Erfahrungswerte aus Süddeutschland zu zeitweise unentgeltlichem ÖPNV

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​veröffentlicht am 18. April 2018

von Tim Silberberger

 

Pforzheim hat es in den Sommerferien 2010 getestet, Bad Reichenhall in den Osterferien 2018: kostenloser ÖPNV. Beide Verkehrsverbünde sammelten ähnliche Erfahrungswerte und konnten während der Pilotprojekte einen hohen Nachfragezuwachs verzeichnen. In beiden Verbünden ist allerdings keine dauerhafte Umsetzung geplant. Paris hingegen lässt nun diesbezüglich eine Machbarkeitsstudie erstellen.

 

​Um die wirtschaftliche Tragfähigkeit eines dauerhaft kostenlosen ÖPNV besser einschätzen zu können, hat die Bürgermeisterin der französischen Hauptstadt, Anne Hidalgo, eine Machbarkeitsstudie angekündigt. Die zwei Mini-Projekte zum kostenlosen ÖPNV im Verkehrsverbund Pforzheim-Enzkreis (VPE) und der Stadtwerke Bad Reichenhall waren hingegen nur für einen kurzen Zeitraum ausgelegt. Helmut Grünäugl von der Stadtwerke Bad Reichenhall zieht ein positives Resümee, die Nachfrage war im Vergleich zu den letzten Osterferien bereits in der ersten Woche auf das Doppelte gestiegen. „Die Zuwächse waren hauptsächlich außerhalb der normalen Spitzen zu verzeichnen.”, so Grünäugl. Das gute Wetter hat offenbar den Ausflugsverkehr angekurbelt. Grünäugl ergänzt, dass diese Tendenz zeigt, dass die Stadtwerke bei einem dauerhaft kostenlosen Angebot wahrscheinlich Kapazitätsengpässe zu erwarten hätten. Axel Hofsäß vom VPE hatte die Idee, während der Sommerhitze 2010 für die Distanz von drei Haltestellen eine kostenlose Mitfahrt im klimatisierten Bus anzubieten. Die bisherigen ÖPNV-Nutzer fragten das Angebot stark nach, zahlreiche neue Fahrgäste wurden ebenfalls verzeichnet. Hofsäß hatte die Sommer-Aktion in der Goldstadt initiiert. Auf die Nachfrage, weshalb keine dauerhafte Umsetzung geplant ist, entgegnete er mit der unsicheren Kalkulation der zusätzlich benötigten Kapazitäten. Außerdem könne man mit den bereits stark frequentierten Haltestellen im Stadtzentrum (teilweise halbminütige Taktung) eine weitere Verdichtung des Fahrplans kaum bewerkstelligen.

 

Bewertung für die Praxis

Begleitet durch eine geeignete Öffentlichkeitsarbeit können auch zeitlich befristete Projekte wie in Pforzheim oder Bad Reichenhall dazu beitragen, den örtlichen ÖPNV populärer zu machen. So reduziert die Kostenfreiheit zunächst die Hemmschwelle, den ÖPNV zu nutzen, was insbesondere bei ÖPNV-Skeptikern zu einer erstmaligen Nutzung (seit langer Zeit) führen kann. Im Falle eines positiven ÖPNV-Erlebnisses kann dies so dann zu einer Verminderung der Skepsis und somit zu einer Steigerung der Nachfrage über den Projektzeitraum hinaus beitragen. Vor diesem Hintergrund sollte sich der örtliche ÖPNV bei Durchführung entsprechender Projekte stets von seiner besten Seite zeigen, d.h. die Sauberkeit der Fahrzeuge sowie die Freundlichkeit und Auskunftsfähigkeit des Personals sollten insbesondere während des Projektzeitraums eine Selbstverständlichkeit darstellen.

 

Aufgrund der nicht zu vernachlässigenden Kosten in Höhe der ausbleibenden Fahrscheineinnahmen erscheint es grundsätzlich jedoch fraglich, ob entsprechende Projekte aus einer rein ökonomischen Perspektive als lohnenswert zu erachten sind. Einen wesentlichen Zusatznutzen können die Projekte jedoch dadurch liefern, dass sie Hinweise auf die Wirkung eines dauerhaft kostenlosen ÖPNV geben können. So deuten bereits die zeitlich befristeten Projekte in Bad Reichenhall und Pforzheim darauf hin, dass durch die Kostenfreiheit eine Steigerung der ÖPNV-Nutzung erreicht werden kann. Wenngleich dies in den vorliegenden Fällen nicht erhoben wurde, dürfte dies – zumindest in einigen Fällen – mit einem Verzicht auf den motorisierten Individualverkehr einhergegangen sein, so dass die gewünschten ökologischen und sozialen Effekte befördert werden konnten. Zugleich zeigen die beiden Projekte aber auch die Risiken der Einführung eines kostenfreien ÖPNV in Form von Kapazitäts- sowie Finanzierungsengpässen auf, denn kostenfrei wäre ein solches Modell selbstverständlich einzig aus Nutzersicht. Insofern liefern die genannten Projekte keine grundlegend neuen Erkenntnisse, sondern bestätigen im Wesentlichen das üblicherweise vorgebrachte Für und Wider hinsichtlich eines kostenfreien ÖPNV. Zudem sollte diesbezüglich berücksichtigt werden, dass die genannten Projekte aufgrund des kurzen Projektzeitraums, der zudem ausschließlich in den Schulferien lag, nur von eingeschränkter Repräsentativität für einen dauerhaft kostenfreien ÖPNV sein können.

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