Bebauung und die Grunderwerbsteuer: Der einheitliche Erwerbsgegenstand beim Asset Deal und beim Share Deal

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veröffentlicht am 11. Juni 2021 | Lesedauer ca. 7 Minuten


Die Frage, wann neben dem Grundstück und der bestehenden Bebauung noch weitere (künftige) Baumaßnahmen oder sonstige Leistungen der Grunderwerbsteuer unter­fallen, gehört zu den großen Geheimnissen des Immobilien­steuer­rechts. In der Praxis kommt es nicht selten vor, dass private „Häusle-Bauer” durch einen Grunderwerb­steuer­bescheid überrascht werden, in dessen Bemessungsgrundlage sich nicht nur der Grund­stückspreis, sondern auch der Baupreis für das neue Eigenheim finden, das der vom Verkäufer empfohlene Bauunternehmer errichten soll. Mit ähnlichen Problemen sehen sich nicht selten auch Unternehmen konfrontiert, die Grundstücke mit „zu weit gediehenen” Konzept­planungen erwerben bzw. Verpflichtungen dazu eingehen. Aber auch Erwerber einer grundstücksbesitzenden Personengesellschaft (GbR, KG, OHG) sollten einen Blick auf die jüngste Entwicklung der Rechtsprechung des Bundes­fi­nanz­hofs („BFH”) haben, wenn Bebauungen geplant sind oder bereits begonnen haben.

  

  

Der „einheitliche Erwerbs­gegenstand” bei der Grunderwerbsteuer bei Direkterwerb (Asset Deal)

Die Bemessungsgrundlage der Grunderwerbsteuer ist der Wert der Gegenleistung für den Erwerbsgegenstand. Der Erwerbsgegenstand bestimmt sich grundsätzlich nach dem schuldrechtlichen Verpflichtungsgeschäft, i.d.R. also dem notariellen Grundstückskaufvertrag. Die Gegenleistung dafür ist der vereinbarte Kaufpreis.  

Um eine künstliche Aufspaltung des Erwerbs von Grundstück und (nachträglichen) Bauleistungen zu verhin­dern, entwickelte die Rechtsprechung das Institut des „einheitlichen Erwerbsgegenstandes”. Danach gilt unter bestimmten Voraussetzungen ein Grundstück nicht als in dem Zustand zum Zeitpunkt des Kaufvertrages erworben, sondern unter Berücksichtigung einer künftigen Bebauung. Es fließen alle mitverkauften Werk- und Dienstleistungen als einheitlicher Leistungsgegenstand in die Bemessungs­grundlage mit ein, die in einem

  • rechtlichen Zusammenhang oder
  • objektiv engen sachlichen Zusammenhang mit dem Grundstückskaufvertrag stehen.


Nachträgliche Baukosten unterliegen ebenfalls der Grunderwerbsteuer…

Ein rechtlicher Zusammenhang zwischen Grundstückserwerb und Bebauung liegt zweifelsfrei vor, wenn Grundstückskäufer und Bauunternehmer identisch sind und sowohl die Pflicht zur Grundstücksübereignung als auch die Gebäudeerrichtung in einem einheitlichen Vertrag geschlossen werden. Das gilt auch, wenn getrennte Verträge abgeschlossen werden, deren Gültigkeit voneinander abhängt (so z.B. BFH II B 20/19 v. 10.12.2019: Verbindung mittels aufschiebender Bedingung).

Die gefährlichen Fälle sind solche, in denen der einheitliche Erwerbsgegenstand nicht ohne weiteres erkennbar ist.

Der Bundesfinanzhof hat verschiedentlich festgestellt, dass schon die Hinnahme eines vom Grundstücksan­bieter vorbereiteten Geschehensablaufs durch den Erwerber einen einheitlichen Erwerbsvorgang indizieren kann. Erforderlich sei jedoch ein objektiv enger sachlicher Zusammenhang zwischen Grundstückskaufvertrag und dem Vertrag über die Gebäudeerrichtung. Bietet bspw. der Grundstücksverkäufer dem Interessenten auf Grund einer konkreten und bis (annähernd) zur Baureife gediehenen Vorplanung ein bestimmtes Gebäude auf dem Kaufgrundstück zu einem im Wesentlichen feststehenden Preis an, könne die Akzeptanz eines solchen von der Anbieterseite vorbereiteten Geschehensablaufs durch den Erwerber den objektiv engen sachlichen Zusammenhang bereits indizieren. Das gilt auch dann, wenn zunächst der Grundstückskaufvertrag und erst später der Bauvertrag geschlossen wird. Die Beweisführung, dass ein solcher Zusammenhang nicht bestanden hat, obliegt nach der Finanzverwaltung dem Steuerpflichtigen.

Ein objektiv enger sachlicher Zusammenhang ist ebenfalls gegeben, wenn aufgrund objektiver Kriterien bei Abschluss des Grundstückskaufvertrags ein faktischer Zwang vorliegt. Auf ein Vorliegen eines konkret ausgestalteten Angebots kommt es dann nicht an. Die Finanzverwaltung (GLE 20.9.2017, Tz 3.4.2.) nimmt das insbesondere dann an, wenn der Erwerber nennenswerte wirtschaftliche Nachteile bei Nichtabschluss eines späteren Bauvertrages erleidet, z.B. weil der Veräußerer das Grundstück zu einem erhöhten Preis anbietet und so die Errichtung des Gebäudes günstig anbieten kann.


…oder nicht?

Erfreulicherweise gibt es aber auch Grenzen der Annahme eines „einheitlichen Erwerbsvorgangs”, sodass nicht jedes Bauprojekt in Zusammenhang mit dem Erwerb eines Grundstücks zur Grunderwerbsteuerpflicht der Baukosten führt. In BFH II R 5/15 hat das Gericht entschieden, dass ein einheitlicher Erwerbsgegenstand nicht allein deswegen vorliegt, weil eine Bebauung nach gestalterischen Vorgaben der Veräußererseite zu erfolgen hat. Im Urteilsfall hatten sich die Kläger, Eheleute mit dem Wunsch der Errichtung eines Eigenheims, gegen­über der das Grundstück anbietenden Stadtwerke AG verpflichtet, das Grundstück nach Anforderungen eines Gestaltungshandbuchs zu bebauen. Finanzamt und Finanzgericht erkannten darin einen faktischen Zwang zur Bebauung genau in dem Sinne. Der Bundesfinanzhof sah das anders. Er stellte klar, dass ein einheitlicher Erwerbsgegenstand zusätzlich voraussetzen würde, dass das benannte Bauunternehmen personell, wirtschaft­lich oder gesellschaftsrechtlich eng mit dem Grundstücksverkäufer verbunden ist. Anderenfalls handele es sich lediglich um eine „eigennützige Leistung” des Erwerbers, die keine Gegenleistung für den Erwerb des Grundstücks darstellt. Die Beweislast für eine Verbundenheit zwischen Grundstücksveräußerer und Bauunternehmer liegt laut BFH beim Finanzamt.

In einem anderen Fall lehnte der BFH (Az. II R 38/14) ebenfalls das Vorliegen eines einheitlichen Erwerbs­gegen­standes ab. Der Käufer eines Grundstücks hatte vor Abschluss des Kaufvertrages ein Angebot über einen Generalübernahmevertrag eingeholt. Der nach Abschluss des Grundstückkaufvertrages geschlossene General­übernahmevertrag wich aber derart vom ursprünglichen Angebot ab, als dass neben den ursprünglich zu bauenden Hallen auch noch ein Konferenzgebäude errichtet werden sollte; das zog eine Baukostenerhöhung von 12 Prozent nach sich. Der BFH entschied, dass kein einheitlicher Erwerbsgegenstand vorliegt, wenn wesentliche Abweichungen zwischen ursprünglichen Angebot auf Veräußererseite und späterem tatsächlich abgeschlossenen Generalübernahmevertrag dergestalt vorliegen, dass sich die Flächengröße und/oder die Baukosten um mehr als 10 Prozent verändern. Die Errichtung eines zusätzlichen Gebäudes kann ebenfalls Indiz für eine wesentliche Abweichung sein, wenn es prägenden Charakter hat.


Konsequenzen für die Praxis 

Wann ein objektiv enger sachlicher Zusammenhang anzunehmen ist, kann schwer abzugrenzen sein. Die Finanzbehörden stellen im Einzelfall keine allzu hohen Anforderungen. Eine Gefahr besteht immer dann, wenn Bauunternehmer und Grundstücksverkäufer identisch sind oder sich nahestehen. Keinesfalls sollte vor Abschluss eines Grundstückkaufvertrages ein Bauvertrag mit dem Veräußerer geschlossen werden. Grund­stückskauf- und Bauleistungsverträge sollten nicht in zivilrechtliche Abhängigkeiten, wie Bedingungen oder ggf. auch Rücktrittsrechte, gesetzt werden. In der Projektentwicklung muss sich des Weiteren an den bereits vom BFH konkret gesetzten Grenzen orientiert werden.

Die Konsequenz der Behandlung einer künftigen Bebauung als Bestandteil des grunderwerbsteuerpflichtigen Geschäfts kann wiederum brutal sein: Einerseits ist die Grunderwerbsteuer auf die Baumaßnahme in der Rendite-Berechnung des Unternehmers bzw. in die Budgetplanung des Eigenheimerwerbers meist nicht eingepreist. Andererseits kommt es zu einer Doppelbelastung der Baumaßnahme mit Umsatzsteuer und Grunderwerbsteuer. Mitnichten ist es so, dass in solchen Fällen die Umsatzsteuerbefreiung für Grundstücks­geschäfte nach § 4 Nr. 9 a) UStG greift – der Bundesfinanzhof sieht stattdessen in seinem Urteil Az. II R 17/99 vom 27. Oktober 1999 das Grunderwerbsteuerrecht als vorrangig gegenüber § 4 Nr. 9 a) UStG an. Fast höhnisch klingt dabei, dass die auf die Bauleistung entfallende Umsatzsteuer auch noch zur grunderwerbsteuerlichen Bemessungsgrundlage zählt.


BFH II R 12/18 vom 16. September 2020: Sonderregel im Falle von steuerbaren Share Deals  – Der „vorgefasste Plan” bei einem kompletten Gesellschafterwechsel

Der Gedanke des einheitlichen Erwerbsgegenstandes kann neben Asset Deals auch bei gewissen Share Deals vorliegen. So ist der Anteilserwerb an grund­stücks­besitzenden Personen­gesellschaften bei Überschreiten einer gewissen Steuerbarkeitsschwelle grunderwerbsteuerpflichtig. Für den Umfang der Bemessungsgrundlage gelten Sonderregelungen. Der BFH hatte sich in einer erst am 6. Mai 2021 veröffentlichten Entscheidung mit dieser Konstellation auseinandergesetzt:


Vereinfachter Sachverhalt

Der vom BFH entschiedene Fall betraf eine GmbH & Co. KG (Klägerin) mit vier Kommanditisten. Vor Abschluss eines Grundstückskaufvertrags mit der Stadt schloss die KG einen Mietvertrag mit der X- GmbH über einen noch zu errichtenden Lebensmittelmarkt. Der wenig später folgende Grundstückskaufvertrag sah eine Verpflichtung der KG vor, eine Baugenehmigung zu erwirken und den Lebensmittelmarkt zu errichten. Nach Erteilung der Baugenehmigung veräußerten die vier Kommanditisten ihre Anteile an einen fremden Erwerber. Der Vertrag nahm auf die bestandskräftige Baugenehmigung sowie den Mietvertrag mit der X-GmbH Bezug.  

Das Finanzamt nahm die Klägerin gem. § 1 Abs. 2a GrEStG wegen des kompletten Gesellschafterwechsels der grundstücksbesitzenden Personengesellschaft in Anspruch und setzte als Bemessungsgrundlage nach § 8 Abs. 1 Nr. 3 i.V.m. Abs. 2 Satz 2 Alt. 2 GrEStG den Grundbesitzwert zum Zeitpunkt der Fertigstellung des Gebäudes an. Die Klägerin hatte argumentiert, die Grunderwerbsteuer sei auf Grundlage des Zustands des Grundstücks im Zeitpunkt des Übergangs der Anteile zu bemessen.


Zusammenfassung der relevanten Entscheidungsgründe

Der BFH bestätigte die die Baukosten umfassende Bemessungsgrundlage und konkretisierte die Merkmale § 8 Abs. 2 Satz 2 Alt. 2 GrEStG.

§ 8 Abs. 2 S. 2. Alt. 2 GrEStG bestimmt die Bemessungsgrundlage nach den tatsächlichen Verhältnissen im Zeitpunkt der Fertigstellung des Gebäudes, wenn die Änderung des Gesellschafterbestands i.S. des § 1 Abs. 2a GrEStG auf einem vorgefassten Plan zur Bebauung eines Grundstücks beruht.


Vorgefasster Plan zur Bebauung eines Grundstückes, auf den sich die Gesellschaft festgelegt hat

Nach dem BFH muss es einen vorgefassten Plan zur Bebauung eines Grundstücks geben, mit dem sich die Gesellschaft über einen Gesellschafterwechsel hinaus in wesentlichen Punkten festgelegt hat:

  • Die geplante Bebauung muss aus Sicht der Gesellschaft zeitlich vor dem Gesellschafterwechsel „im Wesentlichen feststehen”. Reine Vorstellungen und Gedanken über eine nach Art und Umfang ggf. noch gänzlich unbestimmte Bebauung sollen keine steuererhöhende Wirkung haben. Ansonsten lassen sich der Vorschrift selbst keine inhaltlichen Mindestanforderungen an den Plan entnehmen.
  • Die Gesellschaft hat sich im Regelfall schon vor dem Gesellschafterwechsel auf die Bebauung eines Grundstücks festgelegt, wenn sie sich nur noch unter wirtschaftlichen Schwierigkeiten und Einbußen von dem Plan zur Bebauung lösen kann. Gewichtiges Indiz dafür sind bereits getroffene Rechtsbeziehungen zu Dritten hinsichtlich der Bebauung (Mietverträge, Verwalterverträge, Bauverträge, erteilte Baugenehmi­gungen). Durch den Gesellschafterwechsel ändert sich grundsätzlich nichts an den wirtschaftlichen Zwängen der Gesellschaft selbst.   
  • Der Plan muss nur die Bebauung, nicht die Änderung des Gesellschafterbestands zum Gegenstand haben. Mit der Ansicht wendet sich der BFH gegen gewichtige Kommentarstimmen, die teilweise eine Klammer­wirkung des Planes hinsichtlich Bebauung und Gesellschafterwechsel annehmen.


Die Änderung des Gesellschafterbestandes beruht auf dem Plan

Die Änderung des Gesellschafterbestands muss in der Weise auf dem Plan beruhen, dass die Neugesell­schafter die Gesellschaftsanteile wegen des Plans erworben haben:

  • Der Plan muss aus (alleiniger) Sicht des Neugesellschafters Grund für den Wechsel sein. Nicht notwendig ist eine „Erforderlichkeit” in dem Sinne, dass das Bauvorhaben ohne den Gesellschafterwechsel nicht hätte durchgeführt werden können.
  • Erforderlich ist jedenfalls aber eine Kenntnis der Neugesellschafter vom vorgefassten Plan, wenngleich dazu kommen muss, dass sie ihn auch umsetzen wollen. Eine gesonderte Abrede mit den Altgesellschaftern hin zu einer Verpflichtung der Bebauung bedarf es nicht, da sich die wirtschaftlichen Zwänge der übernommenen Gesellschaft selbst nicht ändern.


Konsequenzen für die Praxis

Der BFH steckt den Anwendungsbereich des § 8 Abs. 2 S. 2 GrEStG ab. Das ist zu begrüßen.

Liegt ein im Wesentlichen konkretisierter Plan vor, sollte geprüft werden, inwieweit eine steuerschädliche, gesellschaftsinterne Bindung daran bereits besteht. Im vorliegenden Fall wurde die Bindung durch die konkrete Bauverpflichtung aus dem Grundstückskaufvertrag, durch die bereits geschlossenen Mietverträge und durch die erteilte Baugenehmigung (trotz Auflagen) bejaht, auch wenn im Zeitpunkt des Gesellschafter­wechsels noch kein Bauvertrag selbst vorlag.

Letztlich sind in derartig gelagerten Fälle die Umstände des Einzelfalls zu würdigen.
 
Da der vorgefasste Plan nur die Bebauung und nicht auch den Gesellschafterwechsel umfassen muss, werden u.U. auch nicht geplante „spontane” Gesellschafterwechsel unter § 8 Abs. 2 S. 2 Alt. 2 GrEStG fallen.

Nach dem BFH ist es ausdrücklich nicht erforderlich, dass die Planverwirklichung nur mit einem Gesell­schaf­ter­­wechsel stattfinden kann. In der Praxis können also Gesellschafterwechsel, bei denen die neu Eintretenden um die Baupläne wissen und sie umsetzen wollen, die aber nicht unbedingt wirtschaftlich notwendig sind (z.B. Neugesellschafter keine weiteren Einlagen leisten), relevant sein.

Nach alle dem sollten Erwerber einer grundstückshaltenden Personengesellschaft prüfen, ob der Erwerb bereits unter § 8 Abs. 2 S. 2 Alt. 2 GrEStG fällt. Auf die Personengesellschaft als Steuerschuldnerin kann dann eine empfindliche Erhöhung der Grunderwerbsteuer zukommen.

Das wird umso mehr Relevanz haben, als dass bei der beschlossenen Share-Deal-Reform ab dem 1. Juli 2021 die Steuerbarkeitsschwelle für § 1 Abs. 2a GrEStG auf 90 Prozent herabgesenkt und die Beobachtungsfrist auf zehn Jahre verlängert wird.

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