Neuregelung bei der Umsatzsteuer: Steuerberichtigung im vorläufigen Insolvenzverfahren

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Aktuelles Schreiben des Bundes­finanz­ministeriums (BMF) regelt die Berichtigung der Bemessungs­grundlage wegen Uneinbringlichkeit im vorläufigen Insolvenz­verfahren

Mit dem BMF-Schreiben vom 18. Mai 2016 nimmt die Finanzverwaltung ergänzend zu den BMF-Schreiben vom 20. Mai 2015 (Bundessteuerblatt (BStBl) I S. 476), 18. November 2015 (BStBl I S. 886) sowie vom 9. Dezember 2011 (BStBl I S. 1273) zur Frage der Berichtigung der Bemessungsgrundlage wegen Uneinbringlichkeit von Steuerforderungen im vorläufigen Insolvenzverfahren Stellung.
 

1. Auslöser für die Diskussion war das Urteil des Bundesfinanzhofs (BFH) vom 24. September 2014

Seit dem BFH-Urteil vom 24. September 2014, V R 48/13, BStBl 2015 II S. 506, finden die Grundsätze zu den Steuerberichtigungen im Insolvenzverfahren sowie im Insolvenzeröffnungsverfahren bei Bestellung eines sog. starken vorläufigen Insolvenzverwalters regelmäßig auch im Falle der Bestel-lung eines sog. schwachen vorläufigen Insolvenzverwalters Anwendung. Danach werden aufgrund der Bestellung eines sog. schwachen vorläufigen Insolvenzverwalters mit allgemeinemZustimmungsvorbehalt mit Recht zum Forderungseinzug oder mit Berechtigung zur Kassenführung die noch ausstehenden Entgelte für zuvor erbrachte Leistungen im Augenblick vor der Anordnung des vorläufigen Insolvenzverfahrens aus Rechtsgründen uneinbringlich. In der Folge sind die Steuerbeträge für Leistungen, deren Entgelte aus Rechtsgründen uneinbringlich geworden sind, nach § 17 Abs. 2 Nr. 1 S. 1 i.V.m.  Abs. 1 S. 1 Umsatzsteuergesetz (UStG) zu berichtigen. Im Anschluss an die Uneinbringlichkeit kommt es durch die Vereinnahmung des Entgeltes gem. § 17 Abs. 2 Nr. 1 S. 2 UStG zu einer 2. Berichtigung.
 

2. Das Recht zum Forderungseinzug oder zur Übertragung der Kassenführung ist unerheblich

Die Grundsätze zur Uneinbringlichkeit aus Rechtsgründen finden nach dem aktuellen BMF-Schreiben somit auch im Falle der Bestellung eines sog. schwachen vorläufigen Insolvenzverwalters mit allgemeinem Zustimmungsvorbehalt Anwendung. Das gilt unabhängig davon, ob dem vorläufigen Insolvenzverwalter im gerichtlichen Anordnungsbeschluss das Recht zum Forderungseinzug eingeräumt oder die Kassenführung übertragen worden ist. Insoweit soll es ausschließlich auf die reine Bestellung eines vorläufigen „schwachen“ Insolvenzverwalters ankommen.
 

3. Zweite Steuerberichtigung soll Masseverbindlichkeit nach § 55 Abs. 4 Insolvenzordnung (InsO) auslösen

Darüber hinaus geht das BMF-Schreiben in der Konsequenz davon aus, dass die Steuerverbindlichkeiten aus einer 2. Steuerberichtigung aufgrund einer während des Insolvenzeröffnungsverfahrens erfolgten Entgeltvereinnahmung als Masseverbindlichkeiten nach § 55 Abs. 4 InsO zu behandeln ist. Denn bei § 55 Abs. 4 InsO sei allein auf die Entgeltvereinnahmung durch den schwachen vorläufigen Insolvenzverwalter sowie auf die Entgeltvereinnahmung durch den Schuldner mit Zustimmung des schwachen vorläufigen Insolvenzverwalters abzustellen.


4. Anhängiges Verfahren beim BFH zu den vorgenannten Fragestellungen

Den aufgestellten Grundsätzen in dem aktuellen BMF-Schreiben sollte man jedoch mit äußerster Vorsicht begegnen. Obwohl die Finanzverwaltung derzeit die Auffassung vertritt, dass die 2. Steuerberichtigung, die wegen einer während des Insolvenzeröffnungsverfahrens erfolgten Vereinnahmung im „Unternehmensteil Insolvenzmasse“ erfolgt, zu Masseverbindlichkeiten nach § 55 Abs. 4 InsO führen soll, so muss darauf hingewiesen werden, dass gerade diese Rechtsfrage(n) derzeit dem Bundesfinanzhof nochmal anhängig sind (BFH, XI R 9/15; Vorinstanz Finanzgericht (FG) Berlin-Brandenburg, 15. Januar 2015, 5 K 5182/13).
 
Denn nach Auffassung des FG Berlin-Brandenburg ist die Frage der Begründung von Masseverbindlichkeiten nach § 55 Abs. 4 InsO ausschließlich nach den dem vorläufigen Insolvenzverwalter zustehenden rechtlichen Befugnissen zu beurteilen. Umsatzsteuerrechtlich habe die Bestellung eines vorläufigen Insolvenzverwalters mit dem Recht zum Forderungseinzug nicht zur Folge, dass die noch ausstehenden Entgelte für vor der Bestellung des vorläufigen Insolvenzverwalters bzw. für danach bis zur Beendigung des Insolvenzeröffnungsverfahrens ausgeführte Leistungen uneinbringlich werden und zu berichtigen sind (gegen BFH-Rechtsprechung). Denn maßgebend sollen die Umstände in der Person des Schuldners und nicht des Gläubigers sein. Es sei deshalb nicht möglich, dass eine Steuerforderung durch bloße Veränderung in der Gläubigerstellung und ohne Zutun des Schuldners uneinbringlich werden soll mit der Konsequenz der Berichtigungspflicht auf beiden Seiten der Umsatzbeteiligten.
 
Hier bleibt es abzuwarten, wie der BFH nun entscheidet.
 

5. Immer noch keine Klärung durch das BMF für die Eigenverwaltung

Ungeachtet der vorstehenden Problemlage ist nach wie vor nicht geklärt, ob die Finanzverwaltung die oben dargestellten rechtlichen Auswirkungen auch auf den Zeitpunkt der Bestellung eines (vorläufigen) Sachwalters anzuwenden beabsichtigt. Die Besonderheit bei Eigenverwaltung- und Schutzschirmverfahren  ist, dass das Insolvenzgericht bei erfolgreichen Anträgen keinen (vorläufigen) Insolvenzverwalter sondern lediglich einen (vorläufigen) Sachwalter bestellt. Dieser fungiert allerdings nur als Aufsichtsperson. Mit Verfahrenseröffnung geht die Verwaltungs- und Verfügungsbefugnis eben nicht auf einen Insolvenzverwalter über, sodass das Argument der veränderten Empfangszuständigkeit in dem Falle zweifelhaft ist, wolle man an ihr festhalten. Gleichwohl kann auf Antrag angeordnet werden, dass bestimmte Rechtsgeschäfte des Schuldners nur mit Zustimmung des Sachwalters eingegangen werden dürfen. Ebenso kann das Kassenführungsrecht übertragen werden. Das könnte – zumal die Finanzverwaltung eine Änderung der Empfangszuständigkeit auch ohne ausdrücklichem Recht zum Forderungseinzug oder ohne Übertragung des Kassenführungsrechts annimmt – nach wie vor zu steuerlichen Abwicklungsproblemen führen. Die schuldnerischen Unternehmen und deren Berater sind daher gehalten, bei der Vorbereitung von Eigenverwaltungs- und Schutzschirmverfahren die steuerlichen Aspekte verstärkt in den Fokus zu nehmen.
 

Zuletzt aktualisiert am 23.05.2016

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