Entwicklungsleistungen im Konzernverbund: Möglichkeiten im Zollwertrecht

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Üblicherweise läuft der Globalisierungsprozess in Unternehmen nach einem ähnlichen Schema ab. Im ersten Schritt werden Produkte ins Ausland direkt verkauft. Hierfür werden oft Handelsvertreter oder vergleichbare rechtliche Konstrukte angewandt. Durch die positive Entwicklung der Verkaufszahlen werden häufig eigenständige Vertriebsgesellschaften in den Ländern gegründet, um möglichst stark am Markt auftreten zu können und, um in direkten Kontakt mit dem Zielmarkt zu treten. Je stabiler sich die Verkaufszahlen entwickeln, umso eher möchte man aus verschiedenen Gründen (bspw. Local Value-Regeln, günstiger subventionierter inländischer Wertschöpfung oder Reduzierung der Logistikkosten) Produktionskapazitäten im Zielland selbst etablieren. Als letzte, aber auch sensibelste Phase der Globalisierung, wird dann meist in gewissen Märkten Entwicklungskompetenz geschaffen. Diese Entwicklungskompetenz folgt unterschiedlichen Treibern. Als Wichtigste lassen sich v.a. die Faktoren „Kapazitätsengpässe/Fachkräftemangel” und „Entwicklung am Kundenbedürfnis” ausmachen. So dienen diese Bemühungen einerseits als Ausweg aus der aktuellen Bevölkerungsentwicklung in Deutschland, aber auch um Produkte entwickeln zu können, die dem Zielmarkt entsprechen und so bessere Verkaufszahlen realisieren können.
 
Oftmals wird hierbei jedoch im Unternehmen nicht erkannt, dass die Umsetzung von Entwicklungsleistungen im Drittland dazu führen kann, dass die Einfuhr hieraus resultierender Produkte und Güter deutlich teurer wird als bisher. Ausschlaggebend für diese ungeplante Verteuerung sind die Zollabgaben, die anfallen, wenn solche Produkte eingeführt werden.
 

Rechtlicher Rahmen

Die Zollregelungen der unterschiedlichsten Länder basieren meist auf harmonisierten Vorschriften, die auf internationaler Ebene erlassen werden. So schreibt bspw. der GATT-Zollwertkodex vor, dass die Ermittlung des für die Zollabgabenberechnung relevanten Zollwertes auf Basis der sog. Transaktionswertmethode zu erfolgen hat. Der im Rahmen dieser Methode ermittelte Preis muss – wenn gewisse Kostenfaktoren nicht in diesem Preis enthalten sind – um diese Faktoren erhöht werden. Hierbei handelt es sich um sog. Hinzurechnungsfaktoren. Eine Kategorie dieser Hinzurechnungsfaktoren sind die geistigen Beistellungen, also Beistellungen, die für die Herstellung der eingeführten Waren, notwendigen Techniken, Entwicklungen, Entwürfe, Pläne und Skizzen notwendig sind. Diese Regelung ist von allen Mitgliedern der Weltzollorganisation umzusetzen. Die EU hat diese Regel bspw. in Art. 32 Abs. 1 b Ziffer iv Zollkodex aufgenommen. Eine inhaltlich identische Regelung befindet sich u.a.
  • im US-Zollrecht in 19 U.S. Code § 1401a (b) (1) (C) oder
  • im chinesischen Zollrecht unter Art. 11 Nr. 2 Unterziffer 4., und Art. 12 Nr. 4 des „Measures of the Customs of the People's Republic of China for the Determination of the Customs Value of Imported and Exported Goods (2013)”.
     
Daneben kommen als Hinzurechnungsfaktoren auch Hinzurechnungen für gewisse Lizenzgebühren in Betracht, die oftmals von einer Tochterunternehmung an die Konzernmutter oder an ein anderes Tochterunternehmen zu entrichten sind. Auch hierfür bestehen über den GATT-Zollwertkodex harmonisierte Regelungen, welche in
  • Art. 32 Abs. 1 Buchst. c ZK,
  • 19 U.S. Code § 1401a (b) (1) (D) oder in
  • Art. 11 Nr. 3, Art. 13 und Art 14 des „Measures of the Customs of the People's Republic of China for the Determination of the Customs Value of Imported and Exported Goods (2013)”
erfasst sind.
 
In der Vergangenheit wurde von Seiten der Zollprüfer dieses Themenfeld bei einer Zollprüfung aufgrund der Komplexität, meist sehr stiefmütterlich behandelt. In den letzten Jahren ist jedoch ein verstärkter Trend im Rahmen der Zollprüfungen zu vernehmen, wonach sich diese immer mehr auf das Thema Zollwert und insbesondere auf den Bereich „internationale Entwicklungskosten” fokussieren.
 

Prozessuale Herausforderung im Unternehmensverbund

Multinationale Konzerne, die Entwicklungsleistungen in verschiedenen Ländern erbringen, stehen bei der Serienfertigung von Produkten meist vor den unterschiedlichsten Herausforderungen. Meist wird jedoch die Auswirkung von Entwicklungsleistungen auf den Zollwert bei der Einfuhr entsprechender Waren nicht ausreichend berücksichtigt. Nachfolgend wird ein Lösungsansatz aufgezeigt, welcher bei der Ermittlung der relevanten Hinzurechnungen unterstützen kann:
 

Zollwertrelevanz der Entwicklungsleistungen

Ob eine Entwicklungsleistung in Bezug auf die Zollwertermittlung überhaupt relevant ist, hängt von vielen Faktoren ab. So sind insbesondere Entwicklungsleistungen und die damit einhergehenden Kosten dann für die Zollwertberechnung relevant, wenn diese Entwicklungsleistungen im entsprechenden Produkt Einfluss gefunden haben (Bsp.: Entwicklung eines neuen Abgasturboladers odereiner neuen Hülle eines Elektrogerätes), dieses Produkt in das jeweilige Zollgebiet eingeführt wird und die Entwicklungskosten nicht in den Rechnungspreisen, die der Zollwertermittlung zugrunde gelegt werden, enthalten sind.
 
1. Produktzuordnung
In einer konzerninternen Analyse ist damit zu beginnen, die Entwicklungsprojekte gegenständlichen Produkten zuzuordnen. So können in einem ersten Schritt Produktgruppen analysiert werden, die überhaupt Gegenstand einer tiefergehenden Betrachtung werden sollen.
 
Exkurs Software
Werden Softwarekomponenten entwickelt, die nur im Rahmen von Datenströmen zwischen unterschiedlichen Ländern, also nicht-gegenständlich, übermittelt werden, haben diese keine zollwertrechtliche Relevanz. Sollte diese Software jedoch zu einem späteren Zeitpunkt auf ein Produkt aufgespielt werden, ist dies zollwertrechtlich bei der Lieferung dieses Produktes zu berücksichtigen. Eine häufig angewandte Möglichkeit, Zollabgaben zu reduzieren, ist die oftmals praktizierte Technik, Produkte ohne die notwendige Software in ein Zollgebiet einzuführen und nach deren Verzollung im Zollgebiet die nicht-gegenständlich übermittelte Software aufzuspielen.
 
Bitte beachten Sie auch die exportkontrollrechtlichen Beschränkungen im Bereich des nicht-gegenständlichen Softwaretransfers.
 
2. Lieferweganalyse
Wurden die Produktgruppen definiert, die zollwertrelevante Entwicklungskosten beinhalten könnten, ist im zweiten Schritt zu analysieren, ob die Herstellung dieser Produkte in einem Drittland, aus Sicht des jeweiligen Zollgebietes, mit anschließender Lieferung in das Zollgebiet stattfindet. In dieser Analyse ist darauf zu achten, dass aufgrund der oben erwähnten Harmonisierung des Zollwertrechtes diese Analyse aus Sicht der unterschiedlichen Länder, die an der Entwicklung, Produktion und Belieferung beteiligt sind, stattfinden muss. Dies steht vor dem Hintergrund, dass in jedem dieser Länder die Zollwerte entsprechend anzumelden sind.
 
3. Rechnungspreisanalyse
Als letzter Schritt ist im Konzern zu analysieren, inwieweit Kostenfaktoren der einem Produkt zugeordneten Entwicklung in den jeweiligen Rechnungspreisen enthalten sind. In den meisten Fällen will die Muttergesellschaft Eigentümerin des aus einer Entwicklung resultierenden geistigen Eigentums werden. Aus diesem Grund trägt diese meist auch die für die Entwicklungsleistung anfallenden Kosten. Die Umlage dieser Kosten erfolgt jedoch meist nicht über die jeweilige Rechnung von eingehenden Waren, sondern im Rahmen einer Umlage der aufgelaufenen Entwicklungskosten. Von Tochterunternehmen werden oftmals Lizenzgebühren (auch „royalty fees” oder „Licenses” genannt), neben den Rechnungspreisen, erhoben, um die Entwicklungskosten, die in den gelieferten Produkten enthalten sind, abzudecken. Diese Differenzierung ist einerseits für die Feststellung, ob Entwicklungskosten in den Rechnungspreisen enthalten sind und andererseits für die Gestaltung der konzerninternen Verträge aus zollwertrechtlicher Sicht sowie für die spätere Berechnung der Höhe der Hinzurechnungsfaktoren, von bedeutender Wichtigkeit.
 
Als Anhaltspunkt für eine entsprechende Relevanz kann die Transferpreisdokumentation herangezogen werden. Die Festlegung von Preisen konzerninterner Lieferungen, die sog. Transfer-Preise, müssen entsprechend dokumentiert werden. Hierfür wird durch die Transfer-Preis-Spezialisten eine Kosten-Risiko-Abwägung der einzelnen Funktionen der Konzerngesellschaften vorgenommen und so die Preise u.a. für Produkte nach dem „Arms-Length-Principle” festgelegt. 
 
Führte die Analyse zu dem Ergebnis „Hinzurechnungsfaktoren für Entwicklungsleistungen sind vorzunehmen”, ist die Höhe der Entwicklungskostenhinzurechnung bei der Einfuhr der betroffenen Produkte durchzuführen.
 

Berechnung des Hinzurechnungsfaktors für Entwicklungskosten

Je nach Komplexität der Entwicklungstätigkeiten und der Varianz der Entwicklungsprojekte, bieten sich unterschiedliche Möglichkeiten zur Berechnung der Hinzurechnung für Entwicklungskosten an.
 
1. Entwicklungskosten als geistige Beistellungen
Diese Variante betrifft in den meisten Fällen die Muttergesellschaft im Konzernverbund. Regelmäßig werden durch die Muttergesellschaft Entwicklungsaufträge an unterschiedliche Unternehmenseinheiten vergeben, die auch im Drittland sitzen können. Während der Entwicklungsphase übernimmt die Konzernmutter regelmäßig die Kostendeckung der Entwicklungsaufwände der entwickelnden Einheit. Dies erfolgt mittels einer vertraglich geschuldeten Verrechnung der Entwicklungskosten. Werden nun bei Serienreife Produkte an die Muttergesellschaft geliefert, umfasst der Rechnungspreis der einzuführenden Produkte regelmäßig nicht die entsprechenden Entwicklungsaufwendungen, da diese bereits mittels der Verrechnung während der Entwicklungsphase abgegolten wurden. In einem solchen Fall sind die Entwicklungskosten in den Zollwert miteinzubeziehen (Hinzurechnung für geistige Beistellung), da der Wert dieser Entwicklung nicht im Rechnungspreis enthalten ist.
 
Die Berechnung des Wertes einer solchen hinzurechnungbedürftigen geistigen Beistellung soll anhand von objektiv bestimmbaren Messgrößen vorgenommen werden. Regelmäßig wird hierfür folgende Formel genutzt:
 
Beistellungswert je Stück =
Entwicklungskosten
Produzierte Stückzahl
 
Wird nur ein Produkt entwickelt, scheint diese Rechnung auf den ersten Moment einfach aufzugehen. Problematisch an dieser Berechnungsmodalität ist jedoch der Nenner der Formel: die Produktstückzahl. Eine Hinzurechnung für Entwicklungskosten ist beim Eingang des ersten gefertigten Produktes bei der Abgabe der Zollwertanmeldung vorzunehmen, der Produktlebenszyklus und somit auch die Produktstückzahl erstreckt sich regelmäßig jedoch auf eine längere Periode, die mehrere Jahre umfassen kann. Problematisch ist hierbei die unvorhersehbare Entwicklung der Verkaufsstückzahlen und, damit einhergehend, der produzierten und eingehenden Produktstückzahlen. Aus diesem Grund sind diese Berechnungen meist jährlich anzupassen (rollierende Berechnung). Die Berechnung sollte dann einen Review-Anteil sowie einen erneuten prognostischen, in die Zukunft gerichteten Anteil aufweisen.
 
Bei mehreren entwickelten Produkten und Produktfamilien wird diese Berechnungsmodalität jedoch potenziell immer komplexer. Oftmals werden bspw. produktübergreifende Entwicklungen, sog. Plattform-Entwicklungen, vorgenommen. Das Entwicklungsergebnis findet sodann nicht Einfluss auf ein Produkt, sondern auf eine Vielzahl von Produkten/Produktfamilien. Wenn solche komplexen Entwicklungsverknüpfungen in einem Konzern gegeben sind, kann der Einfluss von Plattform-Entwicklungen in Form von Umlageschlüsseln vorgenommen werden. Hierbei ist in der Praxis auch eine enge Zusammenarbeit des Controllings – oftmals besteht ein separates Entwicklungscontrolling – mit der strategischen Zollabteilung anzuraten, um das Wissen aus dem Produktportfolio und aus bestehenden Tools und Systemen sinnvoll bei der Zollwertberechnung anwenden zu können.
 
2. Entwicklungskosten als Lizenzgebühren
In vielen Fällen verlangt der Inhaber des geistigen Eigentums, häufig die Konzernmutter, Lizenzgebühren für die in die gelieferten Produkte eingegangene geistige Leistung in Form von Entwicklungen. So werden bspw. von konzerninternen Vertriebsgesellschaften Lizenzgebühren verlangt, wenn diese eingeführte Produkte an ihre Kunden verkaufen (bspw.: Lizenzgebühr von 3,5 Prozent auf den Umsatz mit Produkt A).
Zum Zeitpunkt der Einfuhrverzollung ist dann meist die Lizenzgebühr von der Vertriebstochter an die Konzernmutter noch nicht zu entrichten, aber dennoch zollwertrelevant, da diese Lizenzgebühren für die zu bewertende Ware zu entrichten ist.
 
Grundsätzlich sind die Hinzurechnungen für Lizenzgebühren anhand der vertraglichen Bestimmungen zu berechnen. Oftmals sind jedoch mit in den vereinbarten Lizenzgebühren nicht nur zollwertrelevante Tatbestände abgedeckt, sondern auch nicht zollwertrelevante. Diese können jedoch nur dann aus der Lizenzgebührenhinzurechnung herausgerechnet werden, wenn diese aus dem Vertragswerk auch der Höhe nach bestimmbar sind.
 
Wie auch im Bereich der Entwicklungskosten als geistige Beistellung, ist bei der Berechnung des Hinzurechnungsfaktors Lizenzgebühren eine rollierende Berechnung anzuwenden. Diese rollierende Form der Berechnung sorgt über die Jahre dafür, dass sich die im Rahmen der Zollwertanmeldung abgegebenen Angaben zu den Lizenzgebühren an die tatsächlichen Gegebenheiten (tatsächlich von der Vertriebstochter an die Konzernmutter abgeführte Lizenzgebühren) angleichen.
 

Praxistipps

  • Zollbehörden miteinbeziehen: Legen Sie den Zollbehörden ausgearbeitete Vorschläge vor, wie Sie die Berechnung dieser Faktoren sehen. So können Sie die Berechnungsmodalitäten nach Ihren Möglichkeiten gestalten und gegebenenfalls auch optimieren.
  • Transparenz und Vernetzung schaffen: Konzerne funktionieren nur aufgrund ihrer internationalen Vernetzung in der Konzernwelt. Die Lösung eines Zollwertproblems an einer Stelle, sollte nicht als Einzelfall behandelt werden. Oftmals besteht dieselbe Herausforderung auch bei anderen Konzerngesellschaften. Gesellschaftsübergreifendes Reporting und die Unterstützung durch Datenbanken und Tools kann bei der konzernweiten Problemlösung oftmals helfen.
  • Abteilungsübergreifende Kommunikation: Um die Hinzurechnungen für Entwicklungskosten effizient vornehmen zu können, ist eine Zusammenarbeit der unterschiedlichsten Abteilungen unabdingbar. So benötigen die Zollspezialisten die Zusammenarbeit insbesondere mit den Controlling-, Transferpreis- und Logistikabteilungen.
 
zuletzt aktualisiert am 07.09.2016
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