Kirchliche Einrichtungen dürfen das Tragen eines islamischen Kopftuchs verbieten

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veröffentlicht am 17. Juli 2015

 

BAG 24.09.2014

 

Das BAG hat entschieden, dass das Tragen eines Kopftuchs regelmäßig mit der arbeitsvertraglichen Verpflichtung einer in einer Einrichtung der Evangelischen Kirche tätigen Arbeitnehmerin zu neutralem Verhalten nicht vereinbar ist. Die Entscheidung enthält eine umfassende Abwägung der Grundrechtspositionen von Arbeitgeber und Arbeitnehmer.

 

Die Klägerin, die dem islamischen Glauben angehört, ist bei der beklagten Krankenanstalt – zuletzt als Krankenschwester – angestellt. Arbeitsvertraglich sind die Bestimmungen des Bundes-Angestelltentarifvertrags in der für die Angestellten im Bereich der Evangelischen Kirche von Westfalen geltenden Fassung (BAT-KF) sowie die sonstigen für die Dienstverhältnisse der Angestellten im Bereich der Evangelischen Kirche von Westfalen beschlossenen arbeitsrechtlichen Bestimmungen in Bezug genommen. Nach Elternzeit und Krankheit bot die Klägerin eine Wiederaufnahme ihrer Tätigkeit im Rahmen einer Wiedereingliederung an. Dabei teilte sie mit, dass sie das von ihr aus religiösen Gründen getragene Kopftuch auch während der Arbeitszeit tragen wolle. Die Beklagte nahm dieses Angebot nicht an und zahlte keine Arbeitsvergütung. 
 
Das ArbG Bochum hatte der Klage auf Zahlung des Arbeitsentgelts stattgegeben, die Klägerin verlor jedoch vor dem LArbG Hamm. Das BAG in dritter Instanz hob die Entscheidung des LArbG auf und verwies die Sache zurück.
  
Nach Auffassung des BAG kann einer Arbeitnehmerin in einer kirchlichen Einrichtung zwar regelmäßig das Tragen eines islamischen Kopftuchs untersagt werden. Das Tragen eines Kopftuchs als Symbol der Zugehörigkeit zum islamischen Glauben und damit als Kundgabe einer anderen Religionszugehörigkeit sei regelmäßig mit der arbeitsvertraglichen Verpflichtung einer in einer Einrichtung der Evangelischen Kirche tätigen Arbeitnehmerin zu einem zumindest neutralen Verhalten gegenüber der Evangelischen Kirche nicht in Einklang zu bringen. Die Klägerin habe in die Obliegenheit, die an sie gestellten Loyalitätserwartungen im Rahmen ihrer Aufgabenwahrnehmung zu erfüllen, bei Begründung des Arbeitsverhältnisses mit der Beklagten eingewilligt. Sie habe diesen Erwartungen bei Vertragsschluss zugestimmt und sich ihnen in diesem Sinne freiwillig unterworfen. Zwar liege darin kein Verzicht auf eine zukünftig andere Ausübung ihrer Glaubensfreiheit. Religiöse Überzeugungen und Gewissenseinstellungen könnten sich ändern. Auch dies ist von der verfassungsrechtlich gewährleisteten Glaubensfreiheit umfasst. Während die Loyalitätserwartungen der Beklagten unverändert geblieben seien, habe sich aber im vorliegenden Fall die Bereitschaft der Klägerin, ihnen zu entsprechen, gewandelt. Der Konflikt zwischen den verfassungsrechtlichen Gewährleistungen sei deshalb in ihrer Sphäre begründet. Im Weiteren nimmt das BAG eine umfassende Abwägung der gegensätzlichen Grundrechtspositionen vor und prüft auch Bestimmungen des AGG und der EMRK.
 
Es müsse aber im konkreten Fall noch geklärt werden, ob die Einrichtung der Beklagten der Evangelischen Kirche institutionell zugeordnet ist. Denn könnte sich die Beklagte nicht auf Art. 140 GG, Art. 137 WRV berufen, wäre der Glaubensfreiheit der Klägerin gegenüber den Interessen der Beklagten der Vorrang einzuräumen. Für die Zuordnung einer rechtlich selbständigen Einrichtung zur Kirche sei es allerdings nicht ausreichend, wenn die Einrichtung ihrem Zweck nach auf die Verwirklichung eines kirchlichen Auftrags gerichtet ist. Sie setze eine institutionelle Verbindung zwischen der Kirche und der Einrichtung voraus, aufgrund derer die Kirche über ein Mindestmaß an Einflussmöglichkeiten verfügt, um auf Dauer eine Übereinstimmung der religiösen Betätigung der Einrichtung mit kirchlichen Vorstellungen gewährleisten zu können.
  
Zudem sei im konkreten Fall offen, ob die Klägerin im Streitzeitraum leistungsfähig war. Das Angebot, die Tätigkeit auf der Grundlage eines vom behandelnden Arzt erstellten Wiedereingliederungsplans aufzunehmen, indiziert die fehlende Leistungsfähigkeit der Klägerin.
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