Corona-bedingte Reduktion der Geschäftsraummiete: Mögliche Voraussetzungen

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veröffentlicht am 24. März 2021 | Lesedauer ca. 5 Minuten


Auch in Krisenzeiten sind Verträge grundsätzlich einzuhalten („pacta sunt servanda”). Man könnte meinen, dass damit zu dem Thema eigentlich alles gesagt ist, was es aus juristischer Sicht beizutragen gibt. Die aktuelle Lage belehrt uns, dass das zu kurz gedacht ist. Dem Gewerberaummieter wurde zum Jahreswechsel 2020/2021 ein Instru­ment an die Hand gegeben, die Miete u.U. aufgrund der derzeitigen Pandemielage kürzen zu können. Zum besseren Verständnis beider Vertragsbeteiligten dient der nachfolgende Beitrag.


Die Corona-Pandemie bestimmt seit März 2020 unser Leben und wirkt sich auch auf die verschiedenen Vertragsverhältnisse im Immobilienbereich aus. Dabei ist eingangs ganz deutlich festzuhalten, dass stets die Regelungen des jeweiligen Vertragswerks zu beachten sind und letztlich immer eine Einzelfallbetrachtung zu erfolgen hat. Eine pauschale Berücksichtigung etwa ergangener Rechtsprechung und/oder vorgenommener Gesetzesänderungen oder -anpassungen verbietet sich geradezu.

 


Erste Phase der Pandemie/Frühjahr 2020

Die Auswirkungen der ersten behördlichen Anordnungen aufgrund des Infektionsschutzes zeigten unmittelbare Auswirkung auf die Vertragsbeziehungen der am Mietvertrag Beteiligten. Der Gesetzgeber reagierte darauf mit einem „Gesetz zur Abmilderung der Covid-19-Pandemie” vom 27. März 2020 recht schnell und regelte im Speziellen, dass Zahlungsverzug in den Monaten März bis Juni 2020, der nachweislich Corona-bedingt unumgänglich ist, nicht zu einer Kündigung des Mietverhältnisses führen kann. Daraus schlussfolgerten fortan die Juristen, dass der Gesetzgeber bewusst „nur” die Kündigungsmöglichkeit regeln wollte und gleichzeitig die sonstigen Leistungsstörungen (im Sinne pacta sunt servanda) unangetastet bleiben sollten. Weder Mietminde­rung (§§ 536 ff. BGB) noch Anpassung des Vertrages über die Regelungen der Störung der Geschäftsgrundlage (§ 313 BGB) kamen folglich in Betracht. Dafür spricht insbesondere eine Ausarbeitung des wissenschaftlichen Dienstes des Bundestages vom 2. Juni 2020 (Az.: WD 7-30003062/20).


Erkennbare Tendenzen in der Rechtsprechung bis 31. Dezember 2020

Die Rechtsprechung folgte dem Gedanken bis zum Urteil des LG München I vom 22. September 2020 (Az.: 3 O 4495/20). Das LG München I stellte zum ersten Mal fest, dass eine Mietminderung möglich sei, weil der vereinbarte Mietzweck – Nutzung als Geschäft – aufgrund der öffentlich-rechtlichen Beschränkung nicht mehr eingehalten werden könne. Das LG München hat die Anwendung von § 313 BG noch kategorisch ausge­schlossen, wobei der Ausschluss mit dessen Subsidiarität begründet wurde.

Die übrigen Urteile (15 veröffentlicht) lehnten hingegen eine Möglichkeit zur Mietminderung und Vertrags­abän­de­rung auch unter Hinweis auf den klar geäußerten gesetzgeberischen Willen ab.


Gesetzesbestreben seit Anfang Dezember 2020

Das Urteil des LG München I hat offensichtlich den Gesetzgeber wachgerüttelt. Denn unmittelbar nach dessen Veröffentlichung verstärkten sich in der öffentlichen Diskussion die Meinungen dahingehend, dass der Mieter von seiner Mietzahlungsverpflichtung befreit werden muss. Über den Weg der Mietminderung war das aber nicht möglich, nachdem es zu offensichtlich ist, dass die Mietsache selbst keinerlei Mietmangel unterliegt und die Verteilung des Geschäftsrisikos im Mietvertrag in aller Regel zuungunsten des Mieters ausfällt. Deshalb hat der Gesetzgeber im Rekordtempo reagiert und zum 1. Januar 2021 in § 7 zu Art. 240 EGBGB unter Bezugnahme auf einen Bund-Länder-Beschluss vom 13. Dezember 2020 Klarheit geschaffen.

Der Gesetzgeber hat eine doppelte Klarstellung vorgenommen. Zum einen hat er klargestellt, dass sein Gesetz vom März 2020 keineswegs so zu verstehen sei, dass die allgemeinen Leistungsstörungsregelungen nicht anwendbar wären. Zum anderen hat der Gesetzgeber eine ausdrückliche Regelung in Bezug auf § 313 BGB aufgenommen. Nachdem eine solche Änderung im Hinblick auf die Subsidiarität der Regelung nur dann Sinn macht, wenn die übrigen Leistungsstörungen (z.B. Mietminderung) ausgeschlossen sind, kann dennoch weiterhin davon ausgegangen werden, dass ein Fall einer Mietminderung nicht vorliegt. Gerade aktuell hat das das Oberlandesgericht Dresden (Az.: 5 U 1782/20) eindrucksvoll bestätigt.


Störung der Geschäftsgrundlage

Wie eingangs schon erwähnt, handelt es sich dabei um Einzelfallentscheidungen. Eine Änderung eines Vertrags aufgrund geänderter Rahmenbedingungen (1) kommt nach der gesetzlichen Vorschrift nur dann in Betracht, wenn die Vertragsparteien in Kenntnis der geänderten Vertragsbedingungen eine andere vertragliche Regelung getroffen hätten (2) und das dabei gefundene Ergebnis den Vertragsparteien zumutbar (3) ist.


(1) Reales Element

Die Neuregelung des Gesetzes betrifft das sog. „reale Element” der Vorschrift. Danach muss ein bestimmter Umstand vorliegen, der Einfluss auf den Vertrag nimmt und die (ungeschriebene, aber vorausgesetzte Vertrags­parität) schwerwiegend verändert. Der Gesetzgeber schreibt nun vor, dass Corona ein solcher Umstand ist.


(2) Hypothetisches Element

Die weitere Voraussetzung (die Parteien hätten den Vertrag anders gestaltet, wenn sie von (1) Kenntnis gehabt hätten) hat der Gesetzgeber ausdrücklich nicht geregelt. Im Übrigen wird davon auszugehen sein, dass das „hypothetische Element” in aller Regel anzunehmen ist, da es nur schwer vorstellbar ist, dass die Vertrags­parteien in Kenntnis der Sachlage keine andere Regelung getroffen hätten. Das ist aber branchenabhängig. Möglicherweise ist das bei einem Verkaufsgeschäft für Lebensmittel anders zu beurteilen als bei einem Handelsgeschäft oder einer sonstigen Dienstleistung oder gar einer kulturellen Einrichtung. Es bleibt aber dabei, dass der die Vertragsabänderung Begehrende (meist der Mieter) beweisen muss, dass eine Vertrags­änderung hypothetisch anzunehmen ist.


(3) Normatives Element

Letztlich ist damit die konkrete Lösung im sog. „normativen Element” auf der Rechtsfolgenseite zu suchen. Eine Vertragsanpassung ist umso eher erforderlich, als es dem einen Vertragsteil (meist dem Mieter) nicht zugemutet werden kann, am unveränderten Vertrag festzuhalten. Das ist aber nur dann der Fall, wenn die Störung nicht bereits in den alleinigen Risikobereich der Vertragspartei fällt. Deshalb ist es ausgesprochen wichtig zu verstehen, dass eine pauschalierte Betrachtung von vornherein ausscheidet. Typischerweise regelt der Miet­vertrag in seiner Regelung zum Vertragszweck und in den Regelungen zur Verteilung der Instandhaltungs- bzw. Instandsetzungslasten eine branchenübliche Risikoverteilung. Anhand derer wird zu entscheiden sein, ob künftig von einer Vertragsänderung auszugehen sein wird. Derjenige, der sich darauf beruft, muss im Ergebnis aufzeigen, dass ohne die Vertragsanpassung eine Existenzgefährdung eintritt. Die dazu entschei­denden Umstände (Verhältnis Umsatz 2019 zu 2020, Corona-bedingter Umsatzrückgang, Abweichung von einschlägigen Branchenkennzahlen, Inanspruchnahme staatlicher Hilfen, Unterlassen von Kompensations­möglichkeiten, Kostenreduzierung durch Kurzarbeit etc.) muss der Mieter vortragen. Dem muss in einer Abwägung das Interesse des Vermieters am Verbleib der vertraglichen Regelung v.a. im Hinblick auf eigene Verbindlichkeiten gegenüber finanzierenden Bankinstituten etc. begegnet werden. Kommt es zu einer Unzumutbarkeit, wird dem Mieter eine Mietreduktion über § 313 BGB zuzusprechen sein.


Vorgehen/Künftige Verträge

Nachdem derzeit unklar ist, wie sich die Rechtsprechung dazu positionieren wird, ist es derzeit angezeigt, Vertragsverhandlungen zu führen und eine Lösung unter Berücksichtigung der zuvor aufgezeigten Bedingungen weiterzuführen. Dabei kommt es schlussendlich auf eine Interessenabwägung zwischen den Vertragsbeteiligten an. Eine pauschale Teilung des Risikos im Sinne einer 50/50 Regelung verbietet sich.

Das Gesetz erfasst grundsätzlich alle abgeschlossenen Sachverhalte von vor dem 1. Januar 2021, nachdem Gesetze keine sog. echte Rückwirkung entfalten. Wenn also mit dem Mieter für den Zeitraum vorher Vereinbarungen über die Miete (Stundungen, Verzichte o. ä.) getroffen wurden, so sind die Sachverhalte abgeschlossen.

Wer im Übrigen in Kenntnis der oben beschriebenen Sachlage heute einen Mietvertrag für längerfristige Zeit abschließt und keine Regelung zu Veränderungen der Rahmenbedingungen aufnimmt, wird künftig damit leben müssen, dass ihm die Gerichte unter Berücksichtigung der vorbezeichneten Feststellungen Vorschriften machen werden, welche Änderungen ihm zuzumuten sind und welche nicht. Es empfiehlt sich deshalb im beiderseitigen Interesse aller Vertragsbeteiligten, eine Regelung dergestalt in den Vertrag aufzunehmen, dass klar ist,

  • wann davon auszugehen ist, dass eine Vertragsänderung stattfinden muss und v.a.
  • wie mit der Situation umzugehen ist.


Dazu bietet sich an, einerseits ein sog. „außergewöhnliches Ereignis”  zu definieren und andererseits Regelungen zum Umgang mit der Situation aufzunehmen. So wird dokumentiert, dass die (künftig geänderte) Vertragssituation erkannt wurde und Sorge dafür getragen wird, dass dritte Personen (die zu einer Entscheidung berufen werden) an die Vorgaben gebunden sind.


Fazit

Es ist aus heutiger Sicht noch nicht klar abschätzbar, welche Konsequenzen und für welche Dauer die gesetzgeberische Rochade nach sich ziehen wird. Es ist davon auszugehen, dass sich eine vertiefte Einzel­fall­rechtsprechung bezogen auf die betroffenen Branchen herausarbeiten wird, deren Konsequenz man in künftigen Verträgen nur verhindern kann, wenn dazu Regelungen getroffen werden.

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