IFRS im Mittelstand – Chancen der Anwendung nutzen und Potenziale eröffnen

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​zuletzt aktualisiert am 15. Februar 2022 | Lesedauer ca. 4 Minuten
 
Kapitalmarktorientierte Mutterunternehmen in der EU sind zur Anwendung der International Financial Reporting Standards (IFRS) im Konzernabschluss verpflichtet. Aber auch nicht-kapitalmarktorientierte deutsche Mutterunternehmen können frei­willig einen befreienden Konzernabschluss nach IFRS statt nach HGB aufstellen. Im Mittelstand wird von der Option allerdings selten Gebrauch gemacht, da Unternehmen oft die damit verbundenen Anforderungen scheuen. Dabei bringen die IFRS einige Vorteile und Nutzenpotenziale mit sich. 
  
               

 
Mit der Entscheidung, die Rechnungslegung von HGB auf IFRS umzustellen, betreten Management und Mit­arbeiter häufig Neuland im Bereich der Rechnungslegung und sehen sich neuen Anforderungen gegenüber. Daher ist es stets ratsam, für die Umstellung auf IFRS eine angemessene Vorlaufzeit einzuplanen, um sich mit allen möglichen Auswirkungen zu beschäftigen. Besonders wichtige Bereiche sind das externe und interne Berichtswesen, Prozesse und Organisation, IT und Personal sowie das Knowledge-Management. Insgesamt ist bei der Umstellung der Rechnungslegung auf IFRS folglich mit erhöhten einmaligen und laufenden Kosten zu rechnen.
 

Das wiederum ist ein zentraler Grund, weshalb mittelständische Unternehmen häufig auf die freiwillige An­wendung der IFRS verzichten. Zudem schrecken viele vor der Änderungsdynamik sowie der wahrgenom­menen Komplexität der IFRS zurück. Gerade letztere ist oft jedoch nur Spiegelbild der zunehmenden Komplexität der in der Rechnungslegung abzubildenden wirtschaftlichen Transaktionen, von der auch der HGB-Abschluss nicht unberührt bleibt.
 

Die übergeordnete Zielsetzung der IFRS besteht in der Vermittlung entscheidungsnützlicher Information an die Stakeholder des berichtenden Unternehmens. Kapitalmarktinvestoren werden als prototypische Adressaten in den Blick genommen. Auch wenn die IFRS-Umstellung vor dem Hintergrund für mittelständisch geprägte, inhabergeführte Unternehmen zunächst widersprüchlich erscheinen mag, können sich bei genauerer Analyse gerade auch für diese Unternehmen einige interessante Vorteile ergeben. Bspw. können insbesondere für wachstumsstarke, international aufgestellte Unternehmen Optimierungspotenziale bei den bestehenden Reporting-Strukturen generiert werden. Die IFRS-Umstellung kann zudem die Umsetzung der verfolgten Wachstumsstrategie unterstützen sowie die Kommunikation mit den Stakeholdern verbessern.

 

Optimierung interner Reporting-Strukturen

Obwohl die IFRS primär der externen Berichterstattung dienen, hat eine Umstellung auch Auswirkungen auf das interne Reporting. Das resultiert v.a. aus dem im IFRS-Regelsystem verankerten Konzept des sog. „Management Approach”, das die enge Verzahnung von internem und externem Berichtswesen erfordert – z.B. bei der Analyse von Entwicklungsprojekten, für Zwecke der zeitraumbezogenen Umsatzrealisierung, etwa bei Fertigungsaufträgen, oder im Rahmen von Wertminderungstests. Die Harmonisierung von internem und externem Rechnungswesen bei der Umstellung auf IFRS schafft somit eine einheitliche Basis für die operative und strategische Steuerung des Unternehmens. Zudem sollte ein IFRS-Einführung als Chance genutzt werden, gleichzeitig die internen Berichtsstrukturen zu straffen.
 

Weitere Optimierungsmöglichkeiten für die Unternehmenssteuerung ergeben sich aus der auf die Vermittlung entscheidungsnützlicher Information gerichteten Zielsetzung der IFRS. Daraus folgen – im Gegensatz zu der vom Vorsichtsgedanken geprägten HGB-Rechnungslegung – die möglichst unverzerrte und neutrale Darstel­lung von Chancen und Risiken sowie eine stärkere Orientierung der Bilanzierung an Zeitwerten. Der resul­tierende höhere Informationsnutzen der IFRS-Daten kann Potenziale für deren Verwendung für Management-Reportings oder die wertorientierte Steuerung von Unternehmensbereichen eröffnen und damit wertvolle neue Perspektiven auf das Geschäftsmodell aufzeigen.
 

Gerade für internationale Unternehmen eröffnet die Vereinheitlichung des Konzernberichtswesens durch die IFRS-Umstellung weitere Vorteile. Bei der Aufstellung des Konzernabschlusses sind die lokalen Abschlüsse dann nicht mehr auf HGB, sondern auf IFRS überzuleiten. Dadurch ergeben sich merkliche Kosteneinspa­rungspotenziale, da zum einen das notwendige Know-how im Vergleich zu HGB-Kenntnissen im Ausland leichter vorzufinden und einfacher verfügbar ist, sowie die IFRS zum anderen global sehr weit verbreitet sind. Die Überleitung von lokalen Abschlüssen auf die Konzern-Rechnungslegungsstandards IFRS wird dadurch oftmals vereinfacht oder gar hinfällig.
 

Häufig sind auch Veränderungen im Gesellschafterkreis Anlass einer IFRS-Umstellung, v.a. wenn ein neuer Mehrheitsgesellschafter seinerseits zur Aufstellung eines IFRSKonzernabschlusses verpflichtet ist. Nicht selten müssen dann innerhalb kurzer Zeit auf IFRS übergeleitete und geprüfte Zahlen und Angaben an den neuen Eigentümer berichtet werden. Dazu ist regelmäßig der Einsatz von Spezialisten erforderlich, die bei der kurzfristigen Umstellung der Prozesse, der Ermittlung zusätzlicher Daten sowie der Schulung der Mitarbeiter unterstützen. Sofern derartige Veränderungen im Gesellschafterkreis angedacht oder absehbar sind, empfiehlt sich die möglichst frühzeitige Umstellung, umrechtzeitig Know-how aufzubauen, Flexibilität zu gewinnen und die oft sehr dynamische Integrationsphase vom Zusatzaufwand der Umstellung zu entlasten.

 

Unterstützung der Wachstumsstrategie

Mit Blick auf die tendenziell einfachere Überleitung nationaler Abschlüsse auf IFRS statt auf HGB erleichtert die IFRS-Anwendung in Expansionsphasen oft auch die Integration erworbener ausländischer Unternehmen, da notwendige Veränderungen reduziert werden und der Umstellungsaufwand dadurch sinkt.
 

Außerdem profitieren gerade expandierende Unternehmen, die im Rahmen ihrer internationalen Wachstums­strategie auf der Suche nach weiteren Kapitalgebern sind, von einer Umstellung auf IFRS. Das gilt besonders dann, wenn mittel- oder langfristig eine Finanzierung oder ein „Exit” über den Kapitalmarkt in Betracht gezogen werden. Durch die vorzeitige Anwendung der IFRS können Unternehmen an die Rechnungslegungsan­for­derungen des regulierten Kapitalmarkts herangeführt werden und dabei intern wertvolles Wissen aufbauen. Dadurch entsteht für sie zum Zeitpunkt des Börsengangs und der daraus resultierenden IFRS-Anwendungs­pflicht ein wesentlicher Zeit- und Kostenvorteil. Flexibilität, Handlungsmöglichkeiten und Reaktions­ge­schwindigkeit vor einem IPO werden so deutlich erhöht.

 

Mit der vergleichsweise höheren Transparenz und dem erweiterten Informationsgehalt des IFRS-Abschlusses können potenzielle Investoren zudem frühzeitig ein umfassendes und unverzerrtes Bild über die Vermögens-, Finanz- und Ertragslage des Unternehmens gewinnen. Dadurch kann die Risikobeurteilung der Investoren sinken, Ratings können steigen und im Ergebnis die Beziehung zwischen Unternehmen und Investoren verbes­sert sowie eventuell auch Kapitalkosten gesenkt werden. Selbst wenn es letztlich nicht zur Notierung am regulierten Kapitalmarkt kommen sollte, kann die Anwendung der IFRS andere Finanzierungsformen überhaupt erst ermöglichen oder zumindest erleichtern, denn oftmals verlangen auch Banken die Vorlage von IFRS-Abschlüssen – v.a. bei internationalen Finanzierungsvorhaben. Eine frühzeitige Umstellung auf IFRS kann somit die Flexibilität des Kapitalmanagements erhöhen und gewichtige Nutzenpotenziale eröffnen.
 

Verbesserte Kommunikation mit Stakeholdern

Für international tätige mittelständische Unternehmen kann die freiwillige Anwendung der IFRS schließlich auch aufgrund des globalen Wettbewerbs auf den Beschaffungs-, Produktions- und Absatzmärkten von Vorteil sein. Es ist im Sinne des Erhalts der Wettbewerbsfähigkeit wichtig, über Zahlenwerke und Informationen für die relevanten Stakeholder zu verfügen, die einen Vergleich zu anderen Unternehmen ermöglichen. Durch die globale Verbreitung der IFRS ist die Vergleichbarkeit vollumfänglich gegeben.
 

Fazit

Ob der Nutzen einer freiwilligen Bilanzierung nach IFRS deren Kosten überwiegt, ist stets vom Einzelfall abhängig und unternehmensindividuell zu beurteilen. Als Unternehmen auf dem Sprung an den Kapitalmarkt, auf Wachstumskurs oder mit internationaler Ausrichtung empfiehlt es sich allemal, diese Möglichkeit frühzeitig zu prüfen sowie bestehende Chancen systematisch zu identifizieren und zu bewerten.

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