IDW S6 – Die Beschreibung der finanzwirtschaftlichen Entwicklung im Sanierungsgutachten

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In der letzten Ausgabe des Sanierungsbriefs wurde die Unternehmensdarstellung als erste wesentliche Kernanforderung an Sanierungsgutachten nach IDW S6 betrachtet. Es geht dabei um die Zusammenstellung von „Basisinformationen über die wirtschaftliche und rechtliche Ausgangslage des Unternehmens in seinem Umfeld”. Neben der Darstellung der rechtlichen Verhältnisse und des Geschäftsmodells umfasst diese Kernanforderung insbesondere die wirtschaftliche Ausgangslage, wie Vermögens-, Ertrags- und Finanzlage, kurz der „finanzwirtschaftlichen Entwicklung”. Ziel der finanzwirtschaftlichen Analyse ist es, auf Basis sanierungsrelevanter Sachverhalte dem Ersteller und dem Adressaten des Gutachtens ein grundsätzliches Verständnis über das Unternehmen sowie Anhaltspunkte zur Einschätzung von Krisenursachen und -stadium zu liefern. Weiterhin werden Ansatzpunkte für Sanierungsmaßnahmen sowie die Grundlage zur Ableitung von Plandaten geschaffen. Dabei ist sicherzustellen, dass die Folgerungen für die Sanierungsplanung auf Basis der Ausgangsdaten sachlich und rechnerisch richtig erfolgen.
 

Analyse der Ertragslage

Die Analyse der Ertragslage umfasst die Darstellung der historischen Gewinn- und Verlustrechnung. Zumeist werden die letzten vier testierten Jahresabschlüsse als Basis für den Periodenvergleich herangezogen. Hauptaugenmerk wird hierbei auf die wesentlichen Positionen der Gewinn- und Verlustrechnung gelegt. Hierzu zählen u.a. Umsatzerlöse, Gesamtleistung, Materialaufwand, Personalaufwand, sonstige betriebliche Aufwendungen und Erträge, Abschreibungen und Finanzergebnis sowie das Außerordentliche Ergebnis. Diese Hauptanalysegruppen werden bei konkreten Anhaltspunkten detaillierter analysiert, beispielsweise können die Umsatzerlöse in strategische Geschäftsbereiche unterteilt werden. Weiterhin werden die im Jahresabschlussdargestellten Gewinn- und Verlustrechnungen um Außerordentliche Aufwendungen und Erträge bereinigt, sodass ein normalisiertes Jahresergebnis dargestellt werden kann. Diese Normalisierung erzeugt eine Vergleichbarkeit der verschiedenen Periodenergebnisse und bildet somit die Basis für tiefgreifende Analysen.
 
Der Periodenvergleich kann auf Basis absoluter und relativer Werte erfolgen. Aus dem Vergleich absoluter Zahlen lassen sich Entwicklungen bzw. Trends, z.B. auf Umsatzrückgänge oder Kostensteigerungen, ableiten. Rückläufige Umsatzerlöse können beispielsweise auf eine Strategie- oder Absatzkrise hindeuten, weil es möglicherweise keine Neuentwicklungen oder aber Probleme im Vertrieb gibt. Steigende Personalkosten  bei gleichzeitig stabilen Umsatzerlösen können auf Ineffizienzen hindeuten. Weiterhin deuten steigende Zinsaufwendungen entweder auf eine Erhöhung von Fremdkapital oder aber eine Erhöhung des durchschnittlichen Zinssatzes hin, da eventuell die beteiligten Kreditinstitute von einer geringeren Bonität des Unternehmens ausgehen. Neben dem Periodenvergleich der absoluten Zahlen werden auch Verhältniszahlen gebildet und miteinander verglichen. Als Bezugsgröße für die Verhältniszahlen dienen meistens die Umsatzerlöse oder die Gesamtleistung, da grundsätzlich allen Kosten eine Abhängigkeit von diesen Größen unterstellt wird. Aus den Verhältniszahlen lassen sich insbesondere nicht offensichtliche Verschlechterungen erkennen. Beispielsweise ist es logisch, dass die absoluten Materialaufwendungen sinken, wenn die Umsatzerlöse sinken. Es kann trotzdem vorkommen, dass die Materialaufwandsquote steigt. Dies könnte darauf schließen lassen, dass der Produktmix sich von margenstarken zu margenschwachen Produkten entwickelt oder dass durch den Umsatzrückgang losgrößenbedingte Margenverschlechterungen eintreten. Steigende Aufwandsquoten bei sinkenden Umsatzerlösen lassen z.B. auch auf einen hohen, nicht flexibel anpassbaren Fixkostenanteil schließen. Hierbei können Maßnahmen zur Flexibilisierung bzw. Variabilisierung von Kostenpositionen eingeleitet werden. Die Analyse der Ertragslage bildet somit die Grundlage für die Definition von Sanierungsmaßnahmen in Abhängigkeit vom Krisenstadium und bildet daher den Ausgangspunkt für die integrierte Sanierungsplanung.
 

Analyse der Vermögenslage

Die Analyse der Vermögenslage umfasst die Darstellung der historischen Bilanzen. Hierbei wird in der Regel derselbe Zeitraum wie in der Analyse der Ertragslage gewählt.

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Abb. 1: Bilanzanalyse: Kapitalherkunft / Kapitalverwendung
 
Die Analyse der Vermögenslage wird unterteilt in die Betrachtung der Kapitalverwendung (Vermögensstrukturanalyse) und der Kapitalherkunft (Kapitalstrukturanalyse).
 
Zur Analyse der Kapitalverwendung zählt im Wesentlichen die Betrachtung des Anlagevermögens, der Vorräte und der Forderungen. Weiterhin kann die Analyse bei Bedarf um sonstige Forderungen und Vermögensgegenstände, liquide Mittel sowie aktive Rechnungsabgrenzungsposten erweitert werden.
 
Der Fokus der Analyse des Anlagevermögens liegt dabei auf den Positionen Grundstücke und Gebäude, Technische Anlagen und Maschinen sowie Finanzanlagevermögen. Die immateriellen Vermögensgegenstände und die Betriebs- und Geschäftsausstattung können bei Relevanz zusätzlich betrachtet werden. Die Analyse des Anlagevermögens kann beispielsweise Anhaltspunkte für einen möglichen Investitionsstau geben, wenn das Anlagevermögen im Periodenvergleich dauerhaft aufgrund planmäßiger Abschreibungen sinkt. Wenn im Bereich der Finanzanlagen die Ausleihungen an verbundene Unternehmen dauerhaft steigen, kann dies z.B. auf eine Krisensituation oder nachteilige Finanzierungssituation bei verbundenen Unternehmen hindeuten. Eine Detailanalyse kann hierüber Aufschluss geben.
 
Die Analyse des Vorratsvermögens kann Ineffizienzen in den produktionsnahen kaufmännischen und gewerblichen Prozessen aufdecken. Beispielsweise lassen steigende Lagerbestände bei sinkenden Umsatzerlösen auf eine nicht optimal gesteuerte Beschaffungs- oder Fertigungsplanung schließen. Bei der Analyse wird häufig die Kennzahl „Vorratsreichweite in Tagen” gebildet. Diese Kennzahl sagt aus, wie lange das Vorratsvermögen im Vergleich zu den Umsatzerlösen ausreicht. Eine steigende Kennzahl zeigt an, dass mehr Kapital im Unternehmen gebunden ist, und kann beispielsweise der Grund für eine Liquiditätskrise sein.
 
Bei der Analyse des Forderungsbestandes wird zum einen die Werthaltigkeit und zum anderen die Entwicklung des Forderungsbestandes betrachtet. Auf Positionsebene werden die Fälligkeiten der Forderungen in Tagen betrachtet. Bei Forderungen, die überdurchschnittlich lange fällig sind, wird überprüft, ob diese noch werthaltig sind oder ob sie abgeschrieben werden müssen. Die Entwicklung des Forderungsbestandes wird anhand der Forderungsreichweite bewertet. Eine steigende Forderungsreichweite kann auf eine verschlechterte Kundenstruktur oder ein nicht effizientes Debitorenmanagement hinweisen. Beide Erkenntnisse bieten Ansatzpunkte für die operativen Analysen und ggf. für Sanierungsmaßnahmen.
 
Zur Analyse der Kapitalherkunft zählt die Betrachtung des Eigenkapitals, der Rückstellungen, der Verbindlichkeiten gegenüber Kreditinstituten und der Verbindlichkeiten aus Lieferung und Leistungen. Bei Bedarf können die Analysen um sonstige Verbindlichkeiten und passive Rechnungsabgrenzungsposten erweitert werden.
 
In der Analyse des Eigenkapitals wird herausgearbeitet, ob ein positives oder negatives wirtschaftliches Eigenkapital vorliegt. Bei einem negativen Eigenkapital muss ggf. eine insolvenzspezifische Überschuldungsprüfung erfolgen. Bei Betrachtung der Rückstellungen wird überprüft, ob alle relevanten Risiken berücksichtigt sind. Es wird dargestellt, wann die Rückstellungen zu echten finanziellen Belastungen werden. Bei der Betrachtung der Verbindlichkeiten gegenüber Kreditinstituten wird in der Regel ein Bankenspiegel mit Sicherheiten und Fälligkeiten ausgearbeitet. Kurzfristig fällig werdende Kredite lassen erfahrungsgemäß auf eine voranschreitende Liquiditätskrise schließen. Bei den Verbindlichkeiten aus Lieferungen und Leistungen wird eine Altersstrukturanalyse durchgeführt. Steigende Kreditorenlaufzeiten deuten regelmäßig auf eine zu geringe Finanzierung des Unternehmens oder eine Liquiditätskrise hin. Die finanzwirtschaftliche Analyse gibt hier- bei wichtige Anhaltspunkte für die operativen Analysen und Sanierungsmaßnahmen.
 

Analyse der Finanzlage

In der Analyse der Finanzlage wird regelmäßig eine indirekte Cashflow-Rechnung erstellt. Diese basiert auf der Analyse des operativen Cashflow, des Cashflow aus Investitionstätigkeit und des Cashflow aus Finanzierungstätigkeit. Die indirekte Cashflow-Rechnung ist das Ergebnis der Gewinn- und Verlustrechnung sowie der Bilanz und zeigt an, wie sich der Bestand an liquiden Mitteln verändert hat. Weiterhin gibt sie an, wie die liquiden Mittel verwendet wurden und woher sie stammen.
 

Fazit

Die finanzwirtschaftliche Analyse als wesentlicher Bestandteil der Unternehmensdarstellung stellt wertvolle Informationen und Erkenntnisse über sanierungsrelevante Sachverhalte zur Verfügung. Im Hinblick auf die später folgenden Detailanalysen der operativen Bereiche und die Feststellung des Krisenstadiums und der Krisenursachen sowie als Grundlage für Sanierungsmaßnahmen und die Ableitung von Planungs- annahmen ist eine ausführliche finanzwirtschaftliche Analyse unerlässlich.
 
Lesen Sie beim nächsten Mal: IDW S6 – Die Markt- und Wettbewerbsanalyse im Sanierungsgutachten, sowie IDW S6 – Überblick über die operativen Analysen im Sanierungsgutachten 

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Sebastian Wilde

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