Erst einmal sehen wie es ausgeht – bei Konzessionsbewerbungen könnte diese Taktik zukünftig zur Präklusion führen

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verröffentlicht am 1. März 2016

 

Bislang werden Konzessionsvergabeverfahren regelmäßig erst nach Bekanntgabe der Auswahlentscheidung von dem unterlegenen Bieter angegriffen und gerichtlich überprüft. Die aktuelle Rechtsprechung und ein Gesetzesentwurf der Bundesregierung erfordern künftig ein (gerichtliches) Einschreiten gegen erkennbare Mängel schon im laufenden Verfahren.
 

​Der Wettbewerb um Verträge mit Gemeinden über die Nutzung öffentlicher Verkehrswege für die Verlegung und den Betrieb von Leitungen (Konzessionsverträge) wird zusehends größer. Immer häufiger werden Streitigkeiten über die Rechtmäßigkeit des Konzessionsvergabeverfahrens und die Wirksamkeit des Konzessionsvertrags vor Gericht ausgetragen. Angegriffen werden dabei neben der Auswertung der Angebote regelmäßig auch die Auswahlkriterien, die den Bewerbern um die Konzession zu Beginn des Verfahrens zur Verfügung gestellt werden und auf deren Grundlage die Auswahlentscheidung getroffen wird.
  
Auch wenn in der Vergangenheit seitens der Bieter Zweifel an der Rechtmäßigkeit der Auswahlkriterien bestand, wurde die Entscheidung, ob die Kriterien rechtlich überprüft werden sollen, regelmäßig von der Auswahlentscheidung der Kommune abhängig gemacht. Denn warum Auswahlkriterien überprüfen lassen, auf deren Grundlage man sich am Ende gegen die Wettbewerber durchsetzen könnte? Im Zweifel würde ein Vorgehen gegen die Kommune im laufenden Verfahren lediglich Zeit und Geld kosten und zusätzlich den Unmut der vergebenden Kommune auf den rügenden Bewerber ziehen. Nicht gerade der ideale Einstieg in die gewünschte Zusammenarbeit.
 
Diese pragmatischen Erwägungen könnten jedoch bald der Vergangenheit angehören. Erste Anzeichen hierfür ergeben sich bereits aus einer Entscheidung des Landgerichts Köln (Urteil vom 22. Dezember 2015), in der – soweit ersichtlich – zum ersten Mal angedeutet wird, dass die Auswahlentscheidung gegebenenfalls dann nicht wegen einer mangelnden Transparenz der Auswahlkriterien angegriffen werden kann, wenn der Bewerber diesen Rechtsverstoß nicht bereits im laufenden Verfahren gegenüber der Kommune gerügt hat. Die Entscheidung des LG Köln ist dabei wohl dahingehend zu verstehen, dass eine einfache Rüge gegenüber der Kommune ausreicht, um eine spätere Präklusion zu vermeiden. Diese vom Landgericht Köln angedeutete Rügepflicht schützt einerseits das durchaus berechtigte Interesse der Kommunen, auf offensichtliche Verfahrensverstöße hingewiesen zu werden und diese im laufenden Verfahren beheben zu können. Gleichzeitig wird der Bewerber mit einer einfachen Rüge gegenüber der Kommune nicht über die Gebühren belastet.
 
Dem Gesetzgeber geht diese pragmatische Lösung zu Rügeobliegenheiten im laufenden Konzessionsvergabeverfahren jedoch offensichtlich nicht weit genug. In dem neuen Gesetzesentwurf der Bundesregierung „zur Änderung der Vorschriften zur Vergabe von Wegenutzungsrechten zur leitungsgebundenen Energieversorgung” vom 3. Februar 2016 werden neben lange überfälligen Regelungen zum Netzkaufpreis und zu zulässigen Auswahlkriterien nämlich erstmals gesetzliche Rügeobliegenheiten vorgesehen. Der Gesetzesentwurf sieht dabei ein zweistufiges Rügeverfahren vor, bei dem der Bewerber einen möglichen Verstoß zunächst gegenüber der Kommune rügen und ihn – sofern die Kommune der Rüge nicht abhilft – im Anschluss gerichtlich geltend machen muss. Die Frist für die Rüge gegen die Kommune richtet sich dabei nach dem jeweiligen Verfahrensstand. Im Einzelnen sieht § 47 Abs. 2 des Gesetzesentwurfes derzeit folgende Rügefristen vor:
 

  • Rügen bezüglich der Bekanntmachung über das Auslaufen des Konzessionsvertrags: geltend zu machen innerhalb der Interessensbekundungsfrist, mithin innerhalb von drei Monaten ab Veröffentlichung der Bekanntmachung im Bundesanzeiger.
      
  • Rügen bezüglich Rechtsverletzungen, die aus den Auswahlkriterien ersichtlich werden: geltend zu machen innerhalb von 15 Kalendertagen ab Zugang der Auswahlkriterien.
      
  • Rügen bezüglich der Auswahlentscheidung: geltend zu machen innerhalb von 30 Kalendertagen ab Zustellung der Information über die Gründe der Auswahlentscheidung, bzw. – sofern Akteneinsicht beantragt wird – innerhalb von 30 Kalendertagen ab dem ersten Tag, an dem die Kommune die Akten zur Einsicht bereitgestellt hat.
     

Sofern eine Rüge fristgerecht eingeht, hat die Kommune die Möglichkeit, der Rüge abzuhelfen oder den Bewerber in Textform und unter Benennung der Gründe darüber zu informieren, dass keine Abhilfe erfolgen wird. In diesem Fall kann der Bewerber den gerügten Verstoß innerhalb von 15 Kalendertagen gerichtlich im Wege eines Antrags auf Erlass einer einstweiligen Verfügung gegen die Kommune geltend machen. Nachdem für den Erlass einer entsprechenden Verfügung regelmäßig das Landgericht zuständig ist, muss sich der Bewerber im Rahmen des gerichtlichen Verfahrens anwaltlich vertreten lassen. Unterlässt der Bewerber die fristgerechte gerichtliche Geltendmachung, kann er sich im weiteren Verfahren nicht mehr auf den gerügten Verstoß berufen, er ist mithin präkludiert. Insbesondere Altkonzessionäre werden daher zur erfolgreichen Verteidigung von Konzessionen zukünftig häufiger vor der Frage stehen, ob Entscheidungen der Kommune über Auswahlkriterien und die Auswahlentscheidung selbst gerichtlich angegriffen werden müssen.
  
Dieses strenge Rügeregime hat zur Folge, dass sämtliche Verfahrensunterlagen der Kommune genau geprüft werden müssen. Sofern gerügten Verstößen im Rahmen der Bekanntmachung oder Auswahlkriterien seitens der Kommune nicht abgeholfen wird, muss bereits im laufenden Verfahren gerichtlich gegen die Kommune vorgegangen werden. Für Bewerber ist dabei entscheidend, das Gesetz und die laufenden Fristen genau zu kennen. Denn anders als ähnliche Vorschriften wie z.B. aus dem Vergaberecht sieht der Gesetzesentwurf derzeit nicht vor, dass die Bewerber auf die laufenden Fristen hingewiesen werden müssen.
  
Letztlich bleibt abzuwarten, ob der Gesetzesentwurf tatsächlich in der aktuellen Form umgesetzt wird. Nachdem in diesem Entwurf aber keine Übergangsfristen vorgesehen sind, ist Bewerbern im Konzessionsvergabeverfahren zu raten, Rechtsverstöße im laufenden Konzessionsvergabeverfahren in Anlehnung an das Urteil des LG Köln und im Vorgriff auf die mögliche Gesetzesänderung in jedem Fall zumindest gegenüber der Kommune zu rügen, um eine spätere Präklusion zu vermeiden. Darüber hinaus sollten gemeinsam mit dem die Bewerbung begleitenden Beratungsunternehmen frühzeitig zumindest die Vorbereitungen für mögliche gerichtliche Auseinandersetzungen beginnen, da die Erlangung einer einstweiligen Verfügung innerhalb von 15 Tagen eine solche Vorbereitung in jedem Fall erfordert.
 

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