Moderne Arbeitswelt zwischen Digitalisierung und Restrukturierung

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veröffentlicht am 24. März 2021 | Lesedauer ca. 4 Minuten


Die gegenwärtige Pandemie verändert unsere moderne Arbeitswelt. Dabei liegen Freud und Leid eng beisammen: Einerseits sorgt ein Digitalisierungsschub für positive Impulse in der Ausgestaltung des Arbeitsplatzes der Zukunft, andererseits trüben Sorgen um den Erhalt von Arbeitsplätzen – nach mehr als zehn Jahres des Auf­schwungs – wieder den Blick in die Zukunft.


Seit mehr als einem Jahr bestimmt das Virus SARS-CoV-2 unseren Alltag – auch und insbesondere unseren Arbeitsalltag. Der Rückgang der Infektionszahlen und die zwischenzeitliche Nachvollziehbarkeit von Infektions­ketten im Sommer 2020 stellen sich retrospektiv betrachtet nur als Verschnaufpause vor einem epidemio­logisch gesehen schwierigen Winter dar. Ein zweiter, längerer und härterer Lockdown als im Frühjahr 2020 war die Folge, seine Auswirkungen gesamtwirtschaftlich und insbesondere für einzelne Branchen problematisch.


Digitalisierung

Auch die moderne Arbeitswelt hat sich inzwischen nachhaltig verändert: In Unternehmensbereichen, die bisher nicht von der Krise erfasst wurden oder gar von ihr profitieren konnten, sorgte die Pandemie für eine Beschleunigung der Digitalisierung und damit nicht nur für breitflächige Möglichkeiten zum Arbeiten im Homeoffice oder zur drastischen Reduzierung von Dienstreisen. Vielmehr erwies sich die Digitalisierung sogar als Garant für Arbeitsplätze und als Schutz vor noch stärkerer Verbreitung des Coronavirus.


Zugleich nehmen veränderte Arbeitsbedingungen Einfluss auf die Produktivität von Mitarbeitern und damit den Faktor Mensch im unternehmerischen Denken. So zeigen Studien, dass das Arbeiten im digitalen Umfeld bspw. nahezu doppelt so häufig selbst geplant und deutlich stärker auf die Familie abgestimmt erfolgen kann. Auch körperliche Entlastung spielt eine wichtige Rolle. Kurzum: Der digitale Arbeitsplatz schafft auch für Arbeit­nehmerinnen und Arbeitnehmer Freiräume und damit Vorteile, die sich wiederum positiv auf ihre Arbeitsleistung und Motivation auswirken. Entsprechend haben Unternehmen breitflächig überwiegend positive Erfahrungen mit dem mobilen Arbeiten gesammelt und wollen das auch in Zukunft forcieren.

Bedauerlich ist hingegen, dass es der Gesetzgeber bislang nicht geschafft hat, mit der Entwicklung Schritt zu halten und dafür einen validen rechtlichen Rahmen zu setzen. Spätestens nach Wegfall der Pandemie allerdings werden schon zuvor vernachlässigte Fragestellungen, etwa nach Arbeitsschutz und Kostenverteilung bei mobilem Arbeiten oder der Einhaltung des Arbeitszeitgesetztes bei zunehmender Verflechtung von Arbeits- und Freizeit, einer neuen, der Digitalisierung und der Veränderung der Arbeitswelt auch Rechnung tragenden Lösung durch den Gesetzgeber zuzuführen sein. Die Herausforderung ist, rechtliche Rahmenbedingungen so zu setzen, dass der gewünschten Flexibilität und Agilität von Mitarbeitern keine Grenzen gesetzt werden, jedoch gleichzeitig dem Arbeitnehmerschutz Rechnung zu tragen. Eine Rückkehr zur früheren Normalität ist spätestens mit dem zweiten Lockdown kaum mehr vorstellbar. Umso wichtiger ist jetzt, die sich bietenden Chancen zu nutzen.


Restrukturierung

In vielen von der Krise hart getroffenen Branchen und Unternehmensbereichen hingegen scheinen die Themen wie Luxus: War der Arbeitsmarkt noch Anfang 2020 von Fachkräftemangel geprägt und auf dem Weg zu Vollbeschäftigung, herrschen gegenwärtig Verunsicherung, Personalabbau und Kurzarbeit.

Mit Ausbruch der Pandemie rückten die Personalkosten schlagartig in den Mittelpunkt der unternehmerischen Überlegungen. National wie international standen Wirtschaft und Politik vor dem Spagat zwischen Senkung von Personalkosten und dem Erhalt der Arbeitsplätze und der Belegschaft für die Zeit nach der Krise. So international das Virus und die mit ihm verbundenen Fragestellungen, so national handelten Gesetzgeber und Politik. Schon im Frühjahr 2020 wurde in einem rechtsvergleichenden Blick auf die arbeitsrechtlichen Reaktionsmöglichkeiten in 40 Ländern erkannt, dass sich gleichwohl die Instrumentarien zur Krisenbewäl­tigung ähneln. Allen voran war Kurzarbeit das Mittel der Wahl. So senkte die Politik die Eintrittshürden und Unternehmen machten und machen bis heute reichlich Gebrauch davon. In Deutschland war und ist die Erwartungshaltung an dieses Instrument besonders groß – half die Kurzarbeit doch nicht nur erfolgreich durch die Finanzkrise. Rückblickend gilt sie als eine der Erfolgsfaktoren für den schnellen Aufschwung im Anschluss. Entsprechend wurden von April 2020 bis Januar 2021 mehr als 15 Mio. Arbeitnehmerinnen und Abreitnehmer in Anzeigen von Kurzarbeit erfasst. Zugleich stieg allerdings auch die Zahl der Arbeitslosen um mehr als 500.000.

Auch der Gesetzgeber hat erkannt, dass die Krise Restrukturierungen in viele Branchen erforderlich macht und zum Jahreswechsel mit dem Gesetz über den Stabilisierungs- und Restrukturierungsrahmen für Unternehmen (StaRUG) die Lücke zwischen der außergerichtlichen Sanierung und dem Insolvenzverfahren geschlossen. Eine Erleichterung von Personalmaßnahmen ist damit jedoch nicht verbunden, obgleich eine Restrukturierung ohne selbige in der Praxis kaum vorstellbar ist. Einerseits bilden Lohnkosten regelmäßig einen großen, nicht selten den größten Kostenfaktor eines Unternehmens und andererseits zeigen frühere Restrukturierungen, dass Gläubiger i.d.R. erst dann zu Zugeständnissen bereit sind, wenn alle Gläubiger beteiligt werden, demzufolge auch die Mitarbeiter.

Werden also Personalmaßnahmen – häufig in Form von Personalabbau mittels betriebsbedingter Kündigungen – erforderlich, stellt sich in vielen Unternehmen unmittelbar die Frage nach dem Konkurrenzverhältnis zur Kurzarbeit. Schließlich setzt sie u.a. das Vorliegen eines vorübergehenden Arbeitsausfalls voraus, um ihrer Brückenfunktion gerecht zu werden: Kurzarbeit überbrückt die Zeit des Arbeitsausfalls. Betriebsbedingte Kündigungen hingegen setzen den endgültigen Wegfall des Arbeitsplatzes voraus. Die jeweilige Sozialleistung – Kurzarbeitergeld oder Arbeitslosengeld – soll dem Grundsatz nach also alternativ und nicht kumulativ zum Tragen kommen.

Gleichwohl geht das Bundesarbeitsgericht (BAG) in ständiger Rechtsprechung davon aus, dass trotz angeordneter Kurzarbeit betriebsbedingte Kündigungen nicht ausgeschlossen sind. Allerdings sieht das BAG angeordnete Kurzarbeit durchaus als Indiz gegen dauerhaften Beschäftigungsrückgang und damit die Möglichkeit der betriebsbedingten Kündigung, weil der Arbeitgeber damit kundgetan habe, von einem vorübergehenden Beschäftigungsmangel und nicht von dauerhaftem Wegfall von Arbeitsplätzen auszugehen. Daraus ergeben sich also in der Kurzarbeit erhöhte Anforderung an die Darlegung des Kündigungsgrundes: es müssen nach Anordnung der Kurzarbeit weitere inner- oder außerbetriebliche Faktoren hinzugetreten sein, die auf Dauer das Weiterbeschäftigungsbedürfnis entfallen lassen.


Damit sind der Begründung der Kurzarbeit und der betriebsbedingten Kündigung höchste Aufmerksamkeit zu widmen. Verschärft wird das Spannungsverhältnis durch die erst langfristige Wirkung von betriebsbedingten Kündigungen, denn bevor sie einen wirtschaftlichen Sanierungsbeitrag leisten können, ist einerseits mit dem Betriebsrat ein Interessenausgleich sowie ein Sozialplan zu verhandeln und bei anschließender Umsetzung die Kündigungsfrist der Mitarbeiter im Auge zu behalten.


Fazit

Unternehmen und ihre Mitarbeiter sind in der Krise mehr denn je aufeinander angewiesen und gut beraten, gemeinsame Interessen wie den Erhalt von Arbeitsplätzen, aber auch die beiderseits interessengerechte Ausgestaltung des digitalisierten Arbeitsplatzes der Zukunft konstruktiv und agil miteinander zu gestalten. Wo Restrukturierungen unumgänglich sind und Kurzarbeit nicht mehr ausreicht, ist der rechtliche Rahmen anspruchsvoll und bedarf intensiver Berücksichtigung, um die Rückzahlung von Kurzarbeitergeld und/oder die Unwirksamkeit von Kündigungen zu vermeiden.

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