Prüfung des Jahresabschlusses durch den Aufsichtsrat

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veröffentlicht am 4. September 2019 | Lesedauer ca. 4 Minuten

 

Eine der zentralsten Aufgaben des Aufsichtsrats ist die Prüfung und Billigung des Jahresabschlusses. Im Nachgang zur Finanzkrise wurden in den letzten Jahren auf europäischer und auch auf nationaler Ebene die Anforderungen an die Abschlussprüfung, insbesondere bei Unternehmen von öffentlichem Interesse (Public Interest Entities, sogenannte PIEs) deutlich heraufgesetzt. Die Gesetzesinitiativen betreffen nicht nur den Abschlussprüfer, sie stellen auch die Aufsichtsräte und die Prüfungsausschüsse insbesondere von PIE vor Herausforderungen – sowohl in betriebs­wirt­schaft­lich­er als auch in rechtlicher Hinsicht. Die rechtliche Entwicklung schreitet in diesem Bereich stetig voran. Umso wichtiger ist es für den Aufsichtsrat, derartige Neuerungen im Auge zu behalten, denn der von ihnen geforderte Sorgfaltsmaßstab für seine Überwachungstätigkeit steigt damit.



 

Grundsätzliche Anforderungen an die Überwachungstätigkeit

Der Aufsichtsrat hat gem. § 111 AktG die Aufgabe, die Geschäftsführung zu überwachen. Überwachungsgegen­stand sind vornehmlich die Leitungs- und Führungsentscheidungen des Vorstands sowie Einzelgeschäfts­führungs­maß­nahmen von wesentlichem Gewicht für das Unternehmen. Die Überwachung erstreckt sich zum einen auf die Vergangenheit im Sinne der Kontrolle abgeschlossener Sachverhalte sowie deren Beurteilung. Zum anderen soll die Überwachung zukunftsgerichtet sein und damit eine präventive Kontrolle der künftigen Entwicklung des Unternehmens ermöglichen. Teil der Überwachung ist es somit auch, den Vorstand in wesentlichen Leitungsentscheidungen zu beraten.


Im Fokus: Vorlage und Prüfung des Jahresabschlusses

Eine zentrale Rolle der Aufsichtsratsarbeit nimmt die Prüfung des Jahresabschlusses und des Lageberichts (§§ 170, 171 AktG) ein. In Anbetracht der Fülle der gesetzlichen Regelungen und des stetigen Wandels in der Gesetzgebung ist das keine leichte Aufgabe für den Aufsichtsrat. Denn die Prüfungspflicht ist seine originäre Aufgabe. Sie erledigt sich nicht bereits vollständig durch Auswahl und Beauftragung eines externen Abschluss­prüfers. Vielmehr bilden der geprüfte Jahresabschluss, der Lagebericht, sowie die Berichterstattung des Abschlussprüfers nur die Grundlage für die anschließende Prüfung durch den Aufsichtsrat.


Die Erfüllung dieser Prüfungspflichten fordert vom Aufsichtsrat ein hohes Maß an betriebswirtschaftlichem und rechtlichem Know-how – nicht zuletzt in Anbetracht der unzähligen Rechtsquellen und Standards, die neben die klassischen Vorgaben von HGB und AktG treten.


Besondere Herausforderungen für Aufsichtsräte bei PIE

Mit Inkrafttreten der EU-Abschlussprüferverordnung Nr. 537/2014 (EU-APrVO) wurde der Pflichtenmaßstab für den Aufsichtsrat von PIEs deutlich erhöht. Allein bei der Aufgabe, den Abschlussprüfer auszuwählen, gibt die EU-APrVO zusätzlich einen ganzen Katalog an Verfahrensvorschriften, Auswahlkriterien und Regeln vor (vgl. Beitrag „EU-Abschlussprüferreform: Auswahl des Abschlussprüfers”). Im Fokus steht die Gewährleistung der Unab­hängigkeit des Abschlussprüfers. Bei mangelnder Überwachung der Unabhängigkeitskriterien drohen dem Aufsichtsrat und dem Prüfungsausschuss eines PIE nach §§  404a, 405 Abs. 3b-d AktG sogar Bußgelder.


Flankiert wurden die EU-Abschlussprüferreform durch Regelungen zur Qualifikation der Aufsichtsräte: Bei kapitalmarktorientierten Unternehmen sowie bei anderen Unternehmen von öffentlichem Interesse muss daher gemäß § 100 Abs. 5 AktG mind. ein Mitglied des Aufsichtsrats über „Sachverstand auf den Gebieten Rechnungs­legung oder Abschlussprüfung” verfügen. Weiterhin gibt das Gesetz vor, dass die Mitglieder des Aufsichtsrats in ihrer Gesamtheit mit dem Sektor, in dem die Gesellschaft tätig ist, vertraut sein müssen, um eine effiziente Erfüllung dieser Aufgabe zu gewährleisten.


Neben den Regelungen zur Jahresabschlussprüfung sind auch Gesetzesänderungen auf Governance-Ebene von den Aufsichtsräten im Auge zu behalten, deren Einhaltung sie im Rahmen ihrer Überwachungstätigkeit ebenfalls zu prüfen haben. Zu nennen sei bspw. die aktuelle Neufassung des Deutschen Corporate Governance Kodex (DCGK) im Mai 2019 (vgl. Beitrag „Neuerungen durch den Corporate Governance Kodex 2019”).


Die aktuellen Entwicklungen im Auge zu behalten und stets auf dem neuesten Stand zu bleiben ist somit nicht leicht.


Muss der Aufsichtsrat also allwissend sein?

Ungeachtet der sehr hohen Sorgfaltsmaßstäbe und Qualifikationen, die dem Aufsichtsrat eines PIE abverlangt werden, muss er nicht selbst allwissend in allen Angelegenheiten sein. Entscheidend ist vielmehr, dass er sein Aufgabenspektrum und seine Befugnisse kennt und organisatorische Maßnahmen darüber trifft, wie mit diesem anspruchsvollen Pflichtenspektrum in angemessener Weise umgegangen wird. Auch hier gilt: Gefahr erkannt – Gefahr gebannt.


Bildung eines Prüfungsausschusses

Als organisatorische Maßnahme kann der Aufsichtsrat bei PIEs bspw. aus seiner Mitte einen Prüfungsausschuss bilden, um eine effiziente Überwachung „abschlussnaher Themen” durch die dafür besonders qualifizierten Aufsichtsratsmitglieder sicherzustellen und damit die nötige Vorarbeit für den Gesamt-Aufsichtsrat zu leisten. Auch für Non-PIEs empfiehlt der Corporate Governance Kodex (DCGK) die Bildung eines Prüfungsausschusses, was bei größeren Unternehmen in Anbetracht der Komplexität der Überwachungsaufgabe und der hierfür nötigen Qualifikationen auch sachgerecht ist.


Unterstützung durch den Abschlussprüfer

Sicherlich ist es auch einem Prüfungsausschuss nicht möglich, den Jahresabschluss in allen seinen Einzelheiten bis in die Tiefe nachzuverfolgen und die zugrundeliegenden Sachverhalte vollständig zu ermitteln. Der Aufsichts­rat wird daher in seiner Überwachungsfunktion durch den Abschlussprüfer unterstützt. Eine erfolgreiche Zusammenarbeit setzt dabei voraus, dass der Aufsichtsrat ein solides Verständnis der Tätigkeit des Abschlussprüfers hat. Daneben bedarf es einer effektiven Kommunikation zwischen beiden. Wichtiger Teil der Kommunikation ist die weitgehend standardisierte schriftliche Berichterstattung des Abschlussprüfers. Andererseits muss auch der Aufsichtsrat aktiv werden, z.B. indem er Tätigkeitsschwerpunkte bei der Abschlussprüfung vereinbart und während der laufenden Prüfung mit dem Prüfer den Austausch über bedeutsame Themen sucht. 


Einbeziehung von Sachverständigen

Externe Sachverständige können zwar nicht Mitglied des Prüfungsausschusses sein, denn der Prüfungsaus­schuss ist „aus der Mitte des Aufsichtsrats” zu bilden. Sie können jedoch gemäß § 111 Abs. 2 S. 2 AktG für bestimmte Aufgaben beauftragt werden. Bspw. bei Auffinden von Unstimmigkeiten ist der Aufsichtsrat gehalten, diesen Sachverhalten weiter nachzugehen. Ist es ihm selbst fachlich nicht möglich, einen ihm kritisch oder gar „verdächtig” erscheinenden Sachverhalt selbst zu bewerten, kann er sich ergänzend fachkundigen Rat einholen, z.B. durch Einbeziehung von Rechtsanwälten, Steuerberatern, Wirtschafsprüfern oder sonstigen sachverständigen Personen.


Auch hier gilt daher: der Aufsichtsrat muss nicht allwissend jede Fragestellung selbst beantworten können, aber er muss das Problem erkennen, unverzüglich auf angemessene Weise reagieren und geeignete Maßnahmen ergreifen, um das Problem und die nötigen weiteren Schritte zu klären. Auch damit kann er seinen Sorgfaltspflichten gerecht werden.


Schulung von Aufsichtsräten

Um für die Erfüllung der Überwachungsaufgabe gewappnet zu sein, bietet es sich auch an, den Aufsichtsrat regelmäßig durch Schulungen über aktuelle Entwicklungen zu informieren oder ihn bei Neubesetzung des Gremiums auf das Pflichtenspektrum und die ihm zustehenden Überwachungsinstrumente vorzubereiten.

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