Staatliche Maßnahmen zur Eindämmung von wirtschaftlichen Folgen der Covid-19 Pandemie in Ungarn

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veröffentlicht am 3. April 2020 | Lesedauer ca. 5 Minuten

  

Das neuartige Coronavirus hat sich zu einer weltweiten Pandemie ausgeweitet. Hierdurch kommt das öffentliche und wirtschaftliche Leben in vielen Ländern zum Erliegen. Hatte man im Januar 2020 noch die Hoffnung, die Auswirkungen würden sich auf den asiatischen Raum beschränken, breitete sich das Virus weltweit aus, mit erheblichen Folgen und Einschränkungen für die Bevölkerung wie auch für die Wirtschaft bzw. für die Unternehmen.

  

  

Seit Mitte März 2020 hat nun auch die Regierung in Ungarn eine Vielzahl von Verordnungen verabschiedet, welche diese nativen Auswirkungen eindämmen/beschränken sollen. Viele der Regelungen gelten vorläufig bis einschließlich Juni 2020, können aber bei Bedarf verlängert werden. Nachfolgend möchten wir die wichtigsten Maßnahmen vorstellen, die von der ungarischen Regierung bisher getroffenen wurden, um die wirtschaftlichen Auswirkungen auf die Bevölkerung und die Unternehmen einzudämmen.

 

 

Arbeitsrechtliche Massnahmen

Ziel der ungarischen Regierung bezüglich der Arbeitsverhältnisse ist es, unter den vorliegenden Umständen eine flexiblere Ausgestaltung der Beschäftigungsverhältnisse zu ermöglichen, um erforderliche Anpassungen durchführen sowie Arbeitsplätze erhalten zu können. Das ungarische Arbeitsgesetzbuch beinhaltet keine Regelung darüber, welche Möglichkeiten die Arbeitgeber in einer Not-, oder Gefahrensituation haben. Um dieses Problem zu überwinden, hat die ungarische Regierung den Arbeitgebern und ihren Mitarbeitern per Regierungsverordnung insbesondere folgende Erleichterungen und Vorgehensweisen eingeräumt:

  • Modifizierung der Arbeitszeiteinteilung: Der Arbeitgeber kann einseitig die Arbeitszeiteinteilung des Arbeitnehmers modifizieren und dabei die Bestimmungen des ungarischen Arbeitsgesetzbuchs bezüglich der Mitteilungsfrist (Mitteilung spätestens 96 Stunden vor Beginn der Arbeitszeit) außer Acht lassen.
  • Home-Office und/oder Telearbeit: Der Arbeitgeber kann einseitig Home-Office und/oder Telearbeit anordnen. 
  • Gesundheitsprüfung: Der Arbeitgeber kann die Gesundheit der Arbeitnehmer jederzeit kontrollieren lassen. 
  • Zweiseitige Vereinbarung der Parteien: Der Arbeitgeber und der Arbeitnehmer können in zweiseitiger Vereinbarung von den Bestimmungen des ungarischen Arbeitsgesetzbuchs abweichen.

 

Kein Kurzarbeitergeld: Wir weisen darauf hin, dass es in Ungarn keine dem deutschen Kurzarbeitergeld vergleichbare Leistungen gibt und sich auch das ungarische Arbeitsrecht mit dieser Thematik nicht beschäftigt. Aus diesem Grunde ist je Einzelfall zu entscheiden, wie unter Berücksichtigung der gesetzlichen Vorgaben eine für beide Seiten verträgliche Vorgehensweise erreicht werden kann, falls z.B. eine Kurzarbeit oder vorübergehende Unterbrechung der Tätigkeit beabsichtigt wird.

 

Sozialversicherungsbeiträge

Laut Regierungsverordnung werden gewisse Dienstleistungsunternehmen, deren Haupt-tätigkeit in die Kategorien Gastronomie, Hotellerie, Taxigewerbe, Sport- und Freizeitgewerbe, künstlerischer- und Unterhaltungsbereich, Glücksspielgewerbe und gedruckte Presse fällt, von der Leistung der Arbeitgeberanteile zur Sozialversicherung und dem Ausbildungsbeitrag (17,5 Prozent + 1,5 Prozent) für die Monate März, April, Mai und Juni 2020 befreit. Entsprechendes gilt für die sog. Reha-Abgabe für diese vier Monate. Die im Einzelnen begünstigten Wirtschaftszweige werden mit Angabe der Nace-Codes (sog. TEÁOR) in der Regierungsverordnung aufgelistet.  

 

Die betroffenen Arbeitnehmer werden von der Leistung des Arbeitnehmeranteiles zur Rentenversicherung bis einschließlich Juni 2020 befreit und der monatliche Kranken-versicherungsbeitrag wird bis zum 30. Juni auf HUF 7.710 maximiert. Nachteile sollen den Arbeitnehmern hierdurch nicht entstehen, die Renten­versicherungs­zeiten werden so ermittelt, als wären die Versicherungsbeiträge für diese Zeit entrichtet worden.

 

Mutterschaftsgeld, Kindergeld

Für im Mutterschutz befindliche Mütter wird ihr Status inklusive der Leistungen bis Ende des Notstandes verlängert, entsprechendes gilt für die Leistungen von Kindergeld (u.a. ungarische GYED, GYES, GYET).

 

Steuerbelastung von Kleinunternehmen und Freiberuflern

Kleinunternehmen mit einem Jahreseinkommen von weniger als HUF 12 Mio., deren Haupttätigkeit insbesondere in die Bereiche Gastronomie, Hotellerie, Taxigewerbe, Sport- und Freizeit-gewerbe, künstlerischer- und Unterhaltungs-bereich, Veranstaltungswesen, Glücksspiel-gewerbe, Schönheits- und Gesundheitswesen, Monteure aus dem Bauwesen und gedruckte Presse fällt, sind von der Erhebung der Kleinunternehmenssteuer „KATA" für die Monate März, April, Mai und Juni 2020 befreit. Die begünstigten Wirtschaftszweige werden mit Angabe der Nace-Codes (sog. TEÁOR) in der Regierungsverordnung angegeben. Auch ein Zahlungsmoratorium für die vor dem 1. März entstandenen KATA Steuerschulden bis zum ersten Quartal nach der Aufhebung des derzeitigen Notstandes wurde aufgenommen.

 

Beantragung einer Steuerstundung, Reduzierung von Abschlagszahlungen

Die Regierung hat keine allgemeinen Steuererleichterungen eingeführt, allerdings sollen Anträge für die Beantragung von Steuerstundungen für direkte oder indirekte Steuern, die wegen der Folgen der Pandemie gestellt werden, zügig bearbeitet werden. Eine Reduzierung der Abschlagszahlungen kann ebenfalls beantragt werden, falls von einem erheblichen Einbruch der Umsätze und Erträge im laufendem Geschäftsjahr ausgegangen wird. Eine Möglichkeit, die Frist für die Einreichung von Steuererklärungen zu verlängern, besteht allerdings derzeit nicht.

 

Tourismusentwicklungsbeitrag

Die Tourismusentwicklungsbeitrag wird für die Monate März bis Juni 2020 ausgesetzt.

 

Ein- und Ausreisebestimmungen

Ausländer mit ständigem Wohnsitz in Ungarn (im Besitz einer Aufenthaltsgenehmigung „álandó tartózkodási kártya", oder Wohnsitzkarte „lakcímkártya") dürfen auch weiterhin nach Ungarn einreisen. Ansonsten besteht ein recht striktes Einreiseverbot, wobei Berufspendler hiervon anhand zwischenstaatlicher Vereinbarung (z.B. Pendler aus der Grenzregion der Slowakei und Rumänien) eine Ausnahme darstellen können. Eine Reisebeschränkung ungarischer Staatsbürger besteht derzeit nicht.

 

Probleme können sich hieraus derzeit u.a. bei kurzfristigeren Beschäftigungen von auslän-dischen Staatsbürgern im Rahmen von Projektgeschäft oder Wartungsaufträgen ergeben.

 

Transitverkehr

Für Ungarn durchquerende Transporte, die Nachbarländer beliefern, wurden Warenverkehrs-korridore festgelegt. Die Fahrtüchtigkeit der Fahrer wird an den Grenzen kontrolliert und falls der Verdacht auf eine Erkrankung besteht, kann eine Quarantänepflicht verhängt werden, wie es auch zu einer Verweigerung der Einreise kommen kann.

 

Öffnungszeiten von Geschäften, Dienstleistern und Öffentlichen Einrichtungen

Laut Regierungsverordnung dürfen Geschäfte und Restaurants nur noch zwischen 06:00 und 15:00 Uhr öffnen (Mitarbeiter und Angestellte dürfen sich auch außerhalb dieser Öffnungszeiten in den Geschäftsräumen aufhalten). Ausgenommen von der Beschränkung der Öffnungszeiten sind insbesondere Lebensmittel­geschäfte, Apotheken, Drogerien, Tankstellen und Tabakgeschäfte, sowie „zur Über- bzw. Mitnahme" bestellte Nahrungs-mittel der Gastronomie.

 

Der Präsenzunterricht an Schulen und Universitäten wurde eingestellt, Kindergärten sind geschlossen. Für Schulen, Universitäten usw. wurde die Online-Unterricht eingeführt.

 

Kultur- und Freizeiteinrichtungen sind geschlossen, Veranstaltungen sind verboten (Ausnahmen derzeit: Zeremonien religiöser Gemeinschaften, Eheschließungen und Bestattungen).

 

Ausgangsbeschränkungen

Laut Regierungsverordnung vom 27. März 2020 wurde eine Ausgangsbeschränkung vom 28. März bis zum 11. April eingeführt. In der Verordnung wird detailliert aufgelistet, zu welchen Anlässen der Wohn- und Aufenthaltsort verlassen werden darf. Hierbei handelt es sich insbesondere um den Weg zur Arbeit, notwendige Einkäufe, Inanspruchnahme medizinischer Dienstleistungen, Hilfe bedürftiger Personen, individuelle Freizeitsportbeschäftigungen. Eine Arbeitgeber-bescheinigung für die Anreise zur Arbeitsstelle ist derzeit nicht erforderlich.

 

Laut der Verordnung dürfen sich im Zeitraum zwischen 09:00 und 12:00 Uhr ausschließlich Personen, die das 65. Lebensjahr vollendet haben, in Lebensmittelgeschäften, Drogerien, Märkten und Apotheken neben den dort Beschäftigten aufhalten. Die Einhaltung dieser Vorgaben wird vom lokalen Ordnungsamt überwacht werden.

 

Tilgungsmoratorium

Bis zum Endes des Kalenderjahres 2020 werden Kredittilgung, Zinszahlung wie auch Gebührenleistungen für Unternehmen und Privatpersonen (inklusive Mitarbeiterdarlehen) in Bezug auf Verträge ausgesetzt, die bis zum 18. März 2020 abgeschlossen bzw. aufgenommen wurden. Entsprechendes gilt für Verbindlichkeiten aus Finanzierungsleasingverträgen. Kurzfristige Unternehmenskredite, die in Kürze auslaufen, werden automatisch bis zum Jahresende verlängert. Auch wird die Berechnung von Zinseszinsen für den Zeitraum des Moratoriums untersagt.

 

Für seit dem 19. März 2020 aufgenommene Verbraucherkredite werden die Kreditkosten auf den Basiszinssatz der Ungarischen Nationalbank „MNB", zzgl. 5 Prozent maximiert.

 

Geschäftsmieten

Laut Regierungsverordnung sind gewisse Dienstleistungsunternehmen, deren Haupttätigkeit in die Kategorien Gastronomie, Touristik, Sport- und Freizeitgewerbe, künstlerischer- und Unterhaltungsbereich, Veranstaltungswesen, Glücksspielgewerbe und Filmproduktion fällt, besonders von der Covid-19 Pandemie betroffen, weshalb bezüglich bestehender Mietverhältnisse dieser Unter-nehmen folgendes bestimmt wurde:

 

Mietverträge, die sich nicht auf als Wohnung dienende Räumlichkeiten beziehen, dürfen bis zum 30. Juni 2020 nicht durch Kündigung aufgelöst werden. Dieser Kündigungsschutz kann entsprechend dem Bestehen des Notstands verlängert werden.

 

Die Miete darf während des Bestehens des Notstandes nicht erhöht werden, auch in jenen Fällen nicht, in denen dies der Vertrag sonst ermöglichen würde.

 

Gerichts-, Vollstreckungsverfahren

Zwangsvollstreckungen und Zwangsräumungen werden bis zur Aufhebung des Notstandes ausgesetzt und es wurde ein Moratorium für die Vollstreckung von Steuerschulden bis 15 Tage nach Ende des Notstandes beschlossen.

 

Offizielle Dokumente

In Ungarn gültige, von amtlicher Seite ausgestellte Ausweisdokumente ungarischer Staatsbürger, die demnächst ablaufen, sind bis 15 Tage nach dem Ende des Notstandes weiterhin gültig.

 

Strategische Unternehmen

Um die kontinuierliche Versorgung der Bevölkerung und der öffentlichen Einrichtungen zu gewährleisten, werden Berater des Verteidigungsministeriums zu vorher als strategische Unternehmen bestimmten Gesellschaften delegiert. Hierbei handelt es sich insbesondere um Großunternehmen, die in den Bereichen Nahrungsmittelherstellung und – vertrieb, Pharmaindustrie, Telekommunikation und Energiehandel tätig sind.

 

Zusammenfassung

Die Corona-Pandemie hat umfangreiche Auswirkungen auf die Bevölkerung und das weltweite Wirtschafts­geschehen. Eine Vielzahl von Unternehmen und ihre Mitarbeiter stehen bereits vor schweren Zeiten und haben erhebliche finanzielle Einbußen. Betroffene Unternehmen sollten versuchen, mit ihren Mitarbeitern gemeinsam Lösungen zu finden, um die nächsten Monate gut zu überstehen und nach dem Notstand schnellstmöglich wieder durchstarten zu können. Bei vielen Unternehmen ist die Geschäftstätigkeit aus verschiedensten Gründen leider derzeit erheblich rückläufig. Teils ist der Absatzmarkt – aus welchen Gründen auch immer – eingebrochen, teils wurden wichtige Lieferketten unterbrochen.

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