Auswirkungen der Ausbreitung des Coronavirus auf Unternehmensbewertungen

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zuletzt aktualisiert am 9. April 2020 | Lesedauer ca. 4 Minuten

von Cyril Prengel, Rödl & Partner Nürnberg, und Matthias Wolf

  

Die aktuelle Corona-Pandemie (CoViD-19) hat bereits jetzt beträchtliche, wirtschaft­liche Störungen verursacht. In China haben Eindämmungsbemühungen u.a. zu einem erheblichen Produktionsrückgang geführt; die Auswirkungen des Ausbruchs bestehen fort. Ähnliche Maßnahmen, z.B. Quarantänen und Grenzschließungen, haben die Wirt­schaft in weiten Teilen der ganzen Welt beeinträchtigt. Die negativen wirtschaftlichen Folgen dieser Entwicklung sind beträchtlich, darunter die Unterbrechung der globalen Lieferketten, eine geschwächte Nachfrage nach Waren und Dienstleistungen, sowie regionale Rückgänge im Tourismus und bei Geschäftsreisen. Auch die Risikoaversion in der Finanzbranche hat zugenommen. So ist u.a. die Rendite von 10-Jahres US-Staatsanleihen auf ein Rekordtief gefallen, Aktienkurse sind weltweit stark einge­brochen.

   

  

Im Vergleich zu ähnlichen Ereignissen in der Vergangenheit, wie dem Ausbruch des damaligen SARS-Virus im Jahr 2003, ist die Vernetzung der Weltwirtschaft wesentlich fortgeschritten und China spielt eine weitaus größere Rolle in der globalen Produktion, im Handel, Tourismus und in Warenmärkten. Dies vergrößert die wirtschaftlichen Auswirkungen auf andere Länder. Auch wenn der Höhepunkt der Pandemie nicht lange andauern sollte und sich Produktion und Nachfrage noch in 2020 allmählich erholten sollte, ist mit einer erheblichen Belastung des globalen Wachstums zu rechnen.

 
Dem entsprechend müssen die derzeitige Situation sowie die damit verbundenen Erwartungen in aktuelle Unternehmensbewertungen einfließen. Der Fachausschuss für Unternehmensbewertung und Betriebswirt­schaft des Instituts der Wirtschaftsprüfer (FAUB/IDW) hat deshalb am 25. März 2020 einen fachlichen Hinweis gegeben, welcher als Orientierung für Unternehmensbewertungen in der derzeitigen Situation dienen soll.

 
Bei den in der Unternehmensbewertungspraxis verbreiteten Zukunftserfolgswertfahren sind die derzeitigen Unsicherheiten an zwei Stellen zu berücksichtigen, bei den Erwartungen künftiger finanzieller Überschüsse und in der Risikoprämie:

  

Erwartung künftiger Überschüsse

Analog zu vorangegangenen Pandemien kann davon ausgegangen werden, dass nach einer zeitlich schwer einschätzbaren pandemischen Phase die Bedeutung der Ausbreitung des Coronavirus für Unternehmen in den Hintergrund treten wird. Diese Annahme ist individuell für jedes Unternehmen intensiv zu analysieren. In vielen Fällen wird sich ein negativer Einfluss auf die Geschäftstätigkeit eines Unternehmens lediglich in der kurz- bis mittelfristigen Betrachtung erkennen lassen, bedingt insbesondere durch Nachfragerückgänge, Liefereng­pässe, Personalausfälle bis hin zu Unternehmensschließungen. Im Rahmen von Zukunftserfolgswertfahren spielen diese Einflüsse zwar angesichts der meist sehr langfristigen Zukunftsbetrachtung eine untergeordnete Rolle, können sich aber dennoch spürbar auf den Unternehmenswert auswirken. Wertkritisch und schwierig ist hierbei die Einschätzung der Dauer der negativen Einflüsse in der kurz- bis mittelfristigen Betrachtung; sie kann je nach Branche und Geschäftsmodell sehr unterschiedlich sein.

 
Die Bundesregierung hat umfangreiche Hilfsmaßnahmen initiiert und angekündigt, um temporäre Liquiditäts­engpässe und Insolvenzrisiken abzumildern. Diese Maßnahmen können explizit in der Bewertung berück­sichtigt werden, erfordern jedoch eine umfassende Beurteilung durch den Bewerter. Nur wenn langfristig eine ausreichende Ertragskraft zu erwarten ist, können die öffentlichen Maßnahmen eine positive Bewertung stützen.

 
Unter die Maßnahmen der Bundesregierung fallen u.a. die bewährte Kurzarbeit, nun unter erleichterten Be­dingungen, die Aussetzung der Insolvenzantragspflicht sowie Kreditleistungen des sog. Wirtschaftsstabili­sierungs­fonds mit einem Gesamtvolumen von 600 Mrd. Euro. Als Kreditleistungen stehen über die KfW 100 Mrd. Euro für direkte Rekapitalisierungsmaßnahmen zur Solvenzsicherung zur Verfügung, 400 Mrd. Euro für Liquiditätsgarantien bei Liquiditätsengpässen und zur Refinanzierung von Unternehmen am Kapitalmarkt sowie 100 Mrd. Euro zur Refinanzierung der KfW anlässlich der ihr zugewiesenen Sonderprogramme. Diese Pro­gramme werden bereits sehr umfangreich in Zahl und Volumen genutzt. Als prominentes Beispiel kann der Überbrückungskredit an TUI in Höhe von 1,8 Mrd. Euro genannt werden. Zusätzlich sind steuerliche Hilfs­maßnahmen zur Liquiditätsschonung betroffener Unternehmen bis Ende 2020 beschlossen worden, darunter die Minderung von Steuervorauszahlungen, die Stundung von Steuerzahlungen und die Aussetzung von Vollstreckungsmaßnahmen. Soweit Unternehmen Maßnahmen dieser Art in Anspruch nehmen, sind diese in der Planung zu berücksichtigen.

 
Im Zusammenhang mit den vergünstigten Krediten muss bei der Unternehmensbewertung darauf geachtet werden, dass mitunter der Marktwert dieser Schulden unterhalb ihres Buchwerts liegen wird, sofern deren Verzinsung den aktuellen Marktzins unterschreitet. Solche indirekten staatlichen Hilfen können in der Bewertung u.a. durch eine Reduzierung des Marktwerts des Fremdkapitals berücksichtigt werden. In der Mittelfrist- und Langfristplanung ist dann entsprechend wieder zu einer marktkonformen Verzinsung nach entsprechender Umschuldung zurückzukehren und ggf. die Höhe der Verschuldung an ein langfristiges branchenübliches Niveau bspw. durch geplante Thesaurierungen anzupassen.

 
Zusätzlich müssen ggf. konkrete, kurzfristige Insolvenzrisiken im Erwartungswert abgebildet werden. Dabei sind die bis zum 30. September 2020 angepassten Regelungen des Insolvenzrechts zu beachten.

 
Während davon ausgegangen werden kann, dass in einer langfristigen Betrachtung die Einflüsse der Pandemie von untergeordneter Bedeutung sind, ist zu untersuchen, ob nicht auch eine anhaltende Veränderung der Wirtschaft erkennbar ist, mit Auswirkung auf das zu bewertende Unternehmen. Wie bereits erwähnt – unter­scheidet sich die derzeitige Situation maßgeblich von vorangegangen Pandemien, da in der Zwischenzeit die Globalisierung weiter vorangeschritten ist und entsprechend bereits heute viele traditionelle Geschäftsmodelle in Frage gestellt sind. Folglich ist zu analysieren, wie sich weitere Entwicklungen – z.B. in den Bereichen Kommunikation, Logistik, Konsumverhalten – beschleunigen oder verzögern. Diese Aspekte sind unter­nehmens­individuell zu untersuchen; der Bewerter muss einschätzen bzw. feststellen, inwiefern Geschäfts­modell und –entwicklung sowie die Unternehmenspläne aus der Zeit vor der Krise auch in Zukunft noch tragfähig sind und diese ggf. angepasst einer Bewertung zugrunde zu legen sind.
  

Risikoprämie/Kapitalkosten

Es sind entsprechend der jüngsten Einschätzung des FAUB keine Gründe für eine Veränderung der Methodik zur Ableitung der Kapitalkosten erkennbar. Kapitalmarktdaten sind – entsprechend des Zeithorizonts der Prognose zukünftiger Überschüsse - langfristig zu beurteilen. In der derzeitigen Krise bleibt es daher gemäß des FAUB bei einer unveränderten Orientierung der Kapitalkosten an folgenden Maßstabbandbreiten: Marktrenditen 7,0 bis 9,0 Prozent, Marktrisikoprämie 6,0 bis 8,0 Prozent, (jeweils nach Unternehmenssteuer und vor persönlichen Steuern).

 

Multiplikatorverfahren

Bei der Anwendung von Multiplikatorverfahren sind derzeit im Hinblick auf die starke Volatilität der Aktien­kurse an den Börsen seit Beginn der Krise zwei Aspekte besonders zu beachten. Erstens schlagen Börsenkurse in Krisenzeiten meist zu sehr nach unten aus, da Investoren zur Vermeidung von Kursverlusten oder wegen kurzfristigen Liquiditätsengpässen ihre Anteile verkaufen, was wiederum anderen Anlegern ein Verkaufssignal geben kann und den Kursverfall weiter verstärkt. Zweitens passen Analysten Ihre Schätzungen tendenziell stark zeitverzögert an die kurzfristigen Veränderungen und Verzerrungen an. Somit sind die Risiken in Krisen­zeiten in den Multiplikatoren oft nur einseitig in der Börsenkapitalisierung berücksichtigt, nicht jedoch in den erwarteten Performancekennzahlen der Unternehmen (bspw. EBITDA oder EBIT); dies verzerrt die Multipli­katoren nach unten und macht daher deren reflektierte Anwendung auf das zu bewertende Unternehmen erforderlich.

  

Fazit

Die derzeitige Krisensituation stellt nicht nur die Unternehmen selbst, sondern auch deren Bewertung vor eine große Herausforderung. Zur Frage, wie in der Unternehmensbewertung bei fundamentalen Bewertungs­ver­fahren mit den dadurch besonders ungewissen kurz-, mittel- und ggf. auch den langfristigen Zukunftser­war­tungen umzugehen ist, gibt die Mitteilung des FAUB eine hilfreiche Orientierung: Während die Bewertungs­methodik sowie die Marktrisikoprämie im Kapitalisierungszinssatz unverändert bleiben können, sind die Cash Flow Prognosen nach einer unternehmensindividuellen Analyse der Kriseneinflüsse anzupassen.

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