mangels von Atemschutzmasken auch auf PSA-Atemschutzmasken (FFP2 und FFP3 ohne Auslassventil) erweitert, wenn sie kein CE-Kennzeichen tragen, seitens des Herstellers mit einer medizinischen Zweckbestimmung ausgelobt sind und als Medizinprodukte im Sinne medizinischer Gesichtsmasken in Verkehr gebracht werden sollen. Die Voraussetzungen für die Sonderzulassung von medi­zinischen Gesichtsmasken gelten in diesen Fällen also analog auch für FFP-Masken ohne Auslassventil.

 

Das BfArM hat allerdings Ende Juni 2020 festgestellt, dass es für medizinische Gesichtsmasken aktuell keinen Versorgungsengpass mehr gibt, der eine Sonderzulassung im Interesse der öffentlichen Gesundheit oder der Patientensicherheit rechtfertigen oder gar notwendig machen würde. Etwaige Sonderzulassungen auf Basis bereits vorliegender bzw. ggf. bis zum 30. Juni 2020 eingegangener Anträge sind i.d.R. längstens bis zum 31. August 2020 befristet. In der Folge könnten nicht CE-gekennzeichnete medizinische Gesichtsmasken und FFP-Masken künftig also auch nicht mehr auf der Grundlage von Sonderzulassungen in Deutschland bereitgestellt werden.

 

Aussicht

Die beschriebenen Vereinfachungen im Hinblick auf das Inverkehrbringen und Bereitstellen von Atem­schutz­masken dienten allein dazu, den anfänglichen Versorgungsengpass in der Corona-Krise in den Griff zu be­kommen. Da mittlerweile der Mangel an Atemschutzmasken behoben ist, stellen die vereinfachten Prüf­ver­fahren jedoch ein „Auslaufmodell" dar. Das übrigens auch in anderen EU-Mitgliedstaaten, die vereinfachte Prüfverfahren für Atemschutzmasken eingeführt hatten, z.B. Italien. Die in diesem Bereich tätigen Unter­nehmen sind daher gut beraten, medizinische Gesichtsmasken und PSA-Atemschutzmasken (FFP-Masken) wieder nach spezialgesetzlich vorgesehenen Konformitätsverfahren zu prüfen und, sofern gerechtfertigt, das CE-Kennzeichen anzubringen. Nicht-medizinische Alltagsmasken (einfache Behelfsmasken, sog. „Community-Masken") sind von den strengen Prüfverfahren ausgenommen, dürfen allerdings auch nicht mit spezifischen Schutzzwecken beworben werden, um die Verwender nicht über deren Eignung irrezuführen. Freilich müssen auch solche einfachen Masken die allgemeinen Sicherheitsanforderungen für Verbraucherprodukte einhalten. Um einen Beitrag für europaweit einheitliche Sicherheitsstandards zu leisten, wurde vom Europäischen Komitee für Normung (CEN) im Juni 2020 in einem beschleunigten Verfahren das Workshop Agreement CWA 17553:2020 für nicht-medizinische Alltagsmasken erstellt, das Mindestanforderungen für deren Design, Herstellung und Leistungsbewertung festlegt. Voraussichtlich wird diese technische Regel in den normalen Normungsprozess überführt.

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