Einsparpotenziale im Immobilienbetrieb: Wie sich Compliance und Effizienz in Einklang bringen lassen

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veröffentlicht am 24. März 2021 | Lesedauer ca. 5 Minuten


Jeden Eigentümer und Betreiber von Immobilien treffen im Betrieb seiner baulichen und technischen Anlagen zahlreiche und sich laufend verschärfende Anforderungen aus Gesetzgebung, technischer Regelsetzung und Rechtsprechung sowie damit einhergehende Haftungsrisiken – und bilden damit einen Teilaspekt der Compliance des Eigentümers und Betreibers. Ein reflektierter Umgang mit den umfangreichen und komplexen Betreiberpflichten kann aber nicht nur einen rechtssicheren Immobilien­betrieb, sondern insbesondere auch einen effizienten Ressourceneinsatz sicher­stellen. Denn vielfach wird aus Unsicherheit im Umgang mit den rechtlichen Anforde­rungen oder Aussagen von Facility Management-Beratern, Dienstleistern und Prüfins­ti­tu­tionen mehr Geld ausgegeben als nötig.


Die Anforderungen des Gesetzgebers an den Eigentümer und Betreiber von Gebäuden und gebäudetech­nischen Einrichtungen (Betreiberverantwortung) haben sich in den letzten Jahren laufend verschärft. Sie ergeben sich zu sämtlichen betrieblichen und organisatorischen Abläufen und Tätigkeiten beim Betrieb von baulichen und technischen Anlagen aus der Gesetzgebung von EU, Bund und Ländern, den Unfallverhütungs­vorschriften, dem umfangreichen technischen Regelwerk (DIN-Normen, VDE-Bestimmungen, VDI-Richtlinien etc.) sowie einer sich stetig verschärfenden Rechtsprechung.

Im Umgang mit den umfangreichen und komplexen Anforderungen herrscht nach wie vor große Verunsicherung bei der richtigen und rechtskonformen Umsetzung und deren Abbildung in der betrieblichen Realität. Aus dem Grund wird teilweise sehr viel mehr Geld ausgegeben als unbedingt nötig, da nicht hinreichend reflektiert und bewusst hinterfragt wird, welche Anforderungen zwingend sind, welche alternative Vorgehensweisen eröffnen und welche reine Empfehlungen ohne Konsequenzen bei Nichterfüllung sind. Gelingt bspw. die Verlängerung von Wartungs- und Prüfzyklen für Anlagen, die im Immobilienbestand in hoher Stückzahl vorkommen (bspw. ortsfeste und ortsveränderliche elektrische Betriebsmittel oder Rauchwarnmelder), hat das eine unmittelbare Auswirkung auf die Kosten des Gebäudebetriebs. Auf der anderen Seite fallen präventive Instandhaltungs­maßnahmen dem Sparzwang zum Opfer und ziehen kostenintensive Instandsetzungen nach sich.

Ein bewusster und reflektierter Umgang mit den sich aus Gesetzgebung, Regelsetzung und Rechtsprechung ergebenden Anforderungen betrifft damit nicht nur die Compliance des Eigentümers und Betreibers, sondern birgt gleichzeitig auch ein erhebliches betriebswirtschaftliches Potenzial, das insbesondere in wirtschaftlich schwierigen Zeiten eine genauere Betrachtung verdient hat und nicht zuletzt einen Beitrag zu der in vielen Unternehmen aktuell notwendigen Krisenbewältigung leisten kann.


Verbindlichkeit von Regelwerken

Ein wichtiger Aspekt bei der Auseinandersetzung mit den Anforderungen des Immobilienbetriebs ist die Differenzierung nach deren Verbindlichkeit. Nicht alle der sich aus Gesetzgebung, Regelsetzung und Recht­sprechung ergebenden Anforderungen sind zwingend: teilweise entfalten sie eine Vermutungswirkung rechtskonformen Verhaltens und teilweise haben sie lediglich empfehlenden Charakter. Fehlt die Kenntnis zur Anwendung des regulatorischen Rahmens und der Verbindlichkeit der sich daraus ergebenden Pflichten, führt das zwangsläufig zu falschen Entscheidungen und vielfach auch zu den in der Praxis häufig erkennbaren überzogenen Reaktionen.


Rödl & Partner hat die für den Immobilienbetrieb relevanten Regelwerke ihrer Verbindlichkeit nach differenziert und vier Konformitätsleveln zugeordnet, womit ein verlässlicherer Umgang mit den Regelwerken in der Branche ermöglicht werden soll.


Konformitätslevel 1 – unmittelbare (gesetzliche) Pflichten

Pflichten, die sich unmittelbar aus einer verbindlichen Rechtsquelle ergeben und die direkt in der jeweiligen Quelle abschließend formuliert sind. Wenn sich der Adressat rechtskonform verhalten will, hat er keine Alternative zu der beschriebenen Pflicht.


Konformitätslevel 2 – mittelbare (gesetzliche) Pflichten

Pflichten, für die in verbindlichen Rechtsquellen lediglich ein Schutzniveau vorgegeben ist (z.B. sicherer Betrieb) und die (ausdrücklich oder durch Auslegung) konkretisiert werden. Wenn sich der Adressat rechts­konform verhalten will, kann er die Konkretisierung anwenden oder sich für Alternativen entscheiden, deren Wirkung das Schutzniveau aus den verbindlichen Regelwerken im konkreten Einzelfall mind. in gleichem Maße erfüllt.


Konformitätslevel 3 – ergänzende Empfehlungen

Empfehlungen oder Hinweise, die den Gebäudebetrieb optimieren helfen, die aber keinen unmittelbaren Einfluss auf die Rechtskonformität haben. Sie können den Nachweis der Rechtskonformität unterstützen, dienen aber primär anderen (unternehmerischen) Zielen, wie einer verbesserten Wirtschaftlichkeit, höheren Ausfallsicherheit von Anlagen oder besserer Nutzerfreundlichkeit.


Konformitätslevel 4 – ergänzende vertragliche Pflichten

Pflichten, die zwischen zwei Vertragsparteien vertraglich vereinbart werden und die Pflichten aus den Konformitätsleveln 1 bis 3 konkretisieren, ergänzen, darüber hinaus gehen oder eigenständig vereinbart werden.

Vor dem Hintergrund der Differenzierung wird deutlich, dass bei Anforderungen aus Regelwerken der Konformitätslevel zwei bis vier Handlungsspielräume bestehen, die sich aus dem regulatorischen Rahmen ergeben und die der Gesetzgeber auch ganz bewusst geschaffen hat. Es lohnt sich daher, die Vorgaben der Konformitätslevel zwei bis vier zu hinterfragen und zu überlegen, ob sie im jeweiligen Einzelfall zwingend oder zumindest sinnvoll oder eben gerade keins von beidem sind.


Beispiele 1: Rauchwarnmeldertausch
Ein Beispiel aus dem Konformitätslevel zwei ist der Austausch von Brandmeldern nach DIN 14675-1, der in der Branche bereits seit einigen Jahren nicht uneingeschränkt für notwendig erachtet wird und zahlreiche Branchenvertreter längere oder flexiblere Austauschfristen fordern. Fakt ist, dass die Forderung zum Tausch der Brandmelder in der DIN 14675-1 festgeschrieben ist und damit die Brandmelder nahezu flächendeckend in ganz Deutschland alle fünf bzw. acht Jahre getauscht und jährlich unzählige noch funktionierende Brandmelder entsorgt werden.


Macht man sich aber bewusst, dass die DIN dem Konformitätslevel zwei zuzuordnen ist und damit keine zwingende Forderung stellt, eröffnet sich der Spielraum zur Verlängerung des in der DIN-Norm geforderten Zyklus. Allerdings sollte die Verlängerung nicht ohne Weiteres erfolgen, sondern auf Grundlage einer fundierten Entscheidung und unter der Einbindung rechtlichen und fachlichen Sachverstands getroffen werden. Neben der Anforderung aus der DIN-Norm ist die konkrete Genehmigungssituation der betreffenden Objekte, die objektspezifischen Gegebenheiten sowie die Art und Funktion der verbauten Brandmelder zu berücksichtigen.


Beispiel 2: DGUV V3 Prüfungen
Ein weiteres Beispiel zur Verlängerung von Prüfzyklen betrifft die Prüfung der ortsveränderlichen elektrischen Betriebsmittel nach DGUV V3. Dabei ergibt sich die Pflicht zur Prüfung der Betriebsmittel zwar nach Regel­werken des Konformitätslevels eins (DGUV V3 bzw. Betriebssicherheitsverordnung), allerdings ist der dafür bestimmte Prüfzyklus lediglich in Regelwerken des Konformitätslevels zwei zu finden (Durchführungs­anweisung zur DGUV V3 bzw. TRBS 1201 mit Verweis auf die DGUV V3). Sowohl die DGUV V3 als auch die BetrSichV bestimmen lediglich die Pflicht zur Prüfung, die Frist ergibt sich hingegen erst aus den konkretisierenden Regelwerken des Konformitätslevels zwei und ist damit zunächst nicht zwingend.


Fazit

Die reflektierte Auseinandersetzung mit den Anforderungen zum Betrieb von baulichen und technischen Anlagen bietet neben der Gewährleistung eines rechtssicheren Immobilienbetriebs bei der Compliance auch erhebliche Einsparpotenziale – und das ohne Verfehlungen gegen die rechtlichen Anforderungen eingehen zu müssen. Was zunächst rechtstheoretisch klingt, gewinnt angesichts wirtschaftlich schwieriger Zeiten und gesetzten Einsparzielen in der Praxis zunehmende Bedeutung.

Es lohnt sich, die bestehende Instandhaltungsstrategie unter Einbindung sowohl technischen als auch rechtlichen Sachverstands zu hinterfragen und die eigens gesetzten oder auf der Grundlage von Facility Management-Beratern, Dienstleistern oder Prüfinstitutionen festgelegten Instandhaltungstätigkeiten hinsichtlich der Notwendigkeit aus rechtlicher Sicht, der Sinnhaftigkeit aus technischer Sicht sowie der Häufigkeit auf den Prüfstand zu stellen und neu zu bewerten. Das bestätigt sich auch in der praktischen Umsetzung.

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