Hochinflation in der Türkei: Auswirkungen auf die Bilanzierung nach HGB und IFRS

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veröffentlicht am 7. Dezember 2022 | Lesedauer ca. 3 Minuten


Mit den Sonderregelungen zur Währungsumrechnung in Hochinflationsländern mussten sich viele deutsche Unternehmen bislang – wenn überhaupt – nur am Rande auseinandersetzen. Mit der im Jahr 2022 erfolgten Einstufung der Türkei als Hoch­inflationsland wird sich das für Konzerne mit türkischen Tochtergesellschaften nun ändern. Solche Konzerne müssen analysieren was diese Einstufung konkret für die Erstellung des Konzernabschlusses bedeutet und wie die entsprechenden Anforde­rungen in der Praxis umgesetzt werden können.



Zeiten hoher Inflation stellen eine besondere Herausforderung für alle ökonomischen Akteure dar – von Verbrauchern über Unternehmen bis hin zur Politik. Bei extremen Inflationsraten stellt sich darüber hinaus für die Finanzberichterstattung die Frage, inwiefern das berichtete Zahlenwerk noch aussagekräftig ist, wenn ein massiver Verlust der Kaufkraft vorliegt. Entsprechend sind sowohl nach IFRS als auch nach deutschem Handelsrecht – konkretisiert durch die Regelungen des DRS 25 – im Falle einer Einstufung als Hochinfla­tionsland Inflationsanpassungen vorzunehmen. Hochinflation liegt regelmäßig dann vor, wenn die kumulierte Inflationsrate über drei Jahre einen Schwellenwert von 100 Prozent überschreitet.


Türkei 2022 neu als Hochinflationsland eingestuft

Die weltweiten Inflationsraten werden fortwährend von der International Practices Task Force (IPTF) des Center for Audit Quality (CAQ) überwacht. Sie veröffentlicht entsprechend regelmäßig Updates einer Liste der Hochinflationsländer. Bis letztes Jahr waren für viele deutsche Konzerne oftmals keine Länder mit wesentlichen Tochtergesellschaften dort aufzufinden. Im Mai 2022 wurde jedoch mit der Türkei ein Land hinzugefügt, in dem viele deutsche Konzerne aktiv sind.


Auswirkungen für Konzerne mit türkischen Tochtergesellschaften

Die Einstufung als Hochinflationsland ändert das Konzept der Währungsumrechnung für die im Regelfall in türkischer Lira (TRY) bilanzierenden türkischen Tochtergesellschaften in die Berichtswährung des Mutterunternehmens (i.d.R. Euro) fundamental. Bis dato wurden das gesamte Vermögen und die gesamten Schulden ohne vorherige Anpassung mit dem Stichtagskurs in Euro umgerechnet. Aufgrund der abweichenden Währungsumrechnung des Eigenkapitals zu historischen Kursen wurde ein Ausgleichsposten aus der Währungsumrechnung in das Eigenkapital gebucht. Nach IFRS wird hierbei die Veränderung der Währungsum­rechnungsrücklage zudem im sonstigen Ergebnis (OCI) gezeigt.

Die Einstufung der Türkei als Hochinflationsland führt dazu, dass die berichteten TRY-Werte aufgrund der gesunkenen Kaufkraft nicht mehr aussagekräftig sind. Daher sind die spezifischen Vorschriften zur Währungsumrechnung im Falle von Hochinflation anzuwenden, die i.d.R. eine sog. Indexierung an einen allgemeinen Preisindex vorsehen. Die erste Herausforderung für Unternehmen ist es daher, einen geeigneten Index zu finden, der die Veränderung der Kaufkraft angemessen widerspiegelt, bevor in einem nächsten Schritt die einzelnen Stufen der Inflationsanpassung vorgenommen werden können.


Vorgehen bei der Inflationsanpassung

Im Rahmen der Inflationsanpassung sind die nicht-monetären Bilanzposten (inkl. dem Eigenkapital) um die Entwicklung des Index i.d.R. seit deren Einbuchung bis hin zum Bilanzstichtag anzupassen, unabhängig davon, ob der Zeitpunkt der Einbuchung vor oder nach der Einstufung als Hochinflationsland liegt. Die Buchwerte der nicht-monetären Posten werden sich also zunächst (deutlich) erhöhen. Im Gegensatz dazu sind monetäre Posten, z.B. liquide Mittel, Forderungen oder Verbindlichkeiten aus Lieferungen und Leistungen, nicht zu indexieren, d.h. ihre Buchwerte ändern sich nicht.

Es empfiehlt sich zunächst, die „Eröffnungsbilanz“ zu Beginn der Berichtsperiode zu indexieren und in einem nächsten Schritt die Indexierung des Geschäftsjahres vorzunehmen. Dadurch wird der kumulierte Inflationsgewinn bzw. -verlust der Vorperioden von dem des Geschäftsjahres getrennt und kann direkt als Teil der Gewinnrücklagen in der „Eröffnungsbilanz“ erfolgsneutral erfasst werden. Der Inflationsgewinn oder -verlust der Berichtsperiode ergibt sich dann als Saldo der Indexierungen des Berichtsjahres und ist nach IFRS zwingend erfolgswirksam in der Gewinn- und Verlustrechnung zu erfassen. Nach DRS 25 wird eine erfolgswirksame Erfassung empfohlen. Inhaltlich betrachtet, resultiert der Inflationsgewinn oder -verlust aus der Nettoposition der (nicht indexierten) monetären Posten. Weist ein Unternehmen eine positive Nettoposition aus (also mehr Forderungen als Verbindlichkeiten), so zählt es aufgrund des Wertverlusts zu den Verlierern der Inflation. Liegt hingegen eine negative Nettoposition (Nettoschulden) vor, so sinkt die Schuldenlast effektiv, was einem Inflationsgewinn gleichkommt.

Nach der Indexierung sind alle Bilanzposten (inkl. des Eigenkapitals) mit dem Stichtagskurs in Euro umzurechnen, sodass kein Währungsausgleichsposten im Eigenkapital mehr entsteht. Durch die Indexierung des Eigenkapitals kann es in der Kapitalkonsolidierung jedoch zu einem Differenzbetrag mit dem Beteiligungsbuchwert kommen. Diese Differenz ist im Eigenkapital zu verrechnen und kann – in Abhängigkeit der konkreten Würdigung – der Währungsumrechnung zugerechnet werden.


Umsetzung in der Praxis

Die Herausforderung wird für viele Unternehmen neben der oftmals ungewohnten inhaltlichen Vorgehensweise vor allem in der technischen Umsetzung der geänderten Systematik für die Währungsumrechnung liegen. Die Frage nach der konkreten Umsetzung im Einzelfall wird auch vor dem Hintergrund der Wesentlichkeit der türkischen Tochtergesellschaften für den Konzernabschluss zu beantworten sein. Gerade Unternehmen mit größeren Aktivitäten in der Türkei sollten sich daher frühzeitig mit den geforderten Anpassungen auseinandersetzen. Aufgrund der generellen weltweiten Gefährdungslage in Bezug auf Inflation ist zudem sorgfältig zu beobachten, welche weiteren Länder künftig in den Anwendungsbereich der Inflationsan­passungen fallen werden. Die Notwendigkeit zur Beschäftigung mit den Bilanzierungsregelungen zum Umgang mit Hochinflation wird tendenziell zunehmen.


Fazit

Die Regelungen zur Währungsumrechnung in Hochinflationsländern sind im Geschäftsjahr 2022 neu auch für türkische Tochtergesellschaften anzuwenden. Hierbei werden die Werte der nicht-monetären Bilanzposten vor der Umrechnung in die Berichtswährung um die Veränderung eines allgemeinen Preisindex angepasst. Die Herausforderungen für Unternehmen liegen vor allem in der Ermittlung eines geeigneten Index und der technischen Umsetzung der Indexierung, Währungsumrechnung und Konsolidierung der entsprechenden Gesellschaften.

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