Strafrechtliche Vermögensabschöpfung 2.0 – Vermehrter Vollzug der gesetzlichen Vorschriften

PrintMailRate-it

veröffentlicht am 6. August 2019 | Lesedauer ca. 4 Minuten
 
Der deutsche Gesetzgeber hat im Jahr 2017 die Änderung der strafrechtlichen Ver­mögens­ab­schöpf­ung zu weiten Teilen umgesetzt und den Strafverfolgungs­be­hörden damit ein scharfes Schwert an die Hand gegeben. In Zukunft wird das Instrument auch im Unternehmenskontext eine wichtige Rolle spielen, insbesondere in Familien­unter­nehmen. Denn den Strafverfolgungsbehörden erlaubt das massiven Eingriff in die Vermögenswerte – v.a. dann, wenn das Unternehmen durch die Straf­tat eines Mit­arbeiters zwar Vermögenswerte erlangt hat, aber dennoch geschädigt wurde.
 

Das deutsche Strafrecht (bzw. der deutsche Gesetzgeber) gibt für Straftaten eine klare Devise aus: Kriminalität darf sich nicht lohnen! Getreu diesem Motto hat der Gesetzgeber mit der strafrechtlichen Einziehung von Vermögen ein effektives Werkzeug für Strafverfolgungsbehörden geschaffen: Vermögenswerte, die durch eine Straftat erlangt wurden, können bei demjenigen eingezogen werden, der im Besitz des entwendeten Gutes ist – also auch bei Unternehmen.
 
Grundsätzlich gilt: Illegal erlangte Güter sind herauszugeben – unabhängig davon, ob man Täter der zugrunde­liegenden Straftat ist oder nicht. Problematisch wird es in den Fällen, in denen nicht der Täter selbst, sondern ein Dritter im Besitz des durch eine Straftat erlangten Gutes ist. Dann ist von besonderer Bedeutung in welcher Beziehung der Täter zu dem Dritten steht oder, ob der Dritte damit rechnen musste, dass der übertragene Wertgegenstand nicht auf legalem Weg erlangt wurde.
 

Höhere Wachsamkeit

Aufgrund des bestehenden gegenseitigen Vertrauens in Familienunternehmen kann das neu gefasste straf­rechtliche Vermögensabschöpfungsrecht v.a. bei Familienunternehmen besondere Tragweite entfalten.
 
Die Devise „Vertrauen statt Kontrolle” sowie die Bewahrung des über Generationen hinweg übertragenen Unternehmens sind wichtige Maßgaben in Familienunternehmen. Beides hat für die Gründer, aber auch deren Nachkommen, Bestand und einen nicht in Zahlen messbaren, wirtschaftlichen Wert. Fast noch wichtiger ist aber der ideelle Komponente: Das eigens geführte Unternehmen darf unter keinen Umständen Schaden nehmen.
 
Alle drei Grundfesten können durch das auf dem Vormarsch befindliche strafrechtliche Einziehungsrecht erschüttert werden und damit das eigene Unternehmen in wirtschaftliche Schieflage bringen. Gerade, weil die neugefasste Art der Einziehung immer häufiger angewendet wird als das bisherige Vermögensabschöpfungs­recht.
 
Folgendes Fallbeispiel verdeutlicht, wie es auf diese Weise auch das Familienunternehmen F traf – einen Weltmarktführer im Bereich der Herstellung von Stahlträgern. Geleitet wird das Unternehmen von Fremd­geschäftsführer G. Für die Herstellung verarbeitet F eine erhebliche Menge an Rohstahl, der von verschiedenen Lieferanten bezogen wird. Im Zusammenwirken mit dem Vertriebsleiter V des Lieferanten L entwendete G Rohstahl bei L und verschafft ihn dem Unternehmen F.

 

Abbildung 1: Übersicht aller Beteiligter

 


 
G und V schalten den Logistikunternehmer T ein, der den Rohstahl vom Unternehmensgelände des L an F liefert und auch entsprechende Rechnungen über den Verkauf des entwendeten Rohstahls an F schreibt. So entsteht nach außen der Eindruck, dass es sich um ein „normales” Geschäft zwischen F und T handelt, der als weiterer Lieferant für Rohstahl in Erscheinung tritt. Für den außenstehenden Marktteilnehmer ist nicht erkennbar, dass entwendetes Material unter dem Anschein der Ordnungsmäßigkeit verkauft wird.
 
Die erzielten Verkaufserlöse werden zwischen G, T und V geteilt. Im Familienunternehmen F hatte niemand Kenntnis von der Vorgehensweise: Der illegal erworbene Rohstahl ging im allgemeinen Geschäftsbetrieb unter.
 
F verwendet den Rohstahl zur Herstellung von Stahlträgern, die er üblicherweise an seine Kunden weiter­verkauft. Es ist nicht mehr nachzuvollziehen, welche Stahlträger mittels der entwendeten Ressourcen hergestellt wurden.
 
Bei L wird man aufgrund des Schwundes stutzig und überwacht die Materiallager. Dabei kommt man G und V auf die Spur. L erstattet Strafanzeige und die beiden geschädigten Unternehmen trennen sich aufgrund des Vertrauensbruchs von ihren Mitarbeitern G und V. Bei dem Strafverfahren wird das Familienunternehmen F als sog. „Einziehungsbeteiligter” eingebunden, obwohl das Unternehmen selbst an sich nicht in die Straftat involviert war. Ansatzpunkt ist lediglich das Erlangen des Besitzes an dem entwendeten Rohstahl.
 
Als Folge der Einziehungsbeteiligung wird im Urteil des Strafverfahrens ausgesprochen, dass F die illegal erworbenen Vermögenswerte zurückzugeben hat: Würde der Rohstahl in seiner originären Form noch existieren, müsste F das Material an L herausgeben. Da das jedoch nicht mehr der Fall ist, muss F stattdessen den Materialwert ersetzen.
 
Dabei geht es jedoch nicht um den erzielten Gewinn, sondern die getätigten Umsätze. Bei volumenträchtigen Vorgängen kann diese sog. „Wertersatzpflicht” schnell in Größenordnungen vorstoßen, die die Liquidität eines Unternehmens aufbrauchen oder gar übersteigen kann. Aus rein monetärer Sicht steht sodann das Schreck­gespenst der „Insolvenz” im Raum. Daneben bedeutet der Diebstahl nicht nur einen erheblichen Vertrauensverlust, sondern auch eine erhebliche Rufschädigung, in ein derartiges öffentliches Verfahren einbezogen zu werden.
 
Der Vollzug des neuen Vermögensabschöpfungsrecht befindet auf dem Vormarsch, da seitens des Gerichts kein Ermessensspielraum mehr besteht, ob eine derartige Einziehung stattfindet, sondern nur noch in welchem Maße. Vor der Gesetzesänderung konnten die Strafverfolgungsbehörden den Sanktionen relativ einfach ausweichen; ein Absehen von der Vermögensabschöpfung ist zwischenzeitlich nur noch in ganz wenigen Ausnahmefällen möglich.
 

Fazit

Das neue Vermögensabschöpfungsrecht ist ein weiterer Anlass die Geschäftsvorgänge in inhabergeführten Unternehmen bzw. Familienunternehmen einer noch sorgfältigeren Kontrolle zu unterziehen als das mög­licher­weise bisher der Fall war. Es bestätigt sich: Vertrauen ist gut, Kontrolle ist besser.
 
Durch die gesetzliche Neufassung sind Familienunternehmer zum Wohl ihres Unternehmens aufgefordert, die unternehmerischen Vorgänge jenseits des Vertrauens zu prüfen und somit ihrer wirtschaftlichen, aber auch ideellen Verantwortung nachzukommen. Der Wert und die fortbestehende Existenz des Unternehmens werden erhalten.

 Bitte beachten Sie:

  • Sie sollten nicht ausschließlich auf Vertrauen setzen.
  • Überwachen Sie die Unternehmensprozesse sorgfältig.
  • Achten Sie nicht nur auf Ihre Mitarbeiter, sondern auch auf die Geschäftsvorgänge und prüfen Sie letztere regelmäßig auf Aktualität.
Deutschland Weltweit Search Menu