Spanien: Online-Schiedsgerichtsverfahren in Zeiten von Covid-19

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veröffentlicht am 11. Mai 2020 | Lesedauer ca. 2 Minuten

  

  

  

 

Grundsätze und praktische Ratschläge für die „virtuelle Verhandlung“ am Beispiel eines ICC Verfahrens

Die SARS-CoV-2-Pandemie und die damit verbundenen staatlichen Maßnahmen zur Eindämmung des Virus haben in nicht wenigen Staaten zu einer Verlangsamung bis hin zum Stillstand der staatlichen Rechtspflege im Bereich des Privatrechts geführt. Dem gegenüber bieten Online-Schiedsverfahren auch in Zeiten einer Quarantäne rechtssichere Verfahren zur Lösung von Rechtstreitigkeiten zwischen Unternehmen.
 

Der folgende Beitrag gibt eine kurze Zusammenfassung von praktischen Ratschlägen, die der Autor zusammen mit Jordi Serallés, Generalsekretär der ICC Spain, anlässlich zweier am 26. März und 23. April des Jahres abgehaltenen Webinare zum Thema „Online Schiedsgerichtsverfahren“ vorgestellt haben („Arbitraje Online: Posibilidades de un arbitraje a distancia en tiempos de Coronavirus/Covid-19 y Guía ICC para los procedimientos arbitrales”).
 

Grundsätzliches:

Rechtssicheres Verfahren, die zu vollstreckbaren Ergebnissen führen sollen, setzen voraus, dass sowohl die konkreten Schiedsverfahrensbestimmungen als auch das jeweils subsidiär anwendbare Recht beachtet und eingehalten werden. So lässt insbesondere das Schiedsrecht der ICC die Möglichkeit zu, dass sich die Konfliktparteien auf ein reines „Distanzverfahren“ einigen, d.h. ohne die Pflicht zur persönlichen Anwesenheit in Besprechungen oder bei der mündlichen Verhandlung.
 

Während das Verfahrensrecht die rechtlichen Grenzen dieser flexiblen Verfahrensgestaltung setzt, haben die Parteien insbesondere in praktischer Hinsicht darauf zu achten, dass ein faires Verfahren zu jeder Zeit gewährleistet ist. Das bedeutet, dass die eingesetzten technischen Hilfsmittel im Laufe des Verfahrens beiden Seiten sowie den Schiedsrichtern zu gleichen Bedingungen zur Verfügung stehen müssen. Dem Gericht obliegt hierbei die anspruchsvolle Aufgabe, genügend Raum für „smarte“ technische Lösungen zu geben und gleichzeitig aus der Distanz das Fairnisgebot zu überwachen sowie Fehlverhalten oder sogar Obstruktionen einer Partei zu erkennen und gegebenenfalls zu disqualifizieren. Es empfiehlt sich für das Gericht, die einzelnen Verfahrensschritte und -abläufe im Vorfeld einvernehmlich abzustimmen, gesondert festzulegen und wo grundsätzlich vorher zu proben.
 

Praktische Ratschläge zur virtuellen mündlichen Verhandlung

Abgesehen von den möglichen Verzögerungen zu Beginn und Abschluss des Schiedsverfahrens durch eine verordnete Quarantäne (z.B. Probleme bei förmlichen Zustellungen an die Parteien und das Gericht), sind bei online-Verhandlung zahlreiche Besonderheiten zu beachten, die im Folgenden stichpunktartig aufgelistet werden:
 

Vorbereitung

  • Die Einzelheiten zur technischen Ausstattung und der Ablauf der virtuellen mündlichen Verhandlung einschließlich der Protokollierung sollten gemeinsam und im Einvernehmen mit dem Schiedsgericht im Rahmen einer oder mehrerer Verfahrensmanagementkonferenzen schriftlich festgelegt werden.
  • Für die Einrichtung der gewählten Technik (verschlüsselte Videokonferenzen, spezielle Videokonferenzräume mit Breitbandverbindungen, Datenraum, Ersatzgeräte einschließlich –stromversorgung, etc.) sollte ausreichend Vorlaufzeit und gegebenenfalls die Kostentragungspflicht geklärt werden.
  • Vor der eigentlichen Verhandlung sind Testläufe, idealerweise zwei Probesitzungen (Dauer etwa 1 h) in der Woche vor der eigentlichen Verhandlung, durchzuführen.
  • Erstellung von technischen Checklisten verhindern unnötige Unterbrechungen (Akkus laden, Schlafmodus bei PC/Laptop ausschalten, Handy-Konferenzeinwahlnummern für Notfall, Handynummern für den Fall unvorhergesehener Unterbrechungen austauschen, Audio/Videotest, korrekte Beleuchtung, korrekte Kameraposition, Fremdgeräusche ausgeschlossen etc.)
  • Empfohlene Technische Ausstattung: Mindestens 3 evtl. sogar 4 Bildschirme (beteiligte Personen, Unterlagen, interne Kommunikation (Breakout Meetingroom/Messenger), evtl. Übersetzer); Headset- oder Knopfloch-Micro.

 

Ablauf

  • Auf unterschiedliche Zeitzonen und Pausenpräferenzen achten.
  • Mehre kurze Pausen statt weniger langer Pausen.
  • Maximale Redezeitblöcke vereinbaren (mit Timer kontrollieren).
  • Freie Diskussionsrunden und geleitete Diskussionsrunden (Schiedsrichter vergibt Rederecht) vorab ankündigen.
  • Vortragstechnik: einfache, kurze Sätze; Argumente deutlich strukturieren (Nummerierung), Ton- und Kamera laufend durch eigene Teammitglieder kontrollieren lassen.
  • Dokumente zur gemeinsamen Einsicht über Indexseite per Hyperlink verknüpfen und Umfang der ausgewählten Dokumente angemessen beschränken.
  • Widersprüche, Mängelrügen und Einwände bezogen auf die eingesetzte Technik (inkompatible Hard- oder Software, Ton- oder Bildstörungen etc.) schriftlich gesondert festhalten.

 

Fazit

Die Durchführung eines Online-Schiedsverfahrens bietet eine gangbare Alternative zu den herkömmlichen Präsenzverfahren. Es ist zu vermuten, dass auch nach Covid-19 manche Verfahren aus Zeit- und Kostengründen in „das Netz“ verlagert werden. Der Vorteil der Flexibilität wird jedoch mit dem Nachteil eines erhöhten Missbrauchspotentials erkauft. Zudem müssen die Parteien nicht unerheblichen technischen Aufwand betreiben, um einen zufriedenstellenden, fairen Verfahrensablauf und die gewünschte Zeitersparnis zu erzielen.

 

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