Vom Fall zur Struktur: Wie Krankenhäuser künftig bezahlt werden – die neue Vorhaltevergütung

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​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​veröffentlicht am 30​. Oktober 2025


Mit dem Krankenhausversorgungsverbesserungsgesetz (KHVVG) hat der Gesetzgeber eine umfassende Reform der Krankenhausfinanzierung auf den Weg gebracht. Das bisherige System der Fallpauschalen (DRG) wird grundlegend verändert. Im Mittelpunkt steht die Einführung einer sogenannten leistungsunabhängigen Vorhaltevergütung, die ab dem 1. Januar 2027 greifen soll. Ziel dieser Reform ist es, die ökonomischen Fehlanreize des DRG-Systems zu korrigieren und eine qualitativ hochwertige, flächendeckende Versorgung sicherzustellen – unabhängig davon, wie viele Fälle ein Krankenhaus tatsächlich behandelt. Doch wie wird dieses Vorhaltebudget konkret berechnet? Und vor allem: Wie gelangt der Krankenhausträger am Ende tatsächlich an sein Geld? Genau diesen Fragen geht der folgende Beitrag nach.


Die Vorhaltevergütung soll die Abkehr vom rein leistungsbezogenen Finanzierungssystem einleiten. Statt nur aufgrund von Fallzahlen sollen künftig auch die Bereitstellung von Personal und Infrastruktur eines Krankenhausstandorts vergütet werden.

Berechnung der Vorhaltebewertungsrelationen

Die Berechnung des Vorhaltebudgets beginnt mit der Ermittlung sogenannter Vorhaltebewertungsrelationen (§ 37 KHG n. F.). Diese basieren auf den bisherigen DRG-Daten, wobei variable Sachkosten (z. B. Medikamente und Implantate) herausgerechnet werden (§ 17b Abs. 4b KHG n. F.). Übrig bleiben die fixen Betriebskosten, insbesondere Personal- (nicht aber Pflegepersonal!) und Infrastrukturkosten, die als „Vorhaltekosten“ gelten. Aus diesen wird ein 60-prozentiger Anteil extrahiert, der künftig über das Vorhaltebudget finanziert werden soll.

Da in den ursprünglichen und hier als Basis fungierenden DRG-Kalkulationen auch Teile der Pflegepersonalkosten enthalten sind, diese jedoch nach wie vor gesondert über das Pflegebudget vergütet werden sollen, erfolgt zudem eine systemische Bereinigung der Kalkulationsbasis: Sofern der Anteil der Pflegepersonalkosten an den verminderten Kosten weniger als 60 Prozent beträgt, sind diese abzuziehen; betragen sie mindestens 60 Prozent, beträgt die Vorhaltebewertungsrelation null.

Ermittlung des Vorhaltevolumens durch das InEK

In einem weiteren Schritt ermittelt das Institut für das Entgeltsystem im Krankenhaus (InEK) für jedes Bundesland ein Vorhaltevolumen, das sich aus der Summe der Vorhaltebewertungsrelationen aller abgerechneten Fälle innerhalb eines Bundeslandes ergibt. Dieses Volumen wird anteilig auf die 65 Leistungsgruppen – welche nach dem aktuellen Referentenentwurf des Krankenhausreformanpassungsgesetzes (KHAG) auf 61 Leistungsgruppen reduziert werden sollen – verteilt, die im jeweiligen Bundesland zugewiesen wurden.

Die Zuteilung der konkreten Vorhaltevolumina erfolgt dann standortbezogen (§ 2a KHG n. F.): Für jeden Standort wird ein Vorhalte-Case-Mix-Index berechnet – Summe der Vorhaltebewertungsrelationen geteilt durch die Fallzahl. Dieser Index wird mit der Fallzahl je Leistungsgruppe multipliziert, um den Anteil des Standorts am Vorhaltevolumen zu bestimmen.

Feststellung und Berechnung des Gesamtvorhaltebudgets

Der jeweilige Krankenhausträger erhält letztlich einen Feststellungsbescheid des InEK, mit welchem alle so ermittelten Vorhaltevolumina je zugeteilter Leistungsgruppe pro Krankenhausstandort sowie die aufgeteilten Förderbeträge nach § 39 KHG festgesetzt werden (§ 37 Abs. 5 S. 1 KHG n. F.).

Der konkrete Betrag des krankenhausindividuellen Vorhaltebudgets ergibt sich für den Krankenhausträger dann durch eine weitere Berechnung: Die Summe der in diesem Bescheid festgesetzten Vorhaltevolumina aller Leistungsgruppen wird mit dem im jeweiligen Jahr geltenden Landesbasisfallwert multipliziert (§ 7 Abs. 2 S. 6 KHEntgG n. F.). Addiert man diesen Betrag mit den im Feststellungsbescheid aufgeführten, nach § 39 Abs. 3 S. 5 KHG n. F. aufgeteilten Beträgen, erhält man das sogenannte Gesamtvorhaltebudget (§ 6b Abs. 1 S. 3 KHEntgG).

Auszahlung und Ausgleich von Erlösen

Die Abrechnung des so ermittelten jährlichen Gesamtvorhaltebudgets erfolgt über das jeweilige Jahr hinweg durch die Abrechnung von Vorhalteentgelten (§ 6b Abs. 3 KHEntgG n. F.). Ergänzend sind unter den Voraussetzungen des § 6b Abs. 4 und 5 KHEntgG n. F. Mehr- oder Mindererlöse auszugleichen.

Mindestvorhaltezahlen als Voraussetzung

Relativiert wird die Leistungsunabhängigkeit durch die Voraussetzung der Erfüllung von Mindestvorhaltezahlen (MVHZ) (§ 6b Abs. 1 S. 1 KHEntgG n. F.). So setzt die Inanspruchnahme des Vorhaltebudgets durch einen Krankenhausstandort voraus, dass die nach § 135f Abs. 1 SGB V festgelegte MVHZ erfüllt ist bzw. eine Ausnahme von der Erfüllung der MVHZ per Bescheid durch die für die Krankenhausplanung zuständige Landesbehörde vorliegt, weil das entsprechende Haus für die Sicherstellung der flächendeckenden Versorgung zwingend erforderlich ist (BT-Drs. 20/11854 S. 215).

Die konkrete MVHZ je Leistungsgruppe wird nach § 135f Abs. 4 SGB V durch Rechtsverordnung mit Zustimmung des Bundesrates auf Grundlage der Empfehlungen des IQWiG und des InEK festgelegt. Maßgeblich für die Erfüllung oder Nichterfüllung der jeweils geltenden MVHZ sind die Fallzahlen des jeweils vorangegangenen Jahres für das nächste Kalenderjahr, ohne dass es für die Auszahlung des Vorhaltebudgets auf die tatsächliche Erfüllung der vorgesehenen Fallzahl im konkreten Kalenderjahr ankommt. Es wird also beispielsweise anhand der Fallzahlen des Jahres 2025 bestimmt, ob die krankenhausstandortbezogene erforderliche MVHZ für das Jahr 2027 als erfüllt anzusehen ist (BT-Drs. 20/11854, S. 162).

Zeitliche Verschiebung durch den KHAG-Referentenentwurf

Der Referentenentwurf des KHAG vom 5. August 2025 sieht eine Verschiebung der Einführung der Vorhaltevergütung vor. Das ursprünglich für 2027 geplante Inkrafttreten würde bei Verabschiedung des KHAG in seiner jetzigen Form auf 2030 verlegt. Die Jahre 2026 und 2027 gelten dann als budgetneutrale Übergangsphase, während 2028 und 2029 als Konvergenzjahre dienen, in denen das neue System schrittweise eingeführt wird.

Entsprechend verschiebt sich auch das Jahr, das für die erstmalige Erfüllung der MVHZ relevant ist: Statt 2025 ist nun das Jahr 2026 maßgeblich. Die Gültigkeit des bisherigen Rechtsstands verlängert sich bis Ende 2027.

Fazit: Chance und Herausforderung für Krankenhäuser

Ob das neue System tatsächlich zu einer Verbesserung der Versorgungsqualität führt oder lediglich eine Umverteilung knapper Mittel darstellt, bleibt abzuwarten. Klar ist: Die Krankenhauslandschaft in Deutschland steht vor einem tiefgreifenden Wandel – und die Berechnung des Vorhaltebudgets ist dessen neuralgischer Punkt. Der KHAG-Entwurf zeigt, dass der Gesetzgeber bereit ist, auf die Realität der Versorgung einzugehen. Für Krankenhäuser ist dies eine Chance – aber auch eine Herausforderung, die strategisch und juristisch begleitet werden muss.

Unsere Kanzlei unterstützt Sie dabei, die rechtlichen Rahmenbedingungen zu verstehen, Risiken zu minimieren und Chancen gezielt zu nutzen. Ob bei der Prüfung von Leistungsgruppen, der Bewertung von Mindestvorhaltezahlen oder der Vorbereitung auf die Konvergenzphase – wir stehen Ihnen mit fundierter Expertise zur Seite.


AUTORIN

​Bianka Bach

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Dr. Klaus-Georg Baier

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