KI-Systeme im Arbeitsverhältnis – darf der Betriebsrat immer mitbestimmen?

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​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​veröffentlicht am 25. März 2024 | Lesedauer ca. 3 Minuten

  

Die Einführung oder Nutzung intelligenter technischer Systeme bis hin zur generativen künstlichen Intelligenz (KI) beschäftigt derzeit viele Arbeitgeber. Immerhin können derartige Systeme den Arbeitsalltag ungemein erleichtern. Am bekanntesten dürfte weiterhin das Large Language Modell (LLM) des Unternehmens OpenAI, ChatGPT sein. Man gibt einen Prompt, also eine Aufforderung zum „technischen Handeln“, ein und bekommt innerhalb kürzester Zeit eine computergenerierte Antwort von erstaunlicher Qualität. Doch darf der Arbeitgeber die Nutzung KI-basierter Systeme „einfach so“ einführen oder hat auch hier der Betriebsrat im Rahmen seines Mitbestimmungsrechts „ein Wörtchen“ mitzureden?​.



Mit dieser Frage hat sich das Arbeitsgericht (ArbG) Hamburg in seinem Beschluss vom 16. Januar 2024 – 24 BVGa 1/24 beschäftigt. Dieser Beitrag konturiert den Inhalt der Entscheidung und benennt einige mitbestim­mungsrechtliche Aspekte im Kontext der Einführung und Nutzung KI-basierter Systeme in Arbeitsverhältnis­sen.​
  

Ausgangspunkt: Erlaubnis der Nutzung von ChatGPT mittels Browsers  

Dem zuvor benannten Verfahren lag die Frage zugrunde, wie weit das Mitbestimmungsrecht gemäß § 87 BetrVG tatsächlich reicht. Konkret beabsichtigte ein Medizintechnikunternehmen zur Unterstützung seiner Mitar­beitenden auf seinen Systemen den Internetzugang zu ChatGPT (wieder) freizuschalten. Die vom Arbeitgeber ohne Beteiligung des Konzernbetriebsrats erlassenen KI-Leitlinien und Handbücher sahen hierzu vor, dass den Arbeitnehmern gestattet wird, mittels privat angelegter Accounts über die Webbrowser des Unternehmens ChatGPT zu nutzen. Auf den Computersystemen des Unternehmens selbst wurden dabei weder ChatGPT noch andere Systeme der generativen Künstlichen installiert. Im Ergebnis sollte den Arbeitnehmern also lediglich gestattet werden, durch private Accounts über den Webbrowser des Unternehmens ChatGPT zu verwenden.
  
Hiergegen wehrte sich der Betriebsrat und begehrte im Rahmen eines einstweiligen Rechtsschutzverfahrens, dass der Arbeitgeber seinen Arbeitnehmern den Einsatz von ChatGPT und anderen Systemen der künstlichen Intelligenz verbietet. Der Betriebsrat sah im Verhalten des Arbeitgebers seine Mitbestimmungsrechte nach § 87 Abs. 1 BetrVG verletzt und berief sich unter anderem auf Datenschutzbedenken, die potenziellen Auswirkungen auf das Ordnungsverhalten und mögliche psychische Belastungen der Arbeitnehmer.
 

ArbG Hamburg: Keine Überwachung durch den Arbeitgeber bei bloßer Nutzungserlaubnis und Verwendung im Browser

Das ArbG Hamburg verneinte eine Verletzung des Mitbestimmungsrechts des Betriebsrats gemäß § 87 Abs. 1 Nr. 6 BetrVG. Nach dieser Norm stehe dem Betriebsrat bei der Anwendung von technischen Einrichtungen ein Mitbestimmungsrecht nur dann zu, wenn diese zur Überwachung des Verhaltens oder der Leistung der Arbeit­​nehmer bestimmt sind. Zwar erfasst der Browser, über den sich die Arbeitnehmer einwählen, deren Surf­​verhal­ten, also zwangsläufig auch die Nutzung von ChatGPT, und stellt damit eine solche technische Einrichtung dar. Es fehle aber an dem Merkmal des Überwachens durch den Arbeitgeber.
 
„Überwachung“ im Sinne des § 87 Abs. 1 Nr. 6 BetrVG meint einen Vorgang, durch den Informationen über das Verhalten oder die Leistung von Arbeitnehmern seitens des Arbeitgebers erhoben und – jedenfalls in der Regel – aufgezeichnet werden, um sie auch späterer Wahrnehmung zugänglich zu machen. Dazu müssen die Informa­tionen auf technische Weise ermittelt und dokumentiert werden, so dass sie zumindest für eine gewisse Dauer verfügbar bleiben und vom Arbeitgeber herangezogen werden können. Die Überwachung muss dabei durch die technische Einrichtung unmittelbar selbst bewirkt werden i. S. einer selbstständigen und automatischen Datenerhebung, -speicherung und/oder -verarbeitung.
 
Zwar habe der Browser als technische Einrichtung die Nutzung von ChatGPT und damit Leistungs- und Verhal­tensinformationen der Arbeitnehmer regelmäßig erfasst. Dieses Erfassen stelle aber keine Besonderheit im Kontext der Nutzung von ChatGPT dar, sondern ergebe sich aus den Funktionsmöglichkeiten des Browsers, der den Surfverlauf des Nutzers abspeichere.
 
Da die Arbeitnehmer vorliegend einen privaten Account erstellen müssten und damit auch die eventuell ent­stehenden Kosten selbst zu tragen hätten, würde der Arbeitgeber keinerlei Mitteilungen zu der konkreten Nutzung (wann, wie oder welches Anliegen) durch die Arbeitnehmer erhalten. Auch wenn ChatGPT diese Daten aufzeichnen würde, so sei dies unerheblich, denn es liege gerade kein von dem Arbeitgeber ausgehender Überwachungsdruck vor, der ein betriebliches Mitbestimmungsrecht nach § 87 Abs. 1 Nr. 6 BetrVG auslöse.
 
Da ein Browser als „Tool zum Zugriff auf das Internet“ nahezu immer die besuchten Websites sowie die dazu­gehörigen URL („Uniform Resource Locator“) erfasst, erscheint diese Subsumtion konsequent. Das ArbG Hamburg sah auch keine weiteren Mitbestimmungsrechte des Betriebsrats verletzt. Hinsichtlich der Nutzung von Browsern hatte der Betriebsrat sein dort bestehendes Mitbestimmungsrecht bereits beim Abschluss einer diesbezüglichen Konzernbetriebsvereinbarung ausgeübt. Ebenfalls verletzten die Nutzungsvorgaben in Form der Richtlinien und Handbücher kein Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats nach § 87 Abs. 1 Nr. 1 BetrVG, da es sich hierbei um die mitbestimmungsfreie Art und Weise der Arbeitserbringung handele. Letztlich verneinte das ArbG Hamburg auch ein geltend gemachtes Mitbestimmungsrecht nach § 87 Abs. 1 Nr. 7 BetrVG mit der Begründung, dass eine konkrete Gefährdung der Arbeitnehmer nicht erkennbar sei.
  

​Fazit: Nicht jede KI-Einführung führt zu einem Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats 

Die Entscheidung verdeutlicht, dass Mitbestimmungsrechte des Betriebsrats nicht automatisch bei KI-Einführung greifen. Erfolgt die Installation der KI-Software nicht auf den Systemen des Unternehmens und verwalten die Arbeitnehmer ihre Accounts selbst, unterliegt der KI-Einsatz nicht der Mitbestimmung. Das Arbeitsgericht Hamburg setzt damit einen wichtigen Maßstab für zukünftige Diskussionen um Mitbestim­mungsrechte im Kontext künstlicher Intelligenz.​
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