Neues Prospektrecht: Auswirkungen auf die Praxis der Prospektierung und für die Kommunikation

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veröffentlicht am 24. März 2021 | Lesedauer ca. 4 Minuten


Bei der Platzierung von Wertpapieren am Kapitalmarkt besteht ein hohes Interesse der Emittenten, Anlegern die Chancen ihres Investments vor Augen zu führen. Zugleich sind damit erhebliche Haftungsrisiken verbunden. Die Vorgaben zur Erstellung von Wertpapierprospekten sollen helfen, den Anleger vollumfänglich über Chancen aber v.a. auch Risiken der Anlage zu informieren. Daran sind sämtliche angebotsbezogenen Werbemaßnahmen zu orientieren.


Bei der Erstellung von Wertpapierprospekten befinden sich Emittenten und Berater im Zwiespalt zwischen der Funktion des Prospekts als (Ent-)Haftungsdokument und dem Wunsch, möglichst viele Anleger vom Investment zu überzeugen. Das Prospektrecht setzt gut gemeinten Marketingmaßnahmen Grenzen.


Rechtlicher Rahmen

Seit dem 21. Juli 2019 wird der Rechtsrahmen für Wertpapierprospekte durch die neue Prospektverordnung gesetzt. Die Prospektverordnung ersetzt seitdem die Prospektrichtlinie, die alte Prospektverordnung und Teile des Wertpapierprospektgesetzes. Sie stellt einen wesentlichen Schritt zur Vollendung der europäischen Kapitalmarktunion dar. Ziel ist es, Unternehmen den Zugang zu den Kapitalmärkten zu erleichtern und ein effizienteres Funktionieren der Märkte zu ermöglichen.


Wesentliche Neuerungen

Wesentliche Neuerungen erfuhren insbesondere die Bereiche der Risikofaktoren und der Prospektzusammen­fassung. Risikofaktoren müssen in den Prospekt v.a. mit dem Ziel aufgenommen werden, dass die Anleger eine fundierte Bewertung unternehmens- und angebotsbezogener Risiken vornehmen können. Entgegen der weitläufigen Praxis im alten Prospektrecht dürfen nunmehr allgemeine und unspezifische Risikofaktoren, die keinen oder nur einen entfernten Emittenten- oder Wertpapierbezug aufweisen, nicht mehr dargestellt werden. Die Prospektverordnung verlangt vielmehr, dass die Risikofaktoren für den Emittenten und die konkreten Wertpapiere spezifisch und in Bezug auf die Anlageentscheidung wesentlich sind.

In die Zusammenfassung dürfen nur noch die 15 wesentlichsten Risiken aufgenommen werden. Darüber hinaus wurden Vereinfachungen in der Darstellung der Zusammenfassung festgelegt sowie der Umfang auf sieben DIN-A4-Seiten begrenzt. Das soll zu einer Erleichterung der Anlageentscheidung der Anleger führen und die Zusammenfassung im Allgemeinen nutzerfreundlicher machen.

In der Praxis führt sowohl die Begrenzung auf sieben Seiten (zumal die Abbildung der wesentlichen Finanz­informationen Platz beansprucht) als auch die Begrenzung auf 15 Risikofaktoren zu Herausforderungen. Die Ermittlung und Gewichtung der 15 zentralen und relevantesten Risikofaktoren stellt praktisch teils eine sehr anspruchsvolle Aufgabe dar und ist mit nicht zu vernachlässigenden Haftungsrisiken für den Emittenten verbunden.


Werbemaßnahmen für den Prospekt

Der Fokus auf Analyse und Gewichtung von Risiken scheint dem Wunsch nach geeigneten Marketingmaß­nahmen zu widersprechen. In der Tat gelten auch neue Bestimmungen in Bezug auf Werbung für öffentliche Angebote von Wertpapieren. Es versteht sich von selbst, dass Werbemaßnahmen für Wertpapierangebote nie isoliert neben einem gebilligten Prospekt für eben das Angebot stehen dürfen.

Als Werbung wird jede Mitteilung verstanden, die sich auf ein spezifisches öffentliches Angebot von Wert­papieren oder deren Zulassung zum Handel an einem geregelten Markt bezieht, und die darauf abstellt, die potenzielle Zeichnung oder Erwerb von Wertpapieren gezielt zu fördern.

Vor dem Hintergrund der Fairness und Wahrheitstreue von Werbung gelten u.a. die folgenden Grundsätze für Werbemaßnahmen:

  • In jeder Werbung ist darauf hinzuweisen, dass ein Prospekt veröffentlicht wurde bzw. zur Veröffentlichung ansteht und wo die Anleger ihn erhalten können.
  • Werbung muss als solche klar erkennbar sein – die darin enthaltenen Informationen dürfen nicht unrichtig oder irreführend sein und müssen mit den im Prospekt enthaltenen Informationen übereinstimmen.


Der vorhandene Prospekt ist in der Werbung (unabhängig davon ob die Werbung schriftlich oder mündlich verbreitet wird) eindeutig zu kennzeichnen, durch

  • die eindeutige Angabe der Website, auf der der Prospekt veröffentlicht wurde, wenn die Werbung in schriftlicher Form und auf andere Weise als auf elektronischem Wege (z.B. über Plakate, Flyer oder in sonstiger gedruckter Form) verbreitet wird (nach allgemeiner Auffassung ist dabei der gesamte Pfad der Website anzugeben);
  • einen Hyperlink zum Prospekt, wenn die Werbung auf elektronischem Wege (z.B. per E-Mail) verbreitet wird;
  • die Aufnahme genauer Informationen über den Ort, an dem der Prospekt erhältlich ist.


Es gilt die Prämisse, dass der Anlegerschutz bereits mit der Werbung beginnen soll. Insofern gelten für Werbung, die an potenzielle Kleinanleger gerichtet ist, noch besondere formelle Anforderungen:

  • Das Wort „Werbung” muss auf deutlich sichtbare Weise enthalten sein. Das gilt unabhängig davon ob das auch ohne entsprechende Kennzeichnung erkennbar wäre. Auf andere Bezeichnungen wie „Reklame”, „Marketinghinweise” oder dergleichen sollte verzichtet werden.
  • Wenn die Werbung einen Verweis auf einen von einer zuständigen Behörde gebilligten Prospekt enthält, muss eine Erklärung enthalten sein, dass die Billigung des Prospekts nicht als Befürwortung der angebotenen oder zum Handel an einem geregelten Markt zugelassenen Wertpapiere zu verstehen ist. Zudem muss eine Empfehlung enthalten sein, dass potenzielle Anleger den Prospekt lesen sollten, bevor sie eine Anlageentscheidung treffen, um die möglichen Risiken und Chancen der Entscheidung, in die Wertpapiere zu investieren, vollends zu verstehen.
  • Bei strukturierten Wertpapieren muss der folgende Warnhinweis enthalten sein: „Sie sind im Begriff, ein Produkt zu erwerben, das nicht einfach ist und schwer zu verstehen sein kann.”


Neben den oft als unhandlich empfundenen formellen Vorgaben können ganz praktische Probleme auftreten. Etwa wenn bei Plakatwerbung nur ein begrenzter Raum oder – bei Verbreitung über soziale Medien – nur eine begrenzte Zeichenanzahl möglich ist. Die European Securities and Markets Authority (ESMA) – als zuständige europäische Aufsichtsbehörde – verwies darauf, dass eine Zeichenbegrenzung umgangen werden kann, indem der Hinweistext als Bild, z.B. in einen Tweet, eingefügt wird.


Anforderungen an die beworbenen Informationen

Informationen, die in der Werbung enthalten sind dürfen den Informationen im Prospekt nicht widersprechen. Insofern ist zu erwarten, dass sich Werbemaßnahmen mehr darauf beschränken, das Angebot der Wertpapiere bekannt zu machen, statt inhaltlich etwa bestimmte Vorteile der Anlage hervorzuheben.

Zudem dürfen die Informationen die im Prospekt enthaltenen Informationen nicht in „wesentlich unausge­wogener Weise darstellen”, etwa durch stärkere Hervorhebung positiver Aspekte gegenüber negativen Aspekten oder durch Auslassung bzw. selektive Darstellung bestimmter Informationen. Das ist v.a. bei ausführlicheren Werbemaßnahmen, wie u.a. bei Roadshow-Präsentationen von Bedeutung. Das führt zu einem hohen Erklärungsaufwand des Emittenten gegenüber potenziellen Anlegern, um genau die Widersprüche zu vermeiden.


Fazit

Emittenten sind angehalten, sich bei der Verbreitung von Werbung in Bezug auf einen Prospekt mit den entsprechenden Bestimmungen hinreichend vertraut zu machen. Um Sanktionen durch die zuständige Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin) und Imageschäden zu vermeiden, ist es angeraten alle Veröffentlichungen in Bezug auf Werbemaßnahmen kritisch und mit Unterstützung sachkundiger Berater zu überprüfen.

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