Praxisbericht: Schuldbefreiung durch Übertragung auf einen externen Versorgungsträger?

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Aus unterschiedlichsten Gründen wollen Unternehmen die Pensionswerke, die sie klugerweise oftmals schon in den 1980er Jahren schlossen, auslagern. Doch das kostet Liquidität – meist mehr als geplant. Daher entwickelte die Versicherungsbranche günstigere Wege als Alternative zur Totalauslagerung aller Risiken; mitunter mit  unerwarteten Folgen. Über die bAV-Analyse eines deutschen Familienunternehmens berichtet das nachfolgende Fallbeispiel.
 

Aufgabenstellung

Ein Auftraggeber ist seit Jahrzehnten erfolgreich in seinem Marktsegment tätig. Ende der 80er Jahre wurde das Pensionswerk (Direktzusagen) geschlossen. Mittlerweile ist die 3. Generation in der Geschäftsführung.

Die Vätergeneration übergab nicht nur ihre Anteile an die Kindergeneration. Sie überführte die ihr zustehenden Pensionszusagen gegenüber ihrer Kapitalgesellschaft zusammen mit den Pensionen und Anwartschaften aller früheren sowie weiter vorhandenen Mitarbeiter vermeintlich final auf externe Versicherungsunternehmen bzw. diesen nahe stehende Pensionsfonds bzw. Unterstützungskassen.

Nicht nur die Generation der Anteilseigner und Geschäftsführer wechselte, sondern auch der Leiter des Finanz- und Rechnungswesen. Letzterer bat, die Risiken aus der Auslagerung zivil-, steuer- und handelsrechtlich durch sachverständige Dritte zu überprüfen, was mit folgendem Ergebnis geschah:
 

Ergebnisse der Untersuchung

Die spezialisierten Versicherungsmathematiker, Wirtschaftsprüfer, Rechtsanwälte und Steuer­fach­leute trafen eine durchaus typische Konstellation an:

Erwartungsgemäß fand sich eine Versorgungsordnung für die betriebliche Direktzusage in den Akten. Auch konnte zweifelsfrei die Auslagerung der Pensionen bezogen auf den past service auf einen Pensionsfonds und die des future service auf eine Unterstützungskasse bestätigt werden. Beide Auslagerungen erfolgten durch relativ stark normierte Produkte. Damit ergaben sich grundsätzlich eher geringe Risiken – auf den 1. Blick.

Es fand sich überdies der Beleg, dass die Belegschaft bei der Auslagerung mitgewirkt hatte. Somit konnte auch insoweit bei zivilrechtlichen Risiken entwarnt werden.

Im Ergebnis konnte zudem nachvollzogen werden, dass sich (jedenfalls prinzipiell) die externen Versorgungsträger wie Pensionsfonds und Unterstützungskasse – allerdings mit gewichtigen Ausnahmen – verpflichteten, schuldbefreiend zu leisten. Die Schuld des Arbeitgeber­unter­nehmens war aber gerade nicht komplett erloschen:

Das Unternehmen hatte damals aus Kostengründen die Zusage auf Invaliditätsleistungen nicht mit ausgelagert. Das ergab sich sowohl aus den Verträgen mit dem Pensionsfonds und der Unterstützungskasse als auch aus der Betriebsvereinbarung, die das Unternehmen geschlossen hatte. Daher muss die Unternehmung weiterhin im Invaliditätsfall ihrer noch aktiven Mitarbeiter aber auch der ausgeschiedenen Anwärter nachträgliche Beiträge an den Pensionsfonds zahlen, der dann diese Verpflichtungen abwickelt. Insofern sollte der Arbeitgeberbetrieb auf jeden Fall Vorkehrungen hierfür treffen! Im untersuchten Fall war die Größenordnung des Risikos jedoch im Vergleich zum Ertrag des Unternehmens unterproportional und damit nicht bestandsgefährdend.

Auch hatte der Pensionsfonds keine Rentenhöhe garantiert und stattdessen nur einen Beitrag vereinnahmt, der bei 4,5 bzw. 5 Prozent Zinsertrag und allein bezogen auf die damalige durchschnittliche Lebenserwartung zur Zahlung der Pensionen ohne Nachschuss des Arbeit­geberunternehmens ausreichte. Außerdem waren die Rentenerhöhungen gem. BetrAVG nicht berücksichtigt.

Kurz: In der aktuellen Niedrigzinsphase ein viel zu geringer Betrag, um auch künftig nach­zahlungsfrei zu bleiben. Sprich, auch hier musste sich also das Arbeitgeberunternehmen vorsehen, war jedoch dankbar für den Risikohinweis. Es erhöhte daher durchaus beachtlich die sonstigen Rückstellungen dieses Geschäftsjahrs, da weitere Nachschüsse bei Rentenerhöhung sowie in Zukunft für voraussichtlich geringere Zinserträge und höhere Lebenserwartung zwingend zu besorgen waren.

Insgesamt verblieben somit trotz der vermeintlich erfolgten Auslagerung nach Experten-Analyse im Endeffekt 3 Risiken beim Unternehmen: Zinsdiskrepanz, Langlebigkeit und Invalidität.

Eine vollständige Rückstellungsauflösung wäre daher angesichts der verbliebenen Risiken auch handelsrechtlich unzutreffend gewesen und führt manchmal sogar dazu, dass sich Unternehmen und Wirtschaftsprüfer gemeinsam neu mit früher erteilten Testaten befassen müssen.
 

Im Fallbeispiel wäre neben dem Invaliditätsrisiko insbesondere die Differenz zwischen Kalkula­tions­zinssatz und den zu erwartenden Erträgen des Pensionsfonds aus seiner Kapitalanlage aber auch die Differenz zwischen rechnungsmäßiger und tatsächlicher Lebenserwartung der versorgungsberechtigten Belegschaft zu bewerten gewesen. Ferner hätte der Arbeitgeber eine sonstige Rückstellung als Erfüllungsrückstand aus der schuldbefreienden Übertragung von Anwartschaften auf Alters- und Hinterbliebenenrente in der Bilanz  ausweisen müssen. Stattdessen behandelte das dazu vorgelegte externe Versicherungsgutachten für die fraglichen Jahre fälschlicherweise das im Pensionsfonds und in der Unterstützungskasse vorhandene Vermögen nach HGB-Rechnungsgrundlagen wie Planvermögen des Unternehmens. Es wurde bei der Rückstellungsbildung von der ohne Berücksichtigung der Auslagerungen bewerteten Gesamtverpflichtung abgesetzt. Juristisch zutreffend war dagegen:
  1. Die Alters- und Hinterbliebenenversorgungsansprüche waren schuldbefreiend auf den Pensionsfonds bzw. die Unterstützungskasse übertragen worden.
  2. Die Gesellschaft konnte somit auf das ihr im Pensionsfonds zugeordnete Vermögen nicht mehr zugreifen, weshalb auch handelsrechtlich kein Vermögensgegenstand mehr existierte. Ein Zugriff bestand im Fall ausschließlich auf etwaiges, nach Erfüllung der letzten Verpflichtung verbleibendes Vermögen.
  3. Bei der Gesellschaft verblieb die Verpflichtung zu Invaliditätsleistungen sowie zur Zahlung von Nachschussbeiträgen an den Pensionsfonds.

Wegen dieser Konstellation war auch die Rückstellung steuerlich neu zu werten, ein weiteres Risiko für das Arbeitgeberunternehmen:

Nur die Verpflichtung zur Leistung von Invaliditätsrenten hätte als Pensionsrückstellung be­rücksichtigt werden dürfen und zwar nach den steuerlichen Bewertungsparametern.

Für die Nachschussverpflichtung ist zu befürchten, dass sie als steuerlich irrelevante Drohver­lustrückstellung eingeordnet wird. Und selbst wenn eine künftige Betriebsprüfung diese zwar als sonstige Rückstellung akzeptierte, könnte sie sie auch deswegen zu verwerfen suchen, weil durch die so deklarierten Betriebsausgaben wegen Erfüllungsrückstands ohne laufende Beitragszahlung  indirekt § 6 a EStG und damit insbesondere der steuerliche Rechnungszins von 6 Prozent ausgehebelt würde.

Um für künftige Betriebsprüfungen besser gewappnet zu sein, forderte die Unternehmung auf Anraten ihrer Berater vom Versicherungsgutachter ein weiteres ergänzendes steuerliches Zusatzgutachten an.

Finanziell betrachtet stellte sich in der Gesamtschau heraus, dass die die Auslagerung des past service für das Unternehmen teurer gekommen war als erwartet. Hatte es doch einen Millionen-Einmalbetrag an die externen Versicherer bezahlt und das ohne Übertragung der bedeutsamen Garantien und des Invaliditätsrisikos.
 

Der einzige Vorteil aus Sicht der früheren Anteilseigner (Elterngeneration): Ein Viertel der gesamten übertragenen Verpflichtungen entfiel auf sie. Beim einkommensteuerlichen Wechsel ihres Anspruchs vom Betriebsvermögen in das Privatvermögen – einer der Nebeneffekte der Auslagerung – hatten wenigstens sie einen echten Vorteil erzielt.
 

Resultat des Fallbeispiels

Die Bewertung ausgelagerter Nachschussverpflichtungen ist durchaus komplex. Die Bewertungs­parameter sind handels- wie steuerlich im Hinblick auf die künftigen Erträge des Pensionsfonds bzw. zumindest über künftige Renditen von Wertpapieranlagen zu prognostizieren und nach den jeweiligen Gesetzen unterschiedlich zu bewerten und auszuweisen. Die Praktikermethode, nur die Alters- und Hinterbliebenenzusage zu bewerten und das Vermögen des Pensionsfonds abzuziehen, kann allenfalls als betriebswirtschaftliche interne Hilfsrechnung dienen, dann jedoch aus heutiger Sicht mit einem Rechnungszins von ca. 2,5 Prozent.
 

Fazit

Die Bewertung ausgelagerter Nachschussverpflichtungen ist durchaus komplex aber für den risikoaversen Unternehmer in jedem Fall lohnend: Oftmals finden sich noch rechtzeitig wichtige Erkenntnisse über nicht ausgelagerte Risiken und damit Nachschusszahllasten. Dies erleichtert die künftige Liquiditätsplanung des Unternehmens erheblich und vermeidet so Liquiditätsengpässe zur rechten Zeit.
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zuletzt aktualisiert am 06.04.2016

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Dr. Rolf Leuner

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