Soziale Netzwerke: Abwehrmaßnahmen gegen rechtswidrige Bewertungen und Kommentare

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veröffentlicht am 13. Juni 2019 | Lesedauer ca. 5 Minuten

 

Das Recht auf freie Meinungsäußerung ist ein hohes Gut. Seine Schranken findet es jedoch in der Verletzung der Vorschriften allgemeiner Gesetze und dem Recht der persönlichen Ehre. Wer als Unternehmen von rechtswidrigen Bewertungen und Kommentaren in sozialen Netzwerken betroffen ist, weiß oft nicht einmal wer sein Gegner ist. Nachfolgend finden Sie strategische Überlegungen aus anwaltlicher Sicht.
 


  

Ausgangslage

Kommentare und Bewertungen in sozialen Netzwerken bergen Chancen und Risiken. Die Chance ist, dass viele Bewertungen die Präsenz und die Aufmerksamkeit eines Unternehmens (z.B. bei Google Maps oder Yelp) erhöhen und das Suchergebnis bei den gebräuchlichen Suchmaschinen im Sinne eines höheren Rankings verbessern. Das Risiko liegt in schlechten Bewertungen oder Kommentaren, die den geschäftlichen Erfolg erheblich beeinträchtigen können. In vielen Fällen sind Bewertungen unsachlich, ohne jede Faktengrundlage oder schlicht beleidigend. Dann kann eine Bewertung schnell zu Umsatzeinbußen führen. Insbesondere dann, wenn ein Unternehmer seine Kunden v.a. über soziale Netzwerke im weiteren Sinne gewinnt.


Allgemeine rechtliche Einordnung

Zweifellos ist die freie Kundgabe der eigenen Meinung ein hohes Gut das es zu schützen gilt. Kritisch wird es jedoch, wenn Bewertungen unsachlich erfolgen oder  keine Grundlage haben, weil z.B. im Falle einer Praxis gar kein Behandlungskontakt stattgefunden oder der Bewertende den Laden des bewerteten Unternehmers noch nie betreten hat.

Daher stellt sich die Frage, welche Abwehrmaßnahmen ergriffen werden können. Klassischerweise richtet sich das Vorgehen gegen Diensteanbieter und Bewertende nach den Vorschriften des BGB (dort § 1004 analog i.V.m. § 823 BGB bzw. dem betroffenen Recht oder Rechtsgut). Außerdem können Ansprüche bestehen, die auf der Verletzung eines Schutzgesetzes beruhen (z.B. UWG, StGB).


Diensteanbieter als Anspruchsgegner

Als Anspruchsgegner kommen dabei zwei Stellen in Betracht. Zum einen ist es der Portalbetreiber, zum anderen die bewertende Person selbst. Nach den Grundsätzen der Störerhaftung in Verbindung mit den Haftungsprivilegierungen des Telemediengesetzes (vgl. §§ 8-10 TMG) haftet der Diensteanbieter zunächst nur auf Unterlassung. Das bedeutet, für eine schnelle Abhilfe ist er der richtige Anspruchsgegner. Auf Schadens­ersatz haftet er jedoch nur unter engen Voraussetzungen, die i.d.R. nicht vorliegen (z.B. aktive Beteiligung an der angegriffenen Handlung bei positiver Kenntnis der Rechtswidrigkeit). Ist ein Kommentar oder eine Bewertung nicht offensichtlich rechtmäßig, kann mindestens die vorübergehende Sperrung schnell erwirkt werden.

Im Ergebnis hilft es Betroffenen aber nur wenig, wenn der Diensteanbieter eine einzelne Bewertung vom Netz nehmen muss. Ein Bewertender kann sich unter einem anderen Profil problemlos neu anmelden und eine neue Bewertung abgeben. Daher ist die Inanspruchnahme von Diensteanbietern meist nur ein erster Schritt und keine nachhaltige Lösung.


Bewertende/Kommentierende als Anspruchsgegner

Bewertende oder Kommentierende selbst treten bei der Bewertung i.d.R. nicht persönlich in Erscheinung. Ihre Identität ist regelmäßig durch ein Pseudonym verdeckt. Das wirft das Problem auf, dass ein Anspruchsgegner in Gestalt einer verklagbaren Person mit ladungsfähiger Anschrift zunächst nicht gegeben ist. Das gilt zumindest dann, wenn sich die Identität nicht anderweitig aus den Äußerungen selbst oder deren Umständen ermitteln lässt. Nach früherer Rechtslage konnte der Diensteanbieter nur auf Unter­lassung, nicht aber auf Auskunft über die Identität der Plattformnutzer in Anspruch genommen werden. Er war aus datenschutzrechtlicher Sicht nicht zur Preisgabe der Identität des jeweiligen Nutzers berechtigt. Eine nachhaltige Verhinderung künftiger Störungen war de facto nicht möglich, soweit man die Identität des Bewertenden nicht aus den Umständen seiner Äußerung heraus kannte.


Auskunftsansprüche aus TMG/NetzDG

Mit der Einführung des Netzwerkdurchsetzungsgesetzes (NetzDG) und der daraus resultierenden Änderung des Telemediengesetzes (TMG), hat sich die Rechtslage geändert. Denn nach § 14 Abs. 4 TMG darf der Dienste­anbieter eines sozialen Netzwerkes im Einzelfall Auskunft über bei ihm vorhandene Bestandsdaten zu Nutzern erteilen, soweit es zur Durchsetzung zivilrechtlicher Ansprüche wegen der Verletzung absolut geschützter Rechte aufgrund rechtswidriger Inhalte (die von § 1 Abs. 3 NetzDG erfasst werden) erforderlich ist.

Ein soziales Netzwerk im Sinne des § 1 Abs. 1 NetzDG ist eine Plattform im Internet, die dazu bestimmt ist, dass Nutzer beliebige Inhalte mit anderen Nutzern teilen oder der Öffentlichkeit zugänglich machen. Seiten mit journalistisch-redaktionell gestalteten Angeboten, die vom Diensteanbieter selbst verantwortet werden, gelten nicht als soziale Netzwerke im Sinne des Gesetzes. Das Gleiche gilt für Plattformen, die zur Individual­kommunikation oder zur Verbreitung spezifischer Inhalte bestimmt sind. Das wirft bereits Abgrenzungsfragen auf, die bislang höchstrichterlich nicht geklärt sind.

Rechtswidrige Inhalte nach § 1 Abs. 3 NetzDG sind solche, die den Tatbestand der §§ 86, 86a, 89a, 91, 100a, 111, 126, 129 bis 129b, 130, 131, 140, 166, 184b in Verbindung mit 184d, 185 bis 187, 201a, 241 oder 269 StGB erfüllen und nicht gerechtfertigt sind.

Praktisch relevant an den vorgenannten Normen sind in erster Linie die §§ 185 bis 187 StGB. Darin enthalten sind die Tatbestände der Beleidigung, üblen Nachrede und Verleumdung. Besteht ein Anfangsverdacht dafür, dass eine Bewertung/ein Kommentar einen dieser Tatbestände verwirklicht, kann gem. § 14 Abs. 4 TMG beim zuständigen Landgericht eine Anordnung zur Auskunftserteilung erwirkt werden.

Zu beachten ist dabei, dass der Antragsteller (zunächst) die Kosten der Anordnung in jedem Fall zu tragen hat (§ 14 Abs. 4 TMG a.E.). Erhält er infolge einer gerichtlichen Anordnung Auskunft über die Bestands­daten des Nutzers, kommt die direkte Inanspruchnahme des Bewertenden/Kommentierenden auf Schadensersatz in Betracht. Freilich gilt das nur, soweit er bei der Anmeldung zum genutzten Dienst wahrheitsgemäße Angaben gemacht hat. Ist das nicht der Fall, müssen die vorhandenen Bestandsdaten auf Hinweise zur Identität gesichtet werden (z.B. in Form einer zuordnungsfähigen E-Mail-Adresse). Bringen auch sie keinen Aufschluss, bleibt nur der „klassische” Weg über eine Strafanzeige unter Angabe der erhaltenen Bestandsdaten und die Beantragung von Akteneinsicht bei der zuständigen Staatsanwaltschaft.


Direkte Inanspruchnahme des Bewertenden/Kommentierenden

Hat man die Identität des Schädigers ermittelt, kommt es für die erfolgreiche Inanspruchnahme darauf an, ob sich die gegenständliche Äußerung als tatsächlich rechtswidrig herausstellt. Die Einordnung ist in der Praxis oft schwieriger als es aus Sicht des Betroffenen erscheinen mag. In Fällen, in denen es offen­sichtlich ist (z.B, bei mutwilliger Rufschädigung durch nachweislich falsche Tatsachenbehauptungen, durch sog. Formalbeleidigungen etc.), bestehen gute Aussichten, Schädiger erfolgreich in Anspruch zu nehmen. Handelt es sich im Einzelfall u.U. sogar um einen Wettbewerber, kommt aus dem Wettbewerbsrecht eine noch breitere Palette an Ansprüchen in Betracht.


Fazit

Der rechtlich effektive Umgang mit unliebsamen Bewertungen/Kommentaren in sozialen Netzwerken ist weder einfach noch kostengünstig. Wenngleich die schnelle Beseitigung vergleichsweise einfach gelingt, kann die Ermittlung der Identität des Bewertenden/Kommentierenden einen erheblichen Aufwand bedeuten. Wer aus geschäftlichen Gründen auf seinen guten Ruf angewiesen ist, dem geben die Vorschriften des NetzDG einen Hebel an die Hand um die Identität des Schädigers zu ermitteln und ihn sodann persönlich in Anspruch zu nehmen.

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Johannes Marco Holz

Rechtsanwalt, Fachanwalt für Informationstechnologierecht, Datenschutzbeauftragter (GDDcert.EU)

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